29. September 2023

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Hinweisgeberschutz- und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland: Eine kritische Betrachtung aus der Compliance-Perspektive

Hinweisgeberschutz- und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland: Eine kritische Betrachtung aus der Compliance-Perspektive

Die neuen Compliance-Gesetze geben sehr kleinteilige Massnahmen und Handlungsanweisungen vor, bei deren Nichtbefolgung hohe Bussgelder drohen. Dieses Mikromanagement stellt einen starken Eingriff in die unternehmerischen Freiheiten dar. Dr. Malte Passarge, Partner der Kanzlei Huth Dietrich Hahn in Hamburg, berät Unternehmen in Fragen des Wirtschafts- und Gesellschaftsrechts und Compliance und wird in seinem Vortrag im Rahmen der Integrity Europe Konferenz am 26./27. Oktober am IFZ auf die «Praxis(un)tauglichkeit aktueller Compliance-Gesetze (HinSchG und LkSG)» eingehen.

HinSchG und LkSG gehen an den Erfordernissen der Praxis nicht nur vorbei, sondern offenbaren die Gedankenwelt eines regelwütigen Staates hin zu einer Compliance-Planwirtschaft, bei der Gesetzgeber und Behörden unter Verletzung zahlreicher rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Grundsätze Unternehmen massiv überregulieren.

Dr. Malte Passarge, Partner der Kanzlei Huth Dietrich Hahn

Risiken bei der Umsetzung der Vorgaben von HinSchG und LkSG

Es ist wichtig, Unternehmen bewusst zu machen, welche Risiken bei einer unkritischen Umsetzung der Vorgaben von HinSchG und LkSG drohen. Genannt sei die Pflicht des HinSchG, eingegangene Hinweise zu dokumentieren. Eine Notwendigkeit dafür besteht weder aus Sicht der Unternehmen, noch aus Sicht des Hinweisgebers. Tatsächlich gefährdet dies die Anonymität des Hinweisgebers, und dürfte gegen das strafprozessuale Selbstbelastungsverbot verstoßen. Ähnliches gilt auch für das LkSG. Unternehmen sollen Verstösse offenlegen und so klagewilligen NGOs und Behörden die Arbeit erleichtern. Doch sind Unternehmen gegenüber dem Deutschen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nicht nur zur Duldung von Ermittlungsmaßnahmen, sondern zur Erteilung von Auskünften und Herausgabe von Unterlagen verpflichtet. Faktisch entsprechen die Befugnisse des BAFA denen der Staatsanwaltschaft (mit dem Unterschied, dass ein Richtervorbehalt nicht vorgesehen ist). Zudem hat das BAFA umfassende Befugnisse, sie ist Ermittlungsbehörde, verhängt Sanktionen, kann Unternehmen zur Umsetzung bestimmter Maßgaben verpflichten und agiert als Ersatzgesetzgeber. Aufgaben der Legislative, Exekutive und Judikative werden in einer Behörde vereint, was gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstösst.

Auch Unternehmen sind Bestandteil der Gesellschaft und Rechtsordnung und können und sollten sich gegen unsinnige oder schädliche Gesetze wehren.

Mangelnde Praxistauglichkeit gewisser Regelungen in HinSchG und LkSG

Beide Gesetze schaffen für die anstehenden Probleme und selbst gesetzten Ziele keine Lösungen, sondern vornehmlich Dokumentations- und Berichtspflichten als Selbstzweck. Whistleblowing und Schutz von Hinweisgebern haben sich in der Compliance-Praxis und Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland (BGH) bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) sehr gut entwickeltet und etabliert. Eine Hinweisgeberstelle ist fester Bestandteil der Compliance-Architektur, das neue Gesetz bietet keinerlei Fortschritte, Problemlösungen oder Neuigkeiten.

Bedauerlicherweise wurde der besonders wichtige Bereich des Whistleblowings bei Fehlverhalten durch staatliche Institutionen dem Schutzbereich entzogen, ein Rückschritt beim Hinweisgeberschutz.

Das LkSG basiert auf dem Grundgedanken, dass Anbieter entlang der Lieferkette beliebig austauschbar sind. Das Gegenteil ist der Fall. Der Ausfall eines Lieferanten eines scheinbar unbedeutenden Einzelteils kann nicht nur Unternehmen, sondern ganze Branchen in Bedrängnis bringen.

Das ganze Gesetz ist von einer toxischen Naivität geprägt.

Als Ultima Ratio ist vorgesehen, dass bei festgestellten Verstössen gegen Umweltstandards der Menschenrechte die Vertragsbeziehungen zu beenden sind. Welche Folgen das haben soll, ist unklar. Da der Vertragspartner in Bangladesch oder China nicht dem LkSG unterliegt, kann er Schadensersatzansprüche geltend machen. Auch sind die Folgen für die betroffenen Arbeiter und Regionen nicht zu Ende gedacht. Tatsächlich wird das LkSG dazu führen, dass sich Unternehmen aus kritischen Regionen und Produktionsbereichen zurückziehen.

Regelungsflut und Regelungswut

Die vom Gesetzgeber verfolgte Strategie der Schaffung kleinteiliger Vorgaben führt zu einer Tick-the Box-Compliance und verhindert die Entwicklung effektiver und effizienter Lösungen durch die Rechts- und Unternehmenspraxis.

Wer nur einen Haken setzt oder ein Dokument produziert, schafft kein echtes Compliance-Bewusstsein.

Für die kommenden Jahre ist es weniger wichtig, dass Unternehmen bei der Einführung von Compliance-Strukturen von Politik und Verwaltung bevormundet werden. Dr. Malte Passarge rät, vor allem die Internationalisierung der Rechtsordnungen und Konflikte, die extraterritoriale Ausdehnung der Rechtsordnungen der USA und China, angemessene Reaktionen auf die Fragilität der Lieferketten und einen angemessenen Schutz von Hinweisgebern zukünftig fest im Blick zu haben.

Diskutieren Sie mit Dr. Passarge während der Integrity Europe Konferenz über die Konsequenzen der europäischen Gesetzgebung für Schweizer Unternehmen.

Hier geht es zur Anmeldung für die Integrity Europe Konferenz

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