4. September 2023

Nachhaltigkeit,

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Controller Tagung Schweiz 2023: «Mind the [skills] gap – Controlling der Zukunft»

Controller Tagung Schweiz 2023: «Mind the [skills] gap – Controlling der Zukunft»

Von Prof. Dr. Imke Keimer, Dozentin und Projektleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, Hochschule Luzern.

Ein Interview mit den Referenten an der Controller-Tagung Schweiz 2023: Christine Seibert, VP Global HR, Dätwyler IT Infra AG, und Adrian Bolliger, Geschäftsführer Europa, Dätwyler IT Infra AG.

Die Controller Tagung Schweiz findet am Mittwoch, 20. September 2023, am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ in Rotkreuz statt. In diesem Jahr mit dem Schwerpunkt-Thema «Future Skills im Controlling: Mit diesen Kompetenzen ist das Controlling gewappnet für die Zukunft.»

Adrian Bolliger, Geschäftsführer Europa, Dätwyler IT Infra AG und Christine Seibert, VP Global HR, Dätwyler IT Infra AG

Liebe Christine, lieber Adrian, gleich zu Beginn unseres Interviews werde ich persönlich: Welche Kompetenzen habt ihr euch zuletzt angeeignet?

Christine Seibert: Gute Frage, Imke. Damit sind wir direkt im Thema. Ich persönlich finde den Begriff «Kompetenz» noch schwierig zu greifen, weil er ja neben Kenntnissen auch Verhaltensweisen umfasst. Als «halbe» Psychologin denke ich natürlich direkt an Wissensbestände, Denkmethoden, individuelles Vermögen, Befähigung und Potenziale. Da müsste ich aber weit ausholen, um deine Frage zu beantworten.

Vielleicht darf ich dir aber eine Alternative anbieten? Wenn du mich fragen würdest, was die letzte Fähigkeit oder Fertigkeit («Skill») ist, die ich mir angeeignet habe, dann kann ich dir direkt antworten: Ich habe eine Weiterbildung zum Thema Finanzanalyse gemacht, und das nicht, weil ich an eurer Controller-Tagung teilnehmen darf, sondern weil ich es wichtig finde, dass auch eine HR-lerin Fertigkeiten in angrenzenden Fachbereichen aufbaut.

Ob ich diesen «Skill» nun schon in eine «Kompetenz» überführen konnte, da würde ich doch glatt mal den Ball zu Adrian rüberwerfen.

Adrian Bolliger: Na, auf jeden Fall hat Christine schon mal verstanden, was «sunk costs» sind. Aber Spass beiseite. Realistischerweise können wir von Mitarbeiter:innen wie Christine ja nicht erwarten, dass Sie ein Training machen, um sich neue Fähigkeiten anzueignen – und dann ist die Kompetenz sofort voll ausgeprägt. Um Kompetenzen auszubilden, gehört meines Erachtens auch dazu, dass das erworbene Wissen angewendet werden kann. Kompetenz bedeutet ja z.B. auch zu wissen, wie diese Fertigkeit im Tagesgeschäft eingebracht werden kann oder wie sie im Gesamtkontext der Finanzabteilung oder gar des Unternehmens eingebettet ist, um relevante Entscheidungen zu treffen.

Hier kommen also verschiedene Aspekte zusammen: a) die Möglichkeit zu haben, eine Fertigkeit zu erlernen, z.B. durch eine Weiterbildung, und b) diese neu erlernte Fertigkeit anzuwenden, einzubringen und Erfahrungen darin zu sammeln. Nur wenn wir als Unternehmen beides ermöglichen, können Mitarbeiter neue Kompetenzen erlangen.

«Last but not least» dürfen wir auch nicht die Haltbarkeit des Erlernten vergessen. Die Haltbarkeit ist zu vergleichen mit gewissen Gütern, welche bei Nichtbenutzung verderben oder zuerst wieder aufgefrischt werden müssen. Somit ist es optimal, wenn zwischen Erlernen und Anwenden nicht zu viel Zeit verstreicht. In diesem Sinne, Imke: Ich frische aktuell meine Französischkenntnisse auf, damit ich nicht nur meine Ferien in dieser Sprache, sondern auch Meetings und Präsentationen meistern kann.

Überall spricht man von Fachkräftemangel. Wie schwierig ist es aus eurer Sicht, Controllerinnen und Controller auf dem Arbeitsmarkt zu finden? Was unternehmt ihr, um die Controlling-Mitarbeitenden weiterzuentwickeln?

Adrian Bolliger: Ich finde, dass es immer eine Herausforderung ist, gute Mitarbeitende zu finden, egal ob Controller:in oder Verkäufer:in, Personaler:in oder Produktionsmitarbeitende.

Ich denke auch, dass dies generell für die meisten Unternehmen gilt, denn am Ende hat jede Unternehmung ganz eigene Anforderungen, Gegebenheiten und Bedürfnisse, auf die passgenau rekrutiert oder entwickelt werden sollte.

Christine Seibert: Ich kann nur bestätigen, was Adrian sagt. In meiner eigenen Karriere habe ich doch einige Firmen gesehen, und alle haben mit diesem Thema zu kämpfen gehabt. Meines Erachtens muss jedes Unternehmen sich darüber im Klaren sein, was für ihr Setup am wichtigsten ist.

Bei Dätwyler IT Infra ist es für uns z.B. besonders wichtig, dass die Kandidat:innen ein sogenanntes «growth mindset» mitbringen. Damit meinen wir, dass wir fokussiert Bewerber:innen mit Potenzial suchen. Uns geht es nicht unbedingt darum, Kandidaten:innen mit dem perfekten Werdegang und allen notwendigen Skills und Kompetenzen zu finden. Ganz im Gegenteil, wir wollen Mitarbeitende gewinnen, die engagiert sind und Interesse daran haben, Neues zu erlernen.

Selbstverständlich müssen unsere Führungskräfte das mittragen. Denn Bewerber:innen einzustellen, die vielleicht noch nicht alles können, bedeutet im Umkehrschluss, dass es Zeit für Weiterentwicklung braucht, aber auch einen gewissen Mut und guten Umgang mit Fehlern. Das ist natürlich nicht immer einfach, aber wir versuchen, das mehr und mehr in unserer Firmenkultur zu verankern. Erfolgsgeschichten, wie z.B. das Thema unseres Vortrags, helfen uns, dies voranzubringen.   

Wie hat sich die Erwartungshaltung an das Controlling verändert? Und ist das auch eine Generationsfrage?

Adrian Bolliger: Als Produktionsunternehmen am Standort Schweiz sind wir per se schon mal mit einer hohen Kostensituation konfrontiert. Schauen wir auf die letzten Jahre und die sich immer schneller verändernden Marktsituationen, so müssen wir unsere Kosten jederzeit extrem effizient und präzise transparent haben. Durch neue Technologien und die Digitalisierung der Produktion kann das Controlling weitaus mehr Daten, teilweise sogar in Echtzeit, erfassen. Diese müssen dann aber auch in sinnstiftender Weise verarbeitet und ausgewertet werden. So müssen sich Controller:innen z.B. heute auch mit der Frage auseinandersetzen, wie die Digitalisierung auf das Geschäftsmodell und die dahinterliegenden Prozesse Einfluss nimmt respektive ob die ausgewerteten Kennzahlen und Messgrössen immer noch die richtigen sind oder ob es ggf. neue benötigt. Controller:innen müssen bei uns sehr nahe am Business sein und auch die globalen Zusammenhänge bzw. Unterschiede zwischen den Standorten verstehen.

Christine Seibert: Ich glaube nicht, dass es eine Generationenfrage ist, auch wenn wir bestimmte Muster erkennen, z.B. dass es erfahreneren Controller:innen manchmal etwas schwerer fällt, sich mit neuen Technologien anzufreunden. Ich denke, es ist eher eine «Mindset»-Sache. Vielen, die etwas richtig gut können, fällt es schwer, die eigene Komfortzone zu verlassen, um sich neue Skills oder Kompetenzen anzueignen. Controlling hat dazu oftmals auch einen gewissen Perfektionsanspruch, und bei der Menge an Veränderungen, aber auch an Unsicherheiten, denen wir uns zunehmend ausgesetzt sehen, müssen Fehler und der wohlbekannte 80/20- oder 90/10-Ansatz in meinen Augen öfters Anwendung finden. Alter ist da m.E. eher eine Nebenerscheinung.     

Welche Kompetenzen werden zukünftig benötigt?

Adrian Bolliger: Technologie, Technologie, Technologie. Nicht nur Controller:innen, sondern eigentlich wir alle müssen ein fundiertes Verständnis von digitalen Technologien entwickeln. Nur dann können wir Funktionsweisen und Möglichkeiten der Digitalisierung in Einklang bringen, können die finanziellen Auswirkungen und auch die Potenziale verstehen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Neben technologischem Verständnis benötigt es dann aber auch Kompetenzen, z.B. im Bereich Datenmanagement und -sicherheit, Prozessmanagement und -optimierung sowie strategisches bzw. vernetztes Denken und die Nähe zu den Menschen. Gerade letzteres nimmt uns die Technologie nicht so einfach ab.

Christine Seibert: Adrian hat vollkommen Recht. Meiner Erfahrung nach sind das aber auch alles riesige Kompetenzbereiche, bei denen man vor lauter Bäumen kaum den Wald sehen kann, insbesondere wenn man sich in einem bestimmten Bereich neue Skills und Kompetenzen aneignen möchte. Deshalb würde ich nach dem Prinzip «let’s slice the elephant» anfangen. Statt direkt alle Kompetenzen im Fachbereich Controlling aufbauen zu wollen, können Unternehmen damit starten, erst einmal bestimmte «Skills» im Team zu entwickeln – Skills wie z.B. Prozessautomatisierung, Produktionstechnologien, Projektmanagement, Datenanalyse und -visualisierung von grossen Datenmengen (big data), aber auch z.B. Vorhersagemodelle oder Qualitätsmanagement sind Themenbereiche, die mit guten Weiterbildungen oder mit dem Gewinnen neuer Talente intern wie extern aufgebaut werden können. 

Wie bringt sich das Controlling aktiv in die Unternehmenstransformation ein?

Adrian Bolliger: Unsere Unternehmenswurzeln gehen auf mehr als 100 Jahre Kabelproduktion zurück. Um aber nachhaltig und wettbewerbsfähig am Markt bestehen zu können, mussten wir uns bereits sehr früh weiterentwickeln. Als Kabelhersteller lagen für uns Bereiche wie z.B. Datencenter, IT- und OT-Infrastrukturen sowie dazugehörige Softwarelösungen sehr nahe. Infrastruktur ist für uns also ein wesentlicher Fokus, und da kann man natürlich schlecht seinen Kunden etwas von der Kanzel predigen, was man selbst nicht lebt. Davon mal ganz abgesehen, dass die Digitalisierung von Produktionsbetrieben auch aus Kosten- und Effizienzgründen natürlich total Sinn macht.

Wir haben uns deshalb bereits vor vielen Jahren im Kontext von Industry 4.0 dazu entschieden, unsere eigene Produktion zu digitalisieren. In diesem Zusammenhang haben wir vor ca. vier Jahren ein sogenanntes «Management Execution System» – kurz MES – eingeführt. Unsere Controller:innen haben hier einen sehr aktiven Part im Projekt, nämlich in der Definition der Kennzahlen und Prozesse, sowie heute auch in der Datenanalyse übernommen. Dabei helfen Sie uns, Aufträge, Fertigungstermine, Materialbedarfe, Produktionssteuerung, Maschinenverfügbarkeit, Arbeitslast und Produktionspläne, Qualitätsmanagement, Wartung und Instandhaltung sowie die Datenintegration vollumfänglich zu analysieren und zu steuern. Das sind natürlich für jedes Produktionsunternehmen unglaublich wichtige Themen …

Christine Seibert: … und hier muss ich Adrian jetzt leider unterbrechen, denn wir wollen noch nicht alles verraten, was wir Euch dann auf der Controller-Tagung präsentieren werden. An dieser Stelle unterbrechen wir jetzt also für ein bisschen Werbung und freuen uns, euch auf der Controller-Tagung am 20. September kennenzulernen.

Vielen herzlichen Dank für eure spannenden Antworten. Wir freuen uns sehr auf euren Vortrag am 20.09.2023 an der Controller-Tagung Schweiz 2023.

Anmeldung: Controller Tagung Schweiz 2023

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