27. Februar 2013
von Prof. Dr. Maurice Pedergnana
Dozent und Studienleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ
Für viele Fachleute ist klar: Die reiche Schweiz vernachlässigt ihren unternehmerischen Nachwuchs sträflich. «Bei 18 der 20 bedeutendsten Finanzierungen von Schweizer Jungunternehmen stammte der Lead-Investor letztes Jahr aus dem Ausland», sagt etwa Maurice Pedergnana, Geschäftsführer des Private-Equity-Verbandes Seca. Die Top 20 stellten 2012 rund 90% des gesamten Finanzierungsvolumens dar.
Es sei zwar erfreulich, wenn ausländische Investoren hier aktiv würden. Doch der Lead-Investor nehme in der Regel Einsitz im Verwaltungsrat und habe einen bestimmenden Einfluss auf die Strategie. «Die Gefahr ist gross, dass der oft rasante Ausbau bei diesen Jungfirmen dann im Ausland erfolgt und die Schweiz eine Wissens-Abwanderung erleidet», sagt Pedergnana. In der Praxis zeige sich dies bereits: House Trip, eine Lausanner Internetfirma, die 2012 eine Kapitalspritze von 37 Mio. Fr. erhalten hat, wachse nun vor allem in London. GetYourGuide, ein Spin-off der ETH, der sich dieses Jahr eine Finanzierung von 13 Mio. Fr. sichern konnte, baue in Berlin auf.
Besonders schwierig seien für Jungfirmen in der Schweiz Finanzierungen zwischen 2 und 5 Mio. Fr., sagt Pedergnana. An sogenanntes Seed Capital für die erste Phase der Unternehmensgründung kommen Jungunternehmer noch verhältnismässig einfach – dank dem Engagement von Firmen wie der Zürcher Kantonalbank, der Plattform investiere.ch und anderen. «Die Finanzierung mit Seed Capital funktioniert in der Schweiz recht gut», sagt Markus Hosang von BioMedPartners, einer Basler Firma, die 250 Mio. Fr. in Jungunternehmen der Gesundheitsbranche investiert. Das reiche aber meist nur bis zur Entwicklung eines Prototyps oder zur Schaffung eines Entwicklungskandidaten. Wenn dann die eigentliche Entwicklung anstehe – im Fall von Medikamenten die klinische Prüfung und im Fall von neuen Geräten und Werkstoffen die technische Entwicklung –, so würden Dutzende von Millionen Franken benötigt. «Die sind auf dem Schweizer Finanzmarkt praktisch nicht aufzubringen», so Hosang. Einige der Jungfirmen gingen in dieser Phase durch ein eigentliches «Tal des Todes». «In der Schweiz gibt es hervorragende Hochschulen und zahlreiche Initiativen für angehende Unternehmer wie Ausbildungskampagnen, Inkubatoren und Startkapital-Töpfe», sagt JeanPierre Vuilleumier, Leiter von CTI Invest, der wohl bekanntesten Schweizer Plattform für Wagniskapital. «Wir verleiten Menschen dazu, Jungunternehmer zu werden, um sie dann in der schwierigsten Phase nur noch ungenügend zu unterstützen.» Hochtechnologieunternehmen verlören viel zu viel Zeit mit der Kapitalsuche. «Alle Länder um uns herum kennen eine staatliche Anschubfinanzierung für StartupUnternehmen, nur die Schweiz nicht», beklagt Vuilleumier.
Tatsächlich kennen praktisch alle Industrieländer und viele Schwellenländer, von den USA über Brasilien und China bis Japan, staatliche Wagniskapitalbeteiligungen. In der EU gibt es laut Pedergnana ein Volumen an Wagniskapital von 7 Mrd. €, 70% davon stammten aus staatlichen Quellen. Ein grosser Player ist der mit EU-Geldern gespeiste Europäische Investmentfonds (EIF). Er investiert nicht direkt, sondern vergibt Geld an Venture-Capital-Firmen, die dann aber Auflagen bekommen, wie und vor allem wo sie dieses Geld anlegen können. Sobald sich der EIF an einem Fonds beteiligt, muss dieser den Hauptteil seiner Investments im EU-Raum tätigen. «Eine Schweizer Firma hat immer eine zusätzliche Hürde bei vielen Investoren», sagt ein langjähriger Medtech-Investor. «Diese investieren eigentlich gerne in der Schweiz, aber sie müssen sich an die Regeln halten.»
Die Fachleute sind sich nicht immer einig in der Problemanalyse. Einige sehen ausländische Investoren als Problem, andere begrüssen deren Engagement ausdrücklich. Einige rufen nach dem Staat als Wagniskapital-Investor, anderen ist Steuergeld eher suspekt. Doch der gemeinsame Nenner ist klar: «In der Branche sind wir uns einig, dass es zusätzliche Mittel für Jungunternehmen braucht», sagt Markus Hosang. «Es gibt viele gute Projekte, die nicht alle gefördert werden können.» Hosang hat keine Angst vor Konkurrenz. «Wir als Venture-Capital-Firma hätten noch so gerne mehr Wagniskapitalfonds in der Schweiz.» Diese würden keine Konkurrenz darstellen, im Gegenteil: «Wir können die Entwicklungsarbeiten in einer Pharmaoder Medtech-Firma nicht allein finanzieren, sondern sind immer auf Syndikatspartner angewiesen.»
Nun wird die Branche aktiv. Man wolle einen Schweizer Innovationsfonds für Frühphasen-Finanzierungen (Early Stage) lancieren und zunächst Unternehmen und Pensionskassen für die Idee gewinnen, sagt Jean-Pierre Vuilleumier. «Wenn wir verbindliche Zusagen in der Höhe von 200 bis 300 Mio. Fr. haben, werden wir beim Staat anklopfen und ergänzend um Geld oder Garantien nachfragen.» Das Konzept für den Fonds sei praktisch fertiggestellt. Der Schweizer Innovationsfonds soll als Co-Investor auftreten und ein Drittel bis maximal die Hälfte einer Finanzierung vornehmen können – falls Investoren bereit sind, ein Jungunternehmen zu finanzieren. «Wir haben nicht im Sinn, einen klassischen Venture-Capital-Fonds zu schaffen. Weil der Fonds nur ergänzend zu privaten oder institutionellen Investoren auftritt, genügt eine vereinfachte Prüfung», so Vuilleumier. Parallel dazu arbeiten einige Schweizer Unternehmer und Fachleute, die vorerst nicht in Erscheinung treten wollen, am Projekt Zukunftsfonds Schweiz. Dieser soll als Fund-of-Funds in hochspezialisierte Wagniskapitalfonds in Bereichen wie Biotechnologie, Werkstoff- und Nanotechnologie, Medtech oder Greentech anlegen. Diese wiederum investieren in Jungunternehmen. Weil es sich um langfristige Anlagen handelt, sollen Pensionskassen und Lebensversicherungen, die über langfristige Mittel verfügen, zur Finanzierung des Fonds ermuntert werden. Auch die Einnahmen einer eventuellen Erbschaftssteuer dürften laut den Promotoren nicht in den Konsum fliessen, sondern sollen Arbeitsplätze für künftige Generationen sichern.
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