20. Januar 2014

Allgemeines,

IFZ in den Medien

Im Interesse des Finanzplatzes und des Landes

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von Prof. Dr. Maurice Pedergnana
Dozent und Studienleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Der Rücktritt von Patrick Raaflaub, Direktor der Finanzmarktaufsicht FINMA, ist wenig überraschend. Auch der Zeitpunkt nicht. Im Januar muss man über das vergangene Jahr berichten. Wer das mit Weitsicht tut, blickt auf fünf Jahre zurück und auf die nächsten fünf vorwärts. Eine Geschäftsberichterstattung beinhaltet immer auch einen (selbstkritischen) Blick auf die eigene Tätigkeit. Es handelt sich nicht um eine schön gefärbte und bebilderte Marketing-Broschüre, sondern um das wichtigste Dokument der Rechenschaftsablage über sämtliche finanziellen und personellen Mittel, die man beansprucht hat, um ein bestimmtes Ziel wirtschaftlich und wirksam zu erreichen. Das gilt auch für die FINMA, bei der der Bericht nicht nur vom Verwaltungsrat, sondern letztlich auch von der Oberaufsicht, vom Parlament und vorberatend in deren Kommissionen, gewürdigt wird.

Und was wird darin stehen? Wie toll es sei, wenn man über einen NZZ-Artikel mit seinen beaufsichtigten Banken über die Teilnehme am US-Programm zur Bereinigung des Steuerstreits zu kommunizieren beginnt (30. November 2013), mit ultimativer Stimme notabene und entgegen allen Usanzen einer glaubwürdigen Aufsichtsbehörde? Wie man sich als Totengräber des Fonds- und Finanzplatzes Schweiz sehe und gelassen die verstärkte Abwanderung von Substanz ins dienstleistungsorientierte EU-Land Luxemburg geradezu fördere? Wie sich die rekordhohe Fluktuation im Verwaltungsrat der FINMA erklären liesse? Oder steht im nächsten FINMA-Geschäftsbericht auch eine Würdigung des Knowhow-Verlustes, weil mittlerweile auch das letzte GL-Mitglied, das die Finanzkrise aus der Perspektive einer Aufsichtsbehörde persönlich erlebt hat, sich in der Privatwirtschaft verselbständigt hat und eine Aufsicht zurücklässt, in der kein einziges Direktionsmitglied mehr über eine vergleichbare Krisenerfahrung verfügt?

Oder steht da im Geschäftsbericht vielleicht etwas über die spannungsgeladenen Gespräche mit der Versicherungswirtschaft? Oder wie belastet die Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Nationalbank geworden sei, wo doch allen klar ist, dass sich die Reibungsflächen zwischen makro- und mikroprudenzieller Aufsicht insbesondere bei den Banken der Risikoklasse 1 (UBS, Credit Suisse) und 2 (Raiffeisen, PostFinance, Zürcher Kantonalbank) unbedingt verringern müssten?

Die FINMA hat sich angemasst, in einigen Banken mit stetiger Präsenz das Tagesgeschäft zu überwachen und Informationen an sich zu reissen, bevor diese beispielsweise dem Verwaltungsrat zur Verfügung gestellt werden – notabene, ohne dann später die Verantwortung für entsprechende Handlungen der Organe zu wollen. Schriftlich wird von der FINMA wenig festgehalten, auch wenn die Kosten der Aufsicht in den letzten Jahren geradezu explodiert sind. Zudem wird von der FINMA immer stärker über rechtlich fragwürdige Quellen und Wege „reguliert“. Rundschreiben und Verfügungen sind die gesetzlich vorgesehenen Mittel; heute sind es mit Diskussions- und Positionspapieren sowie „Q&A“-Links auf der Website vielfältigste Instrumente, mit denen der Weg aufgezeigt wird – ohne klare Rechtsgrundlage und ohne Rechtssicherheit. Auch hat die FINMA rekursfähige Verfügungen immer wieder zu vermeiden versucht, wohl auch deshalb, weil die Qualität der Überlegungen beispielsweise nicht mit jenen der SNB-Berichte standhalten. Letztere hat jüngst der Zürcher Kantonalbank ein hochklassiges, umfassendes Dossier aus eigener Analyse abgeliefert, um ihr klar zu machen, weshalb sie als systemrelevant gelten würde (November 2013). Ähnlich substanziell waren die SNB-Überlegungen, weshalb die Eigenmittel der Credit Suisse zu erhöhen seien (Juni 2012): weshalb ist die FINMA, die mit weitaus mehr Informationen ausgestattet ist und eine besondere Nähe zu den grossen Banken pflegt, nicht selbst zu diesem Schluss gekommen?

 

Es gäbe eine Reihe von kritischen Punkten, die man hier aufführen könnte. Statt mit einer glaubwürdigen, erfahrenen und kompetenten Aufsicht hervorragende Dienstleistungen zu erzielen, hat Patrick Raaflaub eine Wadenbeissermentalität in die FINMA eingebracht, die dann auch auf die zweite und dritte Führungsebene übergeschwappt ist. Die FINMA insinuiert, dass man nahezu kriminell veranlagt sei, wer sich als Finanzdienstleister betätige, ein Finanzprodukt emittiere oder einen Fonds managen wolle. Er ist angetreten, um mitten in einer grossen Finanzkrise das „Opportunitätsfenster“ für eine verbesserte Regulation und Aufsicht zu nutzen. De facto hat er aber nicht nur Aufsichts-, sondern in mancherlei Hinsicht Strukturpolitik betrieben.

Mehr als fünf Jahre nach Ausbruch der Krise finden wir eine Behörde vor, die vor allem gewachsen ist und unter Führungs- und Erfahrungsproblemen auf fast allen Ebenen leidet. Besonders zeichnet sie mangelndes Gespür für das politisch Machbare aus. Die grössten Feinde hat man sich im eigenen Land gemacht, und schlimmer noch, die Fronten haben sich verhärtet, selbst mit der SNB. In einer klugen, staatspolitischen Analyse muss sich das Patrick Raaflaub realistisch vor Augen geführt haben.

Sein Rücktritt dient den Interessen des Landes und des Finanzplatzes. Es ist eine hervorragende letzte Chance, nun jemanden an dieser Schlüsselposition in einer äusserst wichtigen Branche zu etablieren, der es versteht, internationale regulatorische Standards mit einer hohen Dienstleistungsmentalität durchzusetzen – zum Nutzen der Kundinnen und Kunden, der beaufsichtigten Institute, des Finanzplatzes mit seiner Forschung und Wertschöpfung in der Schweiz. In dieser Branche ist die Schweiz nicht mehr ein Einwanderungs-, sondern längst zu einem Auswanderungsland geworden. Das ist das wahre Ergebnis der FINMA-Tätigkeit. Raaflaub macht nun den Weg frei. Dafür gebührt ihm aufrichtigen Dank.

Interesse geweckt?
Hören Sie weiter – das gesamte Interview von Prof. Dr. Maurice Pedergnana im Echo der Zeit auf SRF 1 finden Sie hier

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