25. Oktober 2018
von Denis Mettler, ehemaliger Bachelor-Student in Finance & Banking an der Hochschule Luzern
«El que no tranza no avanza» – Ein Beitrag über die Ohnmacht gegenüber der Korruption
Die mexikanische Regierung, welche ihr Land international wettbewerbsfähiger machen will, hat bereits während der Amtszeit von Felipe Calderon (2006 – 2012) eine Kampagne zur Bekämpfung von Korruption und des organisierten Verbrechens eingeleitet. Der daraus entstehende Compliance-Kulturwandel resultierte auch in einer Vielzahl von neuen Gesetzen (1).
Damit sich die Unternehmen gegen die verschärfte Bekämpfung von Korruption schützen können, braucht es Massnahmen zu deren Eindämmung auf Unternehmensebene. Im Rahmen meiner Bachelorarbeit reiste ich nach Mexiko und führte Interviews in Unternehmen und in der Bevölkerung durch. Dabei ging es für mich darum ein besseres Bild darüber zu erhalten, wie man in Mexiko über Korruption denkt.
Die grassierende Korruption ist in Mexiko allgegenwärtig. Sie dient in der mexikanischen Wirtschaft und Gesellschaft als eine Art Lösungs- und Handlungsstrategie zur Regelung verschiedenster Angelegenheiten (2). Das Sprichwort «el que no tranza no avanza» ist in Mexiko weit verbreitet und bedeutet, dass die ehrlichen Menschen im Leben keine Fortschritte machen. Dies bedeutet nicht, dass es ohne Korruption nicht auch möglich wäre. Es deutet aber darauf hin, dass es mithilfe von Korruption schneller geht.
Oft begehen Personen Korruptionsdelikte, welche sozial angepasst sind und sich in anderen Zusammenhängen jeweils rechtstreu verhalten. Es sind situative Aspekte, welche von erheblicher Bedeutung sind. Die Täter entschliessen sich zur Praktizierung von Korruption, falls sich bei günstigen Gelegenheiten Vorteile mit geringem Aufwand und einem niedrigen Entdeckungsrisiko ergeben. Die Handlungen müssen nicht immer illegal sein. Trotzdem liegen die Vorteile auf der Hand, wenn es beispielsweise um einen besseren Tisch im Restaurant oder einem garantierten Parkplatz im Schatten geht. In diesem Zusammenhang wird auch oft mit einem süffisanten Lächeln gesagt: «con dinero baila el perro». Dies bedeutet so viel wie mit genügend Geld tanzen selbst die Hunde.
Es ist naheliegend, dass das Hauptproblem in der Bevölkerung liegt. Sie ist gegenüber der Korruption nicht abgeneigt. Diverse Interviewpartner untermauerten diese Tatsache, indem sie aussagten, dass die mexikanische Bevölkerung generell bereit ist, der Korruption zuzuschauen und gleichzeitig selber zu praktizieren. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen sozialen Klassen zeigen sich in der eingesetzten Geldmenge und der Anzahl beeinflusster Personen oder Unternehmen.
In Familien gibt es Beispiele wie Bestechungszahlungen (soborno) an Lehrpersonen bei der Notenvergabe oder beim Eintritt in die Schule. Damit das eigene Kind bessere Noten erhält, bestechen die Eltern die Lehrpersonen. Der Eintritt und die dazugehörende Garantie zur Aufnahme in eine Privatschule erfolgen zudem oft über eine Bestechungszahlung. Häufig sind es auch Beschleunigungszahlungen (lubricante), welche einen schnelleren Erhalt von beispielsweise benötigten Dokumenten oder Bewilligungen sicherstellen. Mexikanerinnen und Mexikaner nennen oft die unfairen und zu tiefen Löhne als Grund, warum sie überhaupt dafür empfänglich sind.
Laut einem Interviewpartner eignen sich korrupte Praktiken besonders gut um Strafen zu vermeiden. Die daraus entstehende Situation ist für beide Parteien positiv, da eine Bestechungszahlung vom Betrag her tiefer ist als beispielsweise eine Busse. Die Partei, welche die Strafe eintreibt, behält den Betrag für sich und verzichtet dafür auf deren weitere Verfolgung.
Wie in der Bevölkerung fehlt es oft auch den Unternehmen an einer klaren Haltung, welche Korruption ablehnt. Die befragten Unternehmen weisen bei einem Einstellungsgespräch nicht darauf hin, dass sie Korruption nicht dulden. Im Gegensatz dazu bestechen Bewerbende die Unternehmen, um ihre potenzielle Einstellung zu begünstigen. Nebst den Bewerbenden sind es aber auch die Mitarbeitenden des Unternehmens, welche während des Bewerbungsgesprächs darauf hinweisen, dass die Chancen für eine Einstellung mit einer Bestechungszahlung steigen. Diese Situation zeigt auf, wie weit entfernt einzelne Unternehmen von einer nachhaltigen Korruptionsbekämpfung sind.
Zentrale Werte in Unternehmen wie die Unternehmenskultur und das Führungsverhalten des Managements sollten die Basis zur Korruptionsbekämpfung bilden. Für Unternehmen ist es zudem möglich das Verhalten der Mitarbeitenden durch gezielte Massnahmen in den Bereichen Prävention, Detektion und Reaktion zu beeinflussen. Zur Korruptionsbekämpfung sieht die Bevölkerung auch oft höhere Einkommen als eine Art Lösung. Die finanziellen Anreize Bestechungsgelder anzunehmen sollen sich dadurch reduzieren. Jedoch stellt sich dabei die Frage, wie es in der Zukunft aussieht. Es ist durchaus denkbar, dass Mitarbeitende wieder bestechlich sind, wenn die Gier überwiegt oder eine Angewöhnung an einen höheren Lebensstandard stattgefunden hat.
Mexikanische Unternehmen befinden sich in der Situation, in welcher sie von vorgelagerten Partnern bestochen werden und gleichzeitig auch selber bestechen, um Aufträge zu erhalten. Korruptionsbekämpfung in Unternehmen hat in diesem Fall Vor- und Nachteile zugleich. Die Bekämpfung der Zuneigung zur Bestechlichkeit von Personen der öffentlichen Verwaltung, welche oft Aufträge vergeben, ist für Unternehmen problematisch. Bei einer strikten Ablehnung von Korruption seitens des Unternehmens gehen möglicherweise lukrative Aufträge verloren. Die Alltäglichkeit der Korruption in Mexiko kann Mitarbeitende demotivieren aktiv zu deren Bekämpfung beizutragen. Besonders rational denkende Mitarbeitende stellen sich gegen die Eindämmung von Korruption, da sie nebst dem monatlichen Einkommen noch einen kleinen finanziellen Zustupf erwarten. Korruption ist ab einer gewissen Entscheidungsmacht in Unternehmen zudem nur schwierig erkennbar. Solange sich die beiden Parteien einig sind, nützt aufgrund einer zu kleinen Entdeckungswahrscheinlichkeit auch ein sehr strenges Gesetz gegen Korruption nicht viel.
Für eine nachhaltige Korruptionsbekämpfung müssten hauptsächlich Unternehmen mit einer grossen Verhandlungsmacht dazu beitragen. Je grösser die Verhandlungsmacht ist, desto eher können Unternehmen ein nicht korrumpierbares Verhalten auch gegenüber ihren Partnern ausüben. Es ist unwahrscheinlich, dass kleine Unternehmen in der Korruptionsbekämpfung eine Vorbildrolle übernehmen werden. Die Verhandlungsmacht zeigt auf, wie unterschiedlich die Möglichkeiten und vorhandenen Potenziale der einzelnen Unternehmen im Rahmen der Korruptionsbekämpfung sind.
Im Gegensatz zu Unternehmen bieten die Beispiele aus der Bevölkerung noch viel weniger Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Korruptionsbekämpfung. Die Anreize Korruption einzudämmen sind klein aufgrund einer oft vorhandenen egoistischen Sichtweise bezüglich finanzieller Themen. Dies ist auch mit einer Doppelmoral verbunden. Viele Personen kritisieren und verachten korruptes Verhalten im Gespräch mit Freunden. Trotzdem leisten sie beispielsweise Beschleunigungszahlungen, wenn die eigenen Interessen auf dem Spiel stehen.
Schlussendlich ist die Entscheidung sich korrupt zu verhalten individueller Natur. Die Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung müssen deshalb bereits früher im Leben ansetzen. Dabei wurde in den durchgeführten Interviews eine verbesserte Erziehung, sowohl in den Familien wie auch in der Schule, erwähnt. Eltern und Lehrpersonen müssen ein integres Verhalten vorleben und eine längerfristige Denkweise vermitteln. Falls dadurch eine Ablehnung der Korruption entsteht, ist es möglich, dass die folgenden Generationen das Problem eindämmen können.
Literaturverzeichnis
(1) Voss, A. (2014). Compliance Berater. Länderreport: Compliance in Mexiko. Online (17.04.2016): http://www.roedl.de/de-de/de/themen/documents/compliance-in-mexiko-roedl-partner.pdf
(2) Ferres, R., Meyer-Belitz, F., Röhrs, B. & Thomas, A. (2005). Beruflich in Mexiko. Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Denis Mettler schloss 2016 den Bachelor in Finance & Banking an der Hochschule Luzern ab. Danach wechselte er für den Master an die Universität Bern. Nebst der Vertiefungsrichtung Unternehmensführung interessiert er sich für das Themengebiet Organisational Behaviour.
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