Wie Bankberatung gelingt – und wie nicht

Wie Bankberatung gelingt – und wie nicht

Auch in Zeiten von Bankenskandalen und E-Banking ist das persönliche Beratungsgespräch in der Bank nicht überflüssig – im Gegenteil. Erfahren Sie, was die Eigenheiten dieses Gesprächstyps sind und welche Probleme Bankberater zu überwinden haben.

Ungedeckte Hauskredite, spekulative Eigengeschäfte, Beihilfe zur Steuerhinterziehung – die Banken stehen unter Beschuss. Dagegen hilft für den einzelnen Kundenberater nur eine Strategie: selber eine unbestechliche, professionelle Beratung anbieten. Eine Studie erhellt, was Bankgespräche charakterisiert und mit welchen typischen Problemen sich Beraterinnen konfrontiert sehen.

Telefonische und persönliche Gespräche unter der Lupe

In einer Studie wurden 59 Telefongespräche in einem Bank-Callcenter sowie zwei persönliche Gespräche in den Filialen zweier verschiedener Banken aufgezeichnet und mit den Mitteln der linguistischen Gesprächsanalyse untersucht. Ferner wurden Interviews mit drei erfahrenen Kundenberatern geführt. Das Beratungsteam im Callcenter war zum Zeitpunkt der Untersuchung neu gebildet worden, um Kunden mit geringem Vermögen kostengünstig zu betreuen.

Eigenschaften des Gesprächstyps Bankberatung

Mit vielen anderen Formen von Beratung teilt die Bankberatung die grundlegende Konstellation: Eine Expertin unterstützt einen Laien darin, ein Problem auf den Punkt zu bringen und zu lösen. Der Prozess führt von der vagen Frage: «Was mache ich mit meinem Geld?» über die konkrete Frage: «Wie viel soll ich wo investieren?» bis zu einem konkreten Anlageentscheid. Darüber hinaus weisen Bankberatungen drei typische Eigenschaften auf:

Vorbereitete, schematisierte Gespräche

Kaum eine andere Expertengruppe wird so intensiv in Gesprächsführung ausgebildet wie Bankberaterinnen. Individualkundenberater müssen sich heute zertifizieren lassen. Zusätzlich können sie sich auf Gesprächsleitfäden ihrer Institute stützen. Das führt dazu, dass die Gespräche stark schematisiert sind, vom Rückblick auf das Erreichte über eine Situations- und Bedürfnisanalyse bis zu konkreten Vorschlägen. Ins persönliche Gespräch kommen die Berater sehr gut vorbereitet. Am Telefon ist diese Vorbereitung hingegen nicht möglich.

Beraterinnen sind nicht unabhängig

Bankberatungen weisen eine Nähe zum Verkaufsgespräch auf, da die Bank am Verkauf von Anlageprodukten verdient. Die Berater sind über verschiedene Anreizsysteme direkt an diesen Verkäufen beteiligt. Daher können sie nicht als unabhängig gelten. (Das gilt allerdings auch für andere Berater wie zum Beispiel Ärztinnen, die an Operationen verdienen).

Gefährdeter Expertenstatus

Bankberatung findet in einem extrem veränderlichen Umfeld statt: Die Börse reagiert hektisch auf wirtschaftliche und politische Ereignisse, die Produkte und Konditionen ändern kontinuierlich, verlässliche Prognosen gibt es nicht. Für die Berater ist es schwierig, auf dem aktuellen Stand der Dinge zu sein, gleichzeitig sind jedoch viele Kundinnen dank des Internets immer besser vorinformiert. Der Expertenstatus der Berater ist daher stets gefährdet.

Typische Probleme in der Bankberatung

Die Analysen der aufgezeichneten Gespräche liessen vier typische Probleme zu Tage treten:

Die Kunden richtig einschätzen und über Risiken aufklären

Nach finanziellen Verlusten wollen viele Kunden plötzlich nichts mehr wissen von Risiken, die sie eingegangen sind. Dem beugen die Berater dadurch vor, dass sie sorgfältig abklären, wie die Vermögenslage der Kundin aussieht und welche Risiken sie einzugehen bereit ist. Für gewisse Produkte müssen die Kundinnen heute sogar unterschreiben, dass sie verstanden haben, wie sie funktionieren. Bei den sehr kurzen Gesprächen im Callcenter wurde hingegen keine Situations- und Bedürfnisanalyse durchgeführt, Anlagewünsche der Kunden wurden einfach ausgeführt.

Das nötige Fachwissen haben und auf dem Laufenden sein

Die Berater sollten nicht nur die teilweise komplexen Finanzprodukte verstehen, sie sollten auch ein grundlegendes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge haben und die wichtigsten Unternehmen kennen. Die Banken stellen ihren Beratern umfangreiche Informationssysteme sowie Analysen von Experten zur Verfügung. Trotzdem ist es für die Beraterinnen kaum mehr möglich, vollständig orientiert zu sein. Gute Vorbereitung und die Hilfe von Kollegen helfen gegen die Wissenslücken. Im Callcenter taten sich zum Zeitpunkt der Untersuchung allerdings Abgründe von Unwissen auf; die Beraterinnen kannten die Namen Lonza und Syngenta nicht, empfahlen Aktien von Unternehmen, die sie nicht kannten, und benützten veraltete Unterlagen von Fonds.

Verständliche Erklärungen abgeben

Die Kunden signalisieren häufig nur ungenügend, dass sie etwas nicht verstehen. Diese Zeichen werden von vielen Beratern am Telefon überhört. In der Folge tätigen Kundinnen Börsengeschäfte, die sie nicht verstanden haben. Wo Erklärungsbedarf explizit angemeldet wird, schaffen es nicht alle Beraterinnen, zum Beispiel das Funktionieren einer Limite oder einer Option verständlich zu erklären. In den persönlichen Beratungen holen die Berater teilweise sehr weit aus, um ihren Kunden die Produkte und die vorgeschlagenen Anlagestrategien zu erklären. Damit wollen sie Fehlspekulationen vorbeugen.

Langfristige, vertrauensvolle Beziehungen aufbauen

Die interviewten Berater betonten alle, ihr oberstes Ziel im Gespräch sei, Vertrauen aufzubauen und somit eine langfristige Kundenbeziehung zu etablieren; eine solche sei auf lange Sicht auch ertragreicher als die kurzfristige Verkaufsmaximierung. Diesem Ziel arbeiten allerdings die Banken oft selber entgegen, indem sie durch interne Reorganisationen häufige Beraterwechsel provozieren und die Anreizsysteme auf den kurzfristigen Verkauf bestimmter Produkte auslegen. Das Einrichten von Callcentern schliesslich verhindert den Aufbau einer Vertrauensbeziehung endgültig, da die Anrufenden jedes Mal bei einem anderen Berater landen.

Fazit: Persönliche Beratung top – Callcenter Flop

Bankberatung ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die weit über das Verkaufen von Finanzprodukten hinausgeht. Gefragt sind umfangreiche Fachkenntnisse sowie ausgeprägte rhetorische Fähigkeiten, die von der Strukturierung eines einstündigen Gesprächs über das schlüssige Argumentieren bis hin zum verständlichen Erklären reichen. Die grössten Herausforderungen sind die permanenten wirtschaftlichen und organisatorischen Veränderungen sowie die prinzipielle Unvorhersagbarkeit der Börse.

Die Unterschiede zwischen der persönlichen Beratung und der Beratung am Telefon sind eklatant. Im untersuchten Callcenter wurde keine Beratung geboten, die den Namen verdient. Das lag vermutlich nicht nur daran, dass die aufgenommenen Berater sehr jung und unerfahren waren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine seriöse Anlageberatung und der Aufbau einer vertrauensvollen Kundenbeziehung durch wechselnde Beraterinnen am Telefon grundsätzlich nicht möglich sind. Das zeigt die Grenzen der Rationalisierung von Dienstleistungen schonungslos auf.

Wie sieht die Zukunft aus?

Die zunehmende Selbstbedienung im Internet wird die persönliche Beratung in Banken nicht überflüssig machen. Nur wenige Kunden sind willens und fähig, sich alle Informationen über Anlagemöglichkeiten zu verschaffen und selbständig die richtigen Entscheide zu fällen. Sie werden das Fachwissen der Berater weiterhin gerne in Anspruch nehmen. Auf Seite der Beratenden liegt die Zukunft wohl in der Teamberatung, bei welcher Spezialisten für bestimmte Fragen einen Hauptansprechpartner des Kunden unterstützen.

Schliesslich darf der emotionale Aspekt nicht vergessen gehen: Ein Haus kaufen oder eine Vorsorgelösung entwickeln ist mehr als eine Finanztransaktion. Solche Entscheide persönlich zu begleiten, den Kunden die fachlichen Entscheidungsgrundlagen zu liefern und ihnen emotionale Sicherheit zu geben, wird auch weiterhin Aufgabe des kundigen Beraters sein.

Quelle: Bendel Larcher, Sylvia (2017): Bankgespräche. In: Pick, Ina (Hrsg.): Beraten in Interaktion. Eine linguistische Typologie des Beratens. Frankfurt am Main: Peter Lang, S. 375-397. (= Forum Angewandte Linguistik 60).

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