17. Juli 2018

Studium

Politkampagnen: Traditionelle Medien bleiben modern

Politkampagnen: Traditionelle Medien bleiben modern

Welche Kanäle sollten für politische Kampagnen ausgewählt werden – vielleicht besser nur noch digital? Aktuelle Studien zeigen, dass die traditionellen Medien wie Zeitung, Radio und Fernsehen wichtig bleiben. Die Zauberformel lautet jedoch: «Crossmediale Kampagnenführung».

«Früher war alles einfacher». Zumindest was die Kampagnenführung in den Medien betrifft, liegt diese Behauptung nicht einmal quer in der Landschaft. Vor 40 Jahren war die Zahl der möglichen Medienkanäle in der Schweiz überschaubar: Tageszeitungen, Radio, Schweizer Fernsehen. Heute sehen sich Kampagnenleiter mit einer ungleich grösseren Auswahl konfrontiert. «Schuld» daran sind die digitalen Medien, die via technologischem Fortschritt in rasantem Tempo in den Alltag der Zielgruppen Einzug erhalten haben. Eine in der Schweiz führende Agentur für politische Kommunikation, Farner Consulting, beschreibt die Entwicklung aus ihrer Sicht in einem kurzen Video:

Trump und Geiser mahnen

Nicht zuletzt der Wahlerfolg von Donald Trump in den US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 und die bis heute andauernde Diskussionen über manipulative Wählerbeeinflussung via Online-Kanäle lässt erahnen, welche Wirkung diese Plattformen in der Kampagnenführung haben können. Roman Geiser, CEO und Managing Partner bei Farner Consulting, schreibt in einem Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung im Nachgang zur gescheiterten Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform III im März 2017: «Die Welt der Kommunikation hat sich in den letzten Jahren radikal transformiert […] die sozialen Netzwerke pflügen Kommunikationsschemen um; in einer von Informationen überfluteten und vernetzten Welt ersetzt der Dialog in Netzwerken das alte, von oben nach unten organisierte Botschaftenmodell». Kein Wunder stehen heute Fachkurse wie «Texten und Bloggen für politische Kampagnen» hoch im Kurs und pochen Auftraggeber auf einen modernen Auftritt im Netz und auf Online-Plattformen. Alle hoffen, dass ihre Kampagnen mit Hilfe des Webs und auf Social Media (noch) mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Differenziert bleiben

Da besteht die Gefahr vor lauter Enthusiasmus für die «angesagten» Kanäle das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Im Kern geht es im Politmarketing nach wie vor um das Erzeugen von öffentlicher Aufmerksamkeit, den Transport von politischen Meinungen und im besten Fall um die Beeinflussung der Wählerschaft. Und gerade bei Abstimmungsvorlagen in der Schweiz spielen die traditionellen Medien eine zentrale Rolle.

Verschiedene Erhebungen zeigen, dass bei der Bevölkerungsgruppe ab 55 Jahren die digitalen Medien zwar an Bedeutung zunehmen. Im Vergleich zu den 15- bis 54-Jährigen liegen die traditionellen Medien in dieser Altersgruppe jedoch nach wie vor hoch im Kurs. So zeigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik und des Statistikportals Statista aus den letzten drei Jahren , dass die Altersgruppe 55+ täglich rund 50 Minuten der Zeitungslektüre widmet, während die 15 bis 43-Jährigen rund 30 Minuten dafür einsetzen. Im Bereich der digitalen Medien zeigt die Statistik bei der Nutzungsdauer beim jüngeren Publikum rund 220 Minuten pro Tag an. Beim älteren Publikum sind es bereits beachtliche rund 130 Minuten.

Bei den traditionellen Medien finden die Zeitungsartikel besondere Beachtung. Eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts bfs.bern zur Nutzung der Medien im Abstimmungskampf kommt zum Schluss, dass Zeitungsartikel mehr zur Entscheidungsfindung der Stimmberechtigten beitragen, als Sendungen im Radio und Fernsehen. Überraschenderweise kommt auch dem Abstimmungsbüchlein des Bundes eine grosse Bedeutung zu.

Politkampagnen_Trendauswerung
gfs.bern, VOX-Trendauswertungen, Stand Juni 2016 (n=jeweils ca. 500), gewichtete Teilnahme.

Gepaart mit der Feststellung aus kantonalen Statistiken, dass die höchste Stimmbeteiligung bei den jungen Erwachsenen bei maximal rund 40 Prozent und bei der älteren Generation bei minimal 57 Prozent liegt , kommt den traditionellen Medienkanälen nach wie vor eine starke Bedeutung zu.

Aus dem Rhythmus

Die digitalen Medien bergen für Kampagnenführer indes eine weitere, komplexe Herausforderung: im Zentrum steht dabei der Begriff Algorithmus. Durch die Nutzung der Online-Kanäle hinterlassen die Nutzer Hinweise zu ihren Präferenzen, was die Systeme wiederum auswerten, um den Nutzern die für sie interessanten Inhalte zu bieten. Facebook zum Beispiel ordnet Inhalte nach folgenden Kriterien:

  1. welche Postings von Freunden und Seiten angeboten werden (Inventory),
  2. ob es Daten gibt, die darauf hindeuten, dass ein Posting relevant ist (Signals),
  3. wie wahrscheinlich es ist, dass der Nutzer mit dem Posting interagiert (Prediction)

Politkampagnen finden demnach online nicht unbedingt rasch, einfach und günstig den Weg zur Zielgruppe. Je genauer die Ziele einer Kampagne ausformuliert sind und je klarer die Zielgruppe definiert ist, desto wirksamer ist sie. So können in den digitalen Medien gezielt Dialoge angestossen und Aufmerksamkeit generiert werden. Peter Metzinger, der 1998 die erste Campaigningagentur der Schweiz gegründet hat, betonte bereits im Jahr 2013 am Campaigning Summit in Zürich, dass viele Firmen, Parteien und Verbände vergessen, dass «man zuerst zuhören und seine Zielgruppe ganz genau kennen muss, bevor man versuchen sollte, sie von irgendetwas zu überzeugen – egal wie sehr man meint, Recht zu haben».

Das Eine tun…

Was die Kommunikation anbetrifft, bleibt das Zauberwort in der politischen Kampagne vorderhand «Crossmedia» – das eine tun, das andere auf keinen Fall lassen. Nebst den traditionellen Medien darf sich die Schweizer Politlandschaft den Möglichkeiten der Technik durchaus noch mehr öffnen. Big Data, Micro-Targeting oder Data-Mining erlauben es ganz bestimmte Milieus zu erreichen und deren Erreichbarkeit langfristig zu sichern.

Wie sich dies aus finanzieller Sicht optimieren liesse, wäre Stoff für einen weiteren Beitrag.

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