Unzufriedene Eltern, erzürnte Bürger – Mitglieder von Schulkommissionen sind immer wieder mit schwierigen Gesprächen konfrontiert. Der Umgang mit Reklamationen ist umso schwieriger, als es nicht um defekte Kaffeemaschinen geht, sondern um Menschen: Eltern, Lehrpersonen, Schulkinder. Die Mitglieder der Bildungskommission Meggen (LU) wollten es wissen und besuchten unter der Leitung von Sylvia Bendel Larcher einen Workshop zum professionellen Umgang mit Beschwerden.
Als Einstieg in den Workshop diente ein Live-Mitschnitt einer Reklamation im Callcenter einer Bank: «Es isch denn au no 100 Franke uf de Visa Charte.» – «Ah, de müesst me de Visa Charte aalüte jo; jo ich tue’s mälde jo.» Schlechtes Zuhören, gelangweilte Stimme, ungenügende Information für den verunsicherten Kunden – die Teilnehmenden am Workshop im Februar 2019 hörten schnell, was der Bankberater im aufgezeichneten Reklamationsgespräch alles falsch macht.
Ich verdichtete die Mängel auf drei Eckpunkte. Es fehlt dem Bankberater an Kompetenz in Bezug auf das Problem, an Selbstwahrnehmung in Bezug auf sich selber und an Empathie in Bezug auf den verärgerten Kunden.
Daraus leitete ich den «Beschwerdekompass» ab, der als Leitlinie für den gesamten Workshop diente. An einer Beschwerde sind drei Instanzen beteiligt: Die Person, die die Beschwerde entgegennimmt (ICH), die Beschwerdeführerin (DU) und das Anliegen bzw. Problem (ES). Zu jeder dieser drei Ecken stellte ich zwei Hilfsmittel in Form von Merkblättern vor.
Aktives Zuhören ist die Voraussetzung dafür, dass wir das Anliegen und die Gemütslage des Gegenübers vollständig erfassen und anschliessend bearbeiten können. Für die Bearbeitung sind klare Kompetenzen im doppelten Sinne des Wortes wichtig: Einerseits braucht es das Wissen, was zu tun ist, andererseits genügend Befugnisse, um selber handeln zu können.
Das aktive Zuhören konnte eine Teilnehmerin in einem Rollenspiel gleich ausprobieren. Die Gruppe durfte miterleben, wie schwierig es ist, einer ausserordentlich aggressiven und fordernden Mutter am Telefon richtig zu begegnen und in der Hektik eines Telefonats einen tragfähigen Vorschlag für das weitere Vorgehen zu entwickeln. Das Rollenspiel gab zu lebhaften Diskussionen Anlass, unter anderem darüber, wie eine Schule mit notorischen Nörglern umgehen soll.
Ob die Kompetenzen an der Schule Meggen klar geregelt sind, wurde anschliessend in Gruppen anhand selbst erlebter Beispiele diskutiert.
Ein analytischer Umgang mit Kritik kann helfen, bei einem verbalen Angriff nicht instinktiv oder impulsiv zu reagieren, also weder zum Gegenangriff überzugehen noch vorschnell alle Schuld auf sich zu laden. Stattdessen sollten wir versuchen, uns nüchtern zu fragen, was an der Kritik richtig ist und zu einer Verbesserung des eigenen Verhaltens oder der Organisation einlädt.
Am schwierigsten ist wohl der Umgang mit eigenen Prägungen, alten Verletzungen, verschütteten Gefühlen, die uns in schwierigen Momenten unverhältnismässig reagieren lassen. Eine gelingende Selbstregulation setzt voraus, dass man die eigene Lebensgeschichte aufgearbeitet hat und einen fürsorglichen Umgang mit sich selber einübt.
In einer Einzelarbeit wurden die Teilnehmenden aufgefordert, sich mit ihren eingeschliffenen Reaktionen bei verbalen Attacken auseinanderzusetzen.
Wenn aufgebrachte oder verzweifelte Menschen zu uns kommen, so sollten wir versuchen, ihnen gute Gastgeber zu sein, ganz nach dem Harvard-Konzept des Verhandelns: Weich zum Menschen, hart in der Sache. Bei unerfüllbaren Forderungen können wir versuchen herauszufinden, welche Bedürfnisse und Interessen die andere Person eigentlich hat, um diese vielleicht anderweitig befriedigen zu können. Zum Beispiel die Motivation des Schülers zu verbessern, ohne gleich den Gitarrenlehrer zu wechseln.
Gewaltfrei kommunizieren heisst endlich, andere nicht mit Vorwürfen und Forderungen zu überschütten, sondern sie um die Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse zu bitten. Das gilt bei einer Beschwerde für beide Seiten. In der Gruppe wurde diskutiert, ob sich dieses im Privaten bewährte Konzept in den Berufsalltag übertragen lässt, wenn nicht als Gesprächstechnik, so doch wenigstens als Haltung.
Im letzten Teil des Workshops trugen die Mitglieder der Bildungskommission zusammen, welche Werte und Verhaltensweisen im Abschnitt «Beschwerdemanagement» des Kommunikationskonzeptes der Schule festgehalten werden sollen. In einigen Punkten wie z.B. «Anliegen ernst nehmen» oder «Respekt wahren» war man sich schnell einig. Andere Punkte wie die Frage, ob man Beschwerden auch per Mail oder nur im persönlichen Gespräch beantworten darf, konnten noch nicht abschliessend geregelt werden. Doch die Basis für die weitere Arbeit wurde gelegt.
Die abschliessende Evaluation des Workshops fiel positiv aus. Die Teilnehmenden schätzten die Systematik der verteilten Merkblätter und fanden, sie hätten wertvolle Denkanstösse, aber auch konkrete Vorschläge für die Behandlung zukünftiger Beschwerden erhalten.
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