14. Juli 2022

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Deshalb lügen Menschen Bots an

Deshalb lügen Menschen Bots an

Autor: Larissa Dahinden

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Kommunikation und Marketing IKM
+41 41 228 42 01 larissa.dahinden@hslu.ch

Ich habe einen Vortrag besucht, in dem es um Menschen ging, die Bots anlügen. Genauer gesagt ging es um Kundendienstinteraktionen. Noch genauer gesagt ging es um Täuschungsverhalten im digitalen Service-Kontext.

Nahestehende Personen werden weniger häufig angelogen

Menschen lügen. Sie lügen weniger, wenn sie jemandem nahestehen. Und die grosse Enttäuschung ist, dass sie das nicht tun, weil sie diese Menschen besonders mögen, sondern weil sie denken, dass sie eher erwischt werden, wenn jemand sie gut kennt. Ausserdem lügen sie mehr, wenn sie jemandem oder etwas keinen moralischen Wert zusprechen. Das bedeutet: je weniger menschlich etwas ist, desto weniger Skrupel haben sie.

Gründe für Unwahrheiten

Aber zuerst zu den Gründen für Unwahrheiten. Warum lügen wir? Es gibt im Grunde zwei Situationen, in denen viele Menschen die Wahrheit verschweigen oder etwas abändern. Einerseits tun wir das, weil wir ein positives Selbstbild oder einen guten Eindruck bewahren wollen. Andererseits lügen wir, wenn wir fürs Lügen belohnt werden. Nehmen wir an, wir befinden uns in einem Park, wo rein zufällig ein Empfang für eine Konferenz mit kostenlosen Snacks und Geschenken für die Teilnehmenden stattfindet. Die Teilnehmenden kennen sich gegenseitig nicht und eine Organisatorin drückt uns ein Willkommenspaket in die Hand und wünscht uns viel Spass. Korrigieren wir ihren Fehler oder freuen wir uns einfach über den Regenschirm und den Kuchen?

Empfänge sind Events, an die wir selten aus Versehen eingeladen werden. Und sie haben auch nichts mit künstlicher Intelligenz oder Automatisierung zu tun. Wieso ist das also wichtig für die Wirtschaft? Forschung beschäftigt sich nicht mit einem Thema, wenn es um einen «verlorenen» Regenschirm geht.

Wann Menschen Bots anlügen

Das Problem ist grösser, als es auf den ersten Blick aussieht. Unternehmen versuchen in unserer digitalisierten Welt immer mehr, ihren Kundendienst auszulagern und zu automatisieren. Sie lassen Bots die Arbeit machen. Bots haben keine Gefühle, wer hat nicht schon Siri beleidigt? Bots werden nicht als menschlich angesehen. Und genau hier kommt der moralische Wert ins Spiel. Wir lügen sie eher an.

Die Studie hat gezeigt, dass Menschen in gewissen Kontexten Bots tatsächlich eher anlügen als menschliche Kundendienstmitarbeitende. Sie haben bei Informationen in Chatgesprächen eher falsche Angaben gemacht, um mehr Rabatt zu erhalten. Sie waren auch dreister und haben mehr gewagt. Durch Verdrehen der Wahrheit haben sie im Schnitt höhere Rabatte zu erschleichen versucht.

Wann Menschen Bots eher die Wahrheit sagen

Wenn es darum geht, einen guten Eindruck zu hinterlassen, waren die Bots bei der Suche nach der Wahrheit im Vorteil. Die Studie zeigte, dass im Beispiel einer virtuellen Terminvereinbarung im Gespräch mit einem Menschen mehr gelogen wurde als bei einem Bot. Auf die Frage, wie oft pro Woche Zahnseide benutzt werde, beschönigten Versuchspersonen, die dachten, dass sie sich mit einem Menschen unterhalten, ihre Antwort. Übrigens wissen ZahnärztInnen, dass ihr bei der Frage lügt. Darüber gibt es auch einiges an Forschung.

Automatisierung schafft neue Arbeit

Noch ungeklärt ist, bei welchen Belohnungen wir den Kundendienstbot belügen. Tun wir es eher bei kleinen Dingen? Oder bei grossen finanziellen Gegenwerten? Spannend wird es auch, herauszufinden, ob die Anzahl an Lügen sinkt, wenn KundInnen eine Ehrlichkeitsvereinbarung unterzeichnen. So oder so, es müssen Lösungen her. Wenn tausend KundInnen sich 30% Rabatt zu viel auf eine CHF 100 Bestellung erschleichen, kostet das einen Onlineshop doch einiges an Geld. Automatisierung ersetzt also nicht nur Arbeit, sondern schafft auch neue, indem sie an anderen Fronten Unsicherheiten schafft.

Basierend auf dem Vortrag ”The Effect of Virtual Agency Type on Customers’ Deceitful Behavior” von Maria-Susana Jaramillo und Della Garner von der University of Memphis.

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