13. Dezember 2022

Forschung

Ein Blick hinter den Vorhang: Wie Prozesstransparenz die Kaufabsichten und die Zahlungsbereitschaft steigert

Ein Blick hinter den Vorhang: Wie Prozesstransparenz die Kaufabsichten und die Zahlungsbereitschaft steigert

Autorin: Larissa Dahinden

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Kommunikation und Marketing IKM

Basierend auf einem Vortrag von Tongxi Stephanie Wang, University of Alabama. In vielen Branchen ist das Vertrauen von KundInnen in Unternehmen über die letzten Jahre gesunken. Im Tourismus beispielsweise um 15%, im Lebensmittelhandel um 10%. Vertrauen beeinflusst unsere Kaufabsichten und unsere Zahlungsbereitschaft. Das bedeutet also, dass Menschen weniger kaufen möchten, und auch weniger Geld ausgeben möchten, wenn ihr Vertrauen in eine Branche sinkt. Tongxi erklärt, dass sie deshalb herausfinden wollte, ob Prozesstransparenz ein Mittel gegen dieses Problem sein könnte.

Was ist Prozesstransparenz?

Einfach gesagt bedeutet Prozesstransparenz, dass man operationelle Prozesse für KundInnen sichtbar, also transparent macht. Als Beispiele nennt Tongxi dafür offene Küchen in Restaurants, damit die Gäste den Prozess der Zubereitung ihres Essens beobachten können, oder Hundesalons, bei denen man zusehen kann, wie das eigene Haustier aufgehübscht wird. Diese Geschäfte machen den Prozess zu einem Teil des Kundenerlebnisses.

Warum sollte das zu mehr Vertrauen führen?

Für Kund:innen ist es schwer, einen Service zu evaluieren, wenn sie nicht sehen, was gemacht wird. Wir können das mit dem Vertrauen ganz unwissenschaftlich überprüfen, indem wir unsere eigenen Erfahrungen vergleichen: Wenn man schon mal defekte Geräte reparieren lassen hat, kann man einen transparenten Prozess mit einem nicht transparenten vergleichen. Wo glauben wir eher, dass es wieder funktioniert, wenn wir es nach der Reparatur einschalten: Wenn wir es in einem Paket zum Hersteller geschickt haben, und ein Paket mit dem Gerät zurückbekommen, oder wenn wir es zum Laden mit Werkstatt bringen, und eine Technikerin es gleich vor Ort öffnet, das defekte Teil ersetzt, und uns das Gerät danach zurückgibt? Der Prozess ist genau gleich, aber einen davon haben wir gesehen und einen nicht. Sehr ähnlich ist es auch in den Beispielen mit den Restaurants und Hundesalons. Bei limitierten Infos fühlen sich KundInnen, als würden sie ein Risiko eingehen, wenn sie etwas kaufen.

Das wissen wir bisher

Forschende haben bisher herausgefunden, dass Menschen eher bereit sind, angemessene Preise zu zahlen und etwas zu kaufen, wenn die Qualität eines Produkts hoch ist und wenn sie Vertrauen in ein Unternehmen haben. Tongxi erklärt, dass die Zahlungsbereitschaft bei mehr Transparenz steigt, weil die psychologische Distanz abnimmt, was zu mehr Vertrauen führt.

Bisher ist das also eine solide Theorie, die Sinn macht. Aber in der Forschung muss man Theorien immer auch evaluieren. Nur weil etwas Sinn macht, heisst es nicht, dass sich Kund:innen auch tatsächlich so verhalten. Deshalb muss diese Hypothese in einem weiteren Schritt überprüft werden.

Die Ergebnisse

Tongxi hat ein Experiment durchgeführt, in dem sie Menschen Restaurants mit offener und geschlossener Küche gezeigt hat. Diejenigen, die eine offene Küche sahen, hatten eine höhere Absicht, dort zu essen und würden auch mehr für ihr Essen bezahlen. Bei Hundesalons sah es gleich aus: Wenn ein Raum, in dem Hunde gestylt werden, eine transparente Wand hat, fand sie bei den Versuchspersonen wieder eine höhere Kaufabsicht und Zahlungsbereitschaft.

Sie hat dabei aber auch kontrolliert, dass die Effekte nicht einfach entstehen, weil die offenen Küchen und transparenten Wände schöner sind. Beide Versionen der Restaurants und Salons wurden im Bezug auf das Aussehen gleich gut bewertet. Dieser Schritt ist wichtig, damit man ausschliessen kann, dass lediglich die schönere Einrichtung zu einer höheren Zahlungsbereitschaft führt. Wäre das nämlich so, könnte man als Unternehmen auch einfach in Dekorationen investieren. Deswegen wird in einem guten Experiment im Voraus nach alternativen Erklärungen für einen Effekt gesucht, und diese werden dann gleich auch geprüft. Natürlich in der Hoffnung, dass sie keinen Effekt haben.

Wir wissen jetzt also, dass Transparenz tatsächlich zu einer höheren Zahlungsbereitschaft und Kaufabsicht beeinflusst. Die Ergebnisse hören aber nicht da auf: Der gefundene Effekt verändert sich, wenn die Umgebung sehr belebt ist. Wenn zu viele Menschen anwesend sind, fühlt man sich beengt. Das führt dazu, dass man den Laden oder das Restaurant verlässt, wodurch die psychologische Distanz wieder ansteigt. Obwohl der Prozess sichtbar wäre, erhöht sich die psychologische Distanz, dadurch sinkt das Vertrauen, und der Effekt verändert sich. Der Einfluss ist also abhängig von Umständen. Fühlt man sich beengt, funktioniert die Transparenz nicht mehr, um Kund:innen zu gewinnen. Das nennt man einen Moderator. Offene Küchen funktionieren besonders gut, wenn die Restaurants nicht überfüllt wirken.

Schlussfolgerung

Was lernen wir also daraus? Prozesse sichtbar zu machen, kann dazu führen, dass Unternehmen mehr Services verkaufen. Sie sollten aber aufpassen, dass der Hype nicht zu gross wird. Wenn zu viele Menschen gleichzeitig das Restaurant besuchen wollen, sollte man über grössere Räume nachdenken, weil der Effekt dann verschwindet, oder sich sogar umkehren kann. Dieses Beispiel ist auch auf andere Branchen übertragbar, weshalb Unternehmen sich dem bewusst sein sollten und Entscheidungen gezielt getroffen werden sollten. Welches Kauferlebnis hatte auf Sie eine grosse Wirkung?

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