13. Dezember 2022

Forschung

Fit für den Winterradsport?

Fit für den Winterradsport?

Autorin: Laura Oswald

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikation und Marketing IKM

Wie lässt sich das Velofahren speziell im Winter fördern? Und würde sich das in der Schweiz überhaupt lohnen? Im Frühjahr 2022 ging ein Forschungsteam der Hochschule Luzern diesen und weiteren Fragen in einer gemeinsamen Studie mit Pro Velo nach. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob es noch unausgeschöpfte Potentiale für häufigeres Velofahren im Winter gibt und wie Velofahrerinnen und Velofahrer dazu motiviert werden können. Larissa Dahinden, Marcel Zbinden und Laura Oswald aus dem Forschungsteam geben einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse, und zeigen, weshalb ein Ausbau der Veloinfrastruktur für den Winter sich auch für die Schweiz lohnen würde.

Wie kam es zur gemeinsamen Studie mit Pro Velo?

Larissa Dahinden (L.D.): Unser Forschungsteam beschäftigt sich stark mit nachhaltigem Konsumentenverhalten und damit, wie dieses gefördert werden kann. Für die ökologische Nachhaltigkeit spielt Mobilität eine wichtige Rolle. Zum Beispiel kann viel CO2 eingespart werden, wenn wir Reisen, wo möglich, öfter mit dem Zug statt mit dem Flieger antreten. Interessant ist dies für uns auch unter psychologischen Gesichtspunkten. Jede:r kann einen Beitrag leisten und sich öfter für nachhaltigere Mobilitätsformen entscheiden. Oft müssen dazu aber bisherige Verhaltensweisen verändert werden, was uns aus unterschiedlichsten Gründen oft nicht gelingt. Denken wir etwa an die Wahl zwischen einer Fahrt mit dem Auto im Vergleich zum Rad oder Bus: Personen, die sich für das Auto entscheiden, machen dies häufig nicht nur ausschliesslich aus Bequemlichkeitsgründen, sondern etwa auch weil Autos für viele ein Statussymbol sind, oder weil der Wohnort mit dem öffentlichen Verkehr schlecht erschlossen ist. Das Thema nachhaltige Mobilität hat unser Forschungsteam also aus psychologischer Sicht gereizt und weil hier jede:r Einzelne Emissionen einsparen kann.

Marcel Zbinden (M.Z.): Auf die eigentliche Forschungsfrage, wie sich das Velofahren speziell im Winter fördern liesse, sind wir aus zwei Hauptgründen gekommen. Ein Grund war, dass Pro Velo mit Initiativen wie „bike to work“ das Velofahren bislang vor allem in den wärmeren Monaten fördert und es für den Veloverband spannend war, zu erfahren, inwiefern es noch unausgeschöpfte Potenziale zur Förderung des Velofahrens speziell im Winter gibt. Sprich, ob die Menschen durch zusätzliche Anreize dazu motiviert werden könnten, das Velo im Winter häufiger zu nutzen. Ein zweiter Grund war, dass die Fragestellungen aus Forschungssicht sehr spannend sind. Studien zum Velofahren im Winter gibt es bislang nur aus nördlichen Regionen wie zum Beispiel Kanada und Schweden. In Zentraleuropa gibt es bislang keine Studie, die die Förderung des Velofahrens im Winter auf experimenteller Basis betrachtet, so wie von uns durchgeführt.

Wie habt ihr die Untersuchung durchgeführt?

Laura Oswald (L.O.): Über einen Newsletter von Pro Velo wurden über 50‘000 Teilnehmende von „bike to work“ auf unsere online-Umfrage aufmerksam gemacht. Insgesamt haben 11‘038 Radfahrer:innen teilgenommen, was ein äusserst erfreulicher Rücklauf war. Dass wir einen Veloanzug und ein paar Tassen verlost haben, hat sicherlich bei der Motivation, die Umfrage auszufüllen, geholfen. Aber die Teilnehmenden waren sicher auch von sich aus motiviert, weil sie sich für das Thema Velo interessieren: Die Befragten haben alle bereits einmal an einer bike-to-work-Challenge von Pro Velo mitgemacht und steigen zumeist mehr als einmal pro Woche aufs Velo.

Welche wesentlichen Erkenntnisse zieht dein Forschungsteam aus den Umfrageergebnissen?

L.D.: Über das ganze Jahr betrachtet fahren 88 Prozent der Befragten mehrmals wöchentlich mit dem Velo zur Arbeit oder Ausbildung. Auch im Winter steigen immer noch 65 Prozent aller Alltagsvelofahrerinnen und Alltagsfahrer für den Arbeitsweg mehrmals wöchentlich auf das Velo. Das ist ein erstaunlich hoher Wert, wenn man bedenkt, dass das Velo in der Bevölkerung häufig noch als Schönwetter-Fortbewegungsmittel betrachtet wird. Unsere Studie gibt auch Einblicke darüber, welche Anpassungen Allwetter-Radler:innen vornehmen, um ihre Routine auch bei Kälte und teilweise widrigen Umständen beizubehalten. Das hilft uns zu verstehen, was die sehr aktiven Fahrer:innen von den Bewegungsmuffeln unterscheidet. Viele Befragte planen zum Beispiel mehr Zeit zum An- oder Umziehen ein, fahren langsamer oder pflegen ihr Velo im Winter intensiver.

L.O.: In der Umfrage haben wir auch ein Experiment durchgeführt, bei dem die Wirksamkeit von fünf unterschiedlichen Anreizen fürs Velofahren getestet wurde. Diese könnten im Rahmen einer bike-to-work-Aktion von Pro Velo zusammen mit Unternehmen angeboten werden. Die fünf Anreize waren, dass man durch das Aufzeichnen der eigenen Fahrzeit motiviert wird, eine Möglichkeit, Geld einzusparen in Form einer 10%-Ermässigung bei der Zusatzversicherung, sich mit anderen zu vergleichen, einen Ferientag zu verdienen, oder Preise zu gewinnen, wenn man viel fährt. Alle Bedingungen zeigten sich als effektiv und führten zu einer Erhöhung der wöchentlich geplanten Radfahrzeit. Der Anreiz, durch häufigeres Radfahren einen zusätzlichen Ferientag zu gewinnen, führt zu einem Anstieg der wöchentlich geplanten Radfahrzeit um 35 %. Ein Wettbewerb, bei der die besten Teilnehmer Preise gewinnen können, die Messung der eigenen Zeit und der finanzielle Anreiz erhöhen die geplante wöchentliche Radfahrzeit um jeweils 32 %. Die Bedingung des Vergleichs mit Anderen erweist sich ebenfalls als wirksam, aber etwas weniger als die anderen Anreize (29 % Steigerung). Die Ergebnisse legen offen, dass es bei der Velofahrhäufigkeit im Winter also durchaus noch Potentiale zur Steigerung gäbe.

M.Z.: Wir haben auch Hinweise darauf gefunden, dass sich ein Ausbau der Velo-Infrastruktur lohnen würde. Menschen, die nicht zufrieden mit der Velo-Infrastruktur sind, fahren im Winter weniger häufig. Unsere Studienergebnisse zeigen, dass viele Alltagsvelofahrer:innen auch bei kaltem oder nassem Wetter mit dem Velo unterwegs sind. Nässe und Kälte scheinen also meistens kein Problem zu sein. Bei Schneefall, sowie schneebedeckten und eisigen Strassen kehren aber viele dem Velo den Rücken zu. Hier spielen Sicherheitsbedenken eine grosse Rolle.

Das sind spannende Erkenntnisse. Habt ihr konkrete Ideen, wie die Infrastruktur ausgebaut werden könnte?

L.D.: Wichtig im Winter ist vor allem, Fahrwege gut zu beleuchten und frühzeitig zu räumen. Weltweit gibt es momentan viele Initiativen, um das Fahrradfahren zu fördern. New York erlebt zum Beispiel seit der Corona-Pandemie einen regelrechten Fahrrad-Boom, da viele Leute die überfüllten Subways umgehen wollten. Mittlerweile gibt es auch ein grosses Bike-Sharing-Programm «Citi Bike» das über 21.000 Velos in der Stadt platziert hat und jährlich weiterwächst.

L.O.: Ein interessantes Beispiel für die Förderung des Radfahrens im Winter ist die Stadt Tübingen, die als erste Stadt in Deutschland eine Fahrradbrücke beheizt. Das klingt vielleicht erst einmal extrem und nicht gerade ressourcenschonend, wenn man an die hierfür benötigte Heizenergie denkt. Viel Strom sei aber gar nicht nötig und dieser komme vor allem aus erneuerbaren Energien. Zudem verlängere die Beheizung die Lebensdauer der Brücke im Vergleich zu Streusalz erheblich.

M.Z.: Neben Städteplanern können auch Unternehmen einen Beitrag zur Förderung des Velofahrens leisten. Zum Beispiel zeigt unser Experiment, dass Anreize wie etwa ein zusätzlicher Ferientag oder Vergünstigungen bei der Zusatzversicherung die Velofahrzeit auch im Winter steigern können.

L.D.: Und letztendlich liegt es natürlich an jedem einzelnen, den inneren Schweinehund öfter zu überwinden und sich auch im Winter aufs Rad zu schwingen. Viele Winterfahrer:innen haben nämlich erwähnt, dass das Velo bei ihnen zur Routine gehört, und sie gar keine Zeit damit verschwenden, über die Entscheidung nachzudenken.


Um herauszufinden, ob Sie für das Velofahren im Winter gewappnet sind, und für zusätzliche Tipps, haben wir einen Winter-Velo-Check entwickelt, der Ihnen dabei helfen soll, auch im Winter sicher ans Ziel zu gelangen. Des Weiteren finden sich darin Ideen, wie Sie sich auch an nassen und kalten Wintertagen dazu motivieren können, aufs Velo zu steigen, anstatt in das Auto oder in den Bus.

Sind Sie die geborene Schneesturm-Pedaleurin oder ein Sulz-Radler? Oder gehören Sie eher zu den Leuten, die Ihren Drahtesel im Winter schieben? Machen Sie jetzt den Check!


Neben dem Winter-Velo-Check bieten die Ergebnisse der offenen Fragen aus unserer Studie einen motivierenden Einblick darüber, was den erfahrenen Alltagsfahrerinnen und Alltagsfahrern dabei hilft, auch im Winter ihr Velo zu nutzen. Aus der Umfrage gibt es eine Übersicht über Vorteile des Velofahrens und praktische Tipps von den hartgesottenen Winterfahrer:innen. Hier geht’s zu den Ergebnissen der offenen Fragen.


Die Studie ist Teil eines Forschungsprojekts zum nachhaltigen Konsumverhalten des Instituts für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern. Das Forschungsteam besteht aus Marcel Zbinden, Dominik Georgi, Carmen Grebmer, Larissa Dahinden, Laura Oswald und Meriel Attinger.

Kommentare

1 Kommentare

Barbara Dahinden

14. Dezember 2022

Bis letzte Woch bin ich mit dem Velo zur Arneit gefahren. Der Skihelm meiner Tochter hielt meinen Kopf bedeutend wärmer als mein Velohelm. Regenhosen hielten den Wind ab, so dass die Kälte nur halb so schlimm war. Aus Sicherheitsgründen habe ich seit letzten Samstag ein Abo für einen Monat gekauft. Dann sehe ich weiter. 😀 B. D.

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