29. Oktober 2024
Konsumentinnen und Konsumenten können mit Nudges dazu motiviert werden, beim Onlineshopping nachhaltige Mehrwegverpackungen zu wählen. Das reduziert den ökologischen Fussabdruck des E-Commerce. Die Wirkung der Nudges ist jedoch vom Konsumentensegment und vom Typ Nudge abhängig. Darum sollten Nudges in Onlineshops dynamisch ausgespielt werden, was auch unerwünschte „Backfire“-Effekte vermeidet.
In den letzten 10 Jahren hat sich das Marktvolumen des Schweizer Online-Konsums verdoppelt. Allein im Jahr 2023 gaben Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten rund CHF 14,4 Milliarden für Online-Einkäufe im In- und Ausland aus [1]. Trotz einer zuletzt stagnierenden Entwicklung bedeutet dies insgesamt mehr Bestellungen, Lieferungen, Verpackungen und Retouren.
Über 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben in den letzten drei Monaten online eingekauft [2]. Typische Entscheidungen beim Onlineshopping umfassen den Einkaufsort (z.B. Händler, Hersteller oder Marktplatz), die Auswahl des Produkts (z.B. Marke, Farbe, Grösse) und die Zahlungsmethode (z.B. per Rechnung, Kreditkarte oder Mobile Payment). In einigen Onlineshops gibt es zudem verschiedene Liefer- und Verpackungsoptionen zur Auswahl (z.B. Expresslieferung oder Mehrwegverpackung) [3].
Nudges – Verhalten mit „Anstupsern“ beeinflussen
Nudges sind kleine Anpassungen in der Entscheidungsarchitektur, die das Verhalten von Menschen in vorhersehbarer Weise beeinflussen, ohne irgendwelche Entscheidungen zu verbieten. Ein beliebtes Beispiel ist die Platzierung gesunder Mahlzeiten auf Augenhöhe in der Cafeteria [4]. Verschiedene Kategorien von Nudges haben sich in ganz unterschiedlichen Bereichen als wirksam erwiesen – z.B. Gesundheit, Ernährung, Umwelt, Finanzen [5].
Diese Entscheidungen können innerhalb eines Onlineshops durch sogenannte Nudges (deutsch „Anstupser“) subtil beeinflusst werden, um Konsumentinnen und Konsumenten zu nachhaltigeren Optionen zu bewegen. Während die Wirkung von Nudges auf Produktauswahl, Lieferoptionen und Retouren bereits erforscht wird, blieb der Einfluss von Nudging auf die Wahl umweltfreundlicher Verpackungen bisher ein weitgehend blinder Fleck [6]. Dabei steckt gerade in diesem Bereich grosses Potenzial, um den Onlinehandel nachhaltiger zu gestalten, denn Verpackungen verursachen 14 Prozent der CO2-Emissionen eines durchschnittlichen Online-Einkaufs [7]. Ein gezielter Einsatz von Nudges könnte hier helfen, Kundinnen und Kunden häufiger zu nachhaltigen Verpackungsalternativen zu motivieren und damit die CO2-Bilanz des E-Commerce zu reduzieren.
Strategien für umweltfreundlichere Verpackungen umfassen den Einsatz nachhaltigerer Materialien für Versandverpackungen und Füllmaterial, die Reduktion von Verpackungsmaterial sowie die Einführung von Mehrwegverpackungslösungen [8]. Mehrwegverpackungen wie etwa von Kickbag können nach der Lieferung einfach zusammengefaltet, via Post retourniert und insgesamt mehr als 20-mal verwendet werden [9]. Gegenüber Einwegverpackungen können mit Mehrwegverpackungen über 80 Prozent CO2-Emissionen eingespart werden [10].
In einem Online-Experiment mit einer repräsentativen Stichprobe von n=1197 Konsumentinnen und Konsumenten haben wir die Wirkung unterschiedlicher Nudges untersucht. Studienteilnehmende wurden hierzu gebeten, sich in ein hypothetisches Szenario zum Einkauf von Bekleidung in einem Onlineshop reinzudenken. Sie wurden dabei durch verschiedene Entscheidungssituationen eines fiktiven Onlineshops geführt, wo sie jeweils zufällig der Kontrollgruppe oder einer von verschiedenen Nudge-Gruppen zugeordnet wurden. Durch dieses Forschungsdesign konnte die Wirkung unterschiedlicher Nudges überprüft werden.
Mit dem Experiment konnten wir nachweisen, dass Nudges die Auswahl der Mehrwegverpackung beeinflussen können. Die Wirkung der Nudges hängt jedoch von zwei Faktoren ab: dem Nudgetyp und der Nachhaltigkeitseinstellung.
Personen mit niedrig ausgeprägter Nachhaltigkeitseinstellung wählten deutlich seltener die Mehrwegverpackung als Personen mit hoch ausgeprägter Nachhaltigkeitseinstellung. Personen mit niedrig ausgeprägter Nachhaltigkeitseinstellung weisen damit ein grösseres Nudging-Potenzial auf.
Bei Personen mit niedriger Nachhaltigkeitseinstellung zeigte sich im Detail Folgendes:
Bei Personen mit hoher Nachhaltigkeitseinstellung trat ein sogenannter «Backfire»-Effekt auf, bei dem der Reminder-Nudge (#6) zu einer negativen Reaktion führte.
Digitale Nudges in Onlineshops – effektiver mit KI und Machine Learning
Gegenüber Nudges in der physischen Welt sind digitale Nudges schneller umsetzbar und können personalisiert werden [11], d.h. in verschiedenen Situationen können die jeweils wirksamsten Nudges ausgespielt werden. Damit eignen sie sich gut für den Einsatz in Onlineshops. Mittels KI und Machine Learning kann die durchschnittliche Wirkung von Nudges in Onlineshops verdoppelt werden – z.B. bei der Senkung von Retouren [12, 13].
Insgesamt zeigen die Ergebnisse des Online-Experiments, dass die Entscheidung für eine nachhaltigere Verpackung gezielt durch Nudges beeinflusst werden kann. Die unterschiedliche Wirksamkeit der Nudges auf verschiedene Konsumentensegmente (niedrige vs. hohe Nachhaltigkeitseinstellung) verdeutlicht, dass Nudges dynamisch ausgespielt werden sollten, um effektiv zu wirken und «Backfire»-Effekte zu vermeiden.
Für Onlineshops ist wichtig, die Wirkung von Nudges nicht nur auf eine einzelne Zielgrösse zu betrachten, sondern auch auf andere relevante Kennzahlen. Wie beeinflussen die Nudges zum Beispiel die Conversion-Rate, den durchschnittlichen Bestellwert oder die Anzahl der Retouren? Ein ganzheitlicher Ansatz hilft sicherzustellen, dass Nudges keine unerwünschten Nebenwirkungen haben.
Forschung zu Nudging, E-Commerce und Nachhaltigkeit
Im von Innosuisse geförderten Innovationsprojekt «Algorithmic Nudging for Sustainbility in E-Commerce» untersuchen Forschende des IKM der HSLU und der FHNW gemeinsam mit Industriepartnern die Wirksamkeit unterschiedlicher Typen von Nudges in verschiedenen Entscheidungssituationen in Onlineshops auf Basis von Online- und Feldexperimenten. Ziel ist dabei die Lenkung von Konsumentenentscheidungen hin zu nachhaltigeren Optionen. Im Projekt wird ein algorithmisches System entwickelt, das Nudges in Onlineshops dynamisch ausspielen kann. Dazu werden unterschiedliche Machine Learning-Methoden eingesetzt.
Die Ergebnisse zur Wirksamkeit der Verpackungs-Nudges wurden am 31.05.2024 auf der European Marketing Academy (EMAC) Annual Conference und am 26.09.2024 auf der HSLU W Open vorgestellt. Die EMAC Annual Conference ist eine der renommiertesten Marketingkonferenzen in Europa, auf der Forschende neueste Forschungsergebnisse und Trends im Marketing präsentieren. Das HSLU W Open ist eine jährliche Veranstaltung der Hochschule Luzern – Wirtschaft, die Studierende, Alumni, Mitarbeitende und Partner zusammenbringt, um sich zu vernetzen und auszutauschen. Für diesen Blogbeitrag wurden die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst.
Quellen:
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