Selbstorganisation, Empowerment, Effizienz – dies alles und mehr versprechen agile Methoden im beruflichen Kontext. Kommunikationsprozesse spielen dabei eine zentrale Rolle. Jedoch gibt es bisher wenig empirische Studien zum Thema. Ein Team am IKM untersucht Gesprächssituationen in agilen Teams, um Umgang mit Schwierigkeiten und Best Practice herauszuarbeiten.
Ihren Ursprung hat die agile Bewegung im so genannten „agile manifesto“. Dieses beschreibt Werte, Prinzipien und Praktiken im Bereich der Software-Entwicklung und Projektorganisation, die mit Methoden wie Scrum umgesetzt werden. Unter anderem sollen Teams gemeinsam Verantwortung für Arbeitsprozesse übernehmen, selbstorganisiert arbeiten und regelmässig über Zusammenarbeit und Produktentwicklung reflektieren. Dabei wird direkte Kommunikation in face-to-face Settings präferiert, aber auch hybride und digitale Settings werden genutzt.
Das Projekt Videografierte Berufspraxis für die Wirtschaft untersucht verschiedene anspruchsvolle berufliche Gespräche (beispielsweise auch das MAG). Drei agile IT-Teams verschiedener Organisationen wurden für die vorgestellte Teilstudie begleitet. Meetings wurden auf Video aufgenommen, Schlüsselszenen wurden transkribiert oder paraphrasiert und in Datensitzungen analysiert. Projektpartner:innen haben zu gewünschten Themen und Prozessen wie Entscheidungsfindung oder Rollenverteilung Feedback erhalten. Ein Fokus des Projekts ist nun die didaktische Umsetzung in der Aus- und Weiterbildung. Auch dort wird agile Kommunikation beleuchtet.
Kommunikationsprozesse in agilen Settings sind stark formalisiert, hochtransparent und multimodal. Mit Scrum werden längere Informatikprojekte in Sprints heruntergebrochen, in denen Teilziele erreicht werden sollen. Arbeitsprozesse werden in Meetings nach vorgegebenen Schemata geplant, besprochen und verbessert. Oft fungiert dabei ein Screen oder ein Task Board als Zentrum der Aufmerksamkeit. Zum Beispiel gibt das Schema eines Planning-Meetings nach Scrum jeweils vor, welche kommunikative Aufgabe ansteht (Task aufschreiben, Arbeitsaufwand schätzen, etc.). Ein Taskboard erlaubt dabei Orientierung, bei welchem Task man sich befindet. Dies schafft Transparenz und unterstützt Selbstorganisation. Ähnlich formalisiert laufen weitere Besprechungen im täglichen Austausch ab, sowie die Retroperspektive am Ende eines Sprints. In dieser wird Rückschau gehalten, um zu diskutieren, welche Teilziele erreicht wurden, und wie man die Zusammenarbeit weiter verbessern könnte. Auch hier wird mit verschiedenen multimodalen Tools sowie formalisierten Gesprächsabläufen die Teilnahme aller Beteiligten an Reflexionsprozessen gefordert.
Unsere Studie zeigt, dass die starke Formalisierung von sprachlichem Handeln in agilen Arbeitsprozessen effiziente Gesprächsführung ermöglichen kann, wobei jedoch Entscheidungs- und Planungsprozesse unbedingt zielführende Moderation von einer moderierenden Person (zum Beispiel Scrum Master) verlangen. Vorgegebene Strukturen können die Gesprächsführung erleichtern, es ist jedoch wichtig, dass Diskussionen fokussiert bleiben. So konnten wir beobachten, dass einige Teams sehr gut organisiert sind und gut moderiert werden. Etablierte Teams sind in der Lage, sich selbst zu moderieren. Erfahrene Moderator:innen können auf Teams eingehen und Sprechanteile ausgleichen, so dass alle sich einbringen können, Gespräche strukturiert stattfinden und Entscheidungsprozesse vorangetrieben werden. Selbst in rein digitalen Settings schaffen es eingespielte Teams, Einschränkungen durch Wegfall der nonverbalen Kommunikation verbal zu kompensieren und alle Teilnehmenden in Meetings einzubeziehen. Nur Einzelne nutzen das hybride Setting, um sich auszuklinken, indem sie die Kamera nicht einschalten oder sich nicht melden.
Gespräche können sich durch Einbeziehung verschiedener Perspektiven und Meinungen aller Beteiligten auch in die Länge ziehen und an Fokus verlieren. So beobachteten wir, dass ein Team sich oft in Diskussionen verheddert und teilweise unkooperativ argumentiert. Wenn in Diskussionen Grundsatzfragen zu Methodik und/oder Inhalt immer wieder aufkommen, und nicht lösungsorientiert diskutiert werden kann, ist dies ein Zeichen dafür, dass agile Arbeitsprozesse noch nicht etabliert sind. Dann lohnt es sich zu klären, welche grundlegenden Unklarheiten der täglichen Arbeit im Weg stehen, und wie im Team eine offenere und konstruktivere Diskussionskultur geschaffen werden kann. Teams erreichen mehr, wenn unterstützend und nicht destruktiv argumentiert wird, und Themen lösungsorientiert besprochen werden. Dissens kann beispielsweise aufgelöst werden, wenn die Beteiligten nicht auf ihren Meinungen beharren, sondern die letzte Entscheidung den Betroffenen überlassen. Auch hier ist zielführende Moderation von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt konnten wir beobachten, dass auch Humor eine sehr wichtige Rolle spielt für die Kohäsion der Gruppe und die Bewältigung kritischer Momente wie beispielsweise Zeitknappheit, Einbezug von digital Zugeschalteten bei Meetings vor Ort, oder Einführung neuer agiler Tools.
Welche spezifischen agilen Praktiken für ein Team funktionieren, ist stark abhängig davon, wie etabliert transparente und kooperative Kommunikations- und Arbeitsprozesse bereits sind, und ob bereits eine offene Teamkultur vorherrscht, in der auch Konflikte lösungsorientiert angegangen werden. Regelmässiger offener Austausch zur Verbesserung von Arbeitsabläufen und Teamzusammenarbeit ist in jedem Falle nicht nur für agile Teams von Vorteil.
Wenn Sie bereits agil arbeiten, dann:
Wenn Sie (noch) nicht agil arbeiten, dann:
Der Erfolg von solchen – agilen – Kommunikationsprozessen erfordert die Mitarbeit aller Beteiligten. Es braucht dafür ein Comittment, sich in der Gesprächsführung gemeinsam kooperative Gesprächsstile anzueignen, diese zielführend umzusetzen und dabei offenen Diskurs nicht zu scheuen.
Dozentin am Institut für Kommunikation und Marketing
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