In der zweiten IKM-Studie zum Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz (GKI) wurde die GKI-Literacy bei Marketing- und Kommunikationsfachleuten abgefragt. Die Ergebnisse zeigen signifikante Unterschiede in der Nutzung zwischen Männern und Frauen. Dieser «Digital Gender Gap» ist nicht neu, wird jedoch durch aktuelle Technologie-Entwicklungen wie generative KI verstärkt.
Aus der Definition der individuellen GKI-Literacy wurden in der IKM-Studie neun Fragen abgeleitet, anhand deren die Teilnehmenden ihre Literacy selbst einschätzen mussten. Dabei wurden drei Kategorien erhoben:
Zusätzlich zur Selbsteinschätzung wurde das Fachwissen der Teilnehmenden durch ein Quiz mit zehn Ja-Nein-Fragen abgefragt. Das Quiz bot eine Möglichkeit, über eine Selbsteinschätzung hinaus das Wissen der Teilnehmenden auf unterhaltsame Weise zu überprüfen und mögliche Diskrepanzen zwischen Selbsteinschätzung und vorhandenem Wissen aufzuzeigen. Es bestätigte sich, dass die Befragten mit einem höheren Quiz-Wert auch angaben, eine höhere GKI-Kompetenz in den Kategorien «Allgemeines Handlungsvermögen» und «Zugang und Umsetzungskompetenz» zu haben.
Insbesondere bei den Ergebnissen zur Zugangs- und Umsetzungskompetenz zeigten sich signifikante Unterschiede bei der Selbsteinschätzung zwischen Männern und Frauen: So schätzen Männer ihre Kompetenz im Umgang mit generativen KI-Tools deutlich höher ein. Diese höhere Selbsteinschätzung könnte auch dazu führen, dass Männer sich schneller mit den neuen Technologien auseinandersetzen und dadurch einen wettbewerbsrelevanten Vorteil in der Berufswelt erlangen.
Andere Studien zeigen ebenfalls, dass Frauen generative KI-Tools wie ChatGPT, Midjourney oder Claude weltweit seltener nutzen als Männer (vgl. Otis, N. S.1). Zusätzlich zeigte eine Studie, dass Männer (54 %) generative KI verstärkt sowohl im Privat- als auch im Berufsleben nutzen, während Frauen (35 %) die GKI viel langsamer einsetzen (vgl. Howington 2023).
Ein relevanter Treiber liegt in der Selbsteinschätzung der eigenen KI-Kompetenz. Männer bewerten ihr Technikverständnis systematisch höher – ein Effekt, der einen Grossteil des Gender Gaps erklärt (vgl. Otis 2024). Das wurde auch in unserer IKM-Studie bestätigt. Zusätzlich stehen Frauen generativer KI kritischer gegenüber: 62 Prozent zweifeln an der Zuverlässigkeit generativer Tools, verglichen mit 48 Prozent der Männer (vgl. Mindverse 2024). Auch Misstrauen, ethische Bedenken und Fragen zu Datenschutz spielen eine Rolle: 54 Prozent der Frauen fürchten den Missbrauch persönlicher Daten, während nur 39 Prozent der Männer dies thematisieren.
Mit gezielten Schulungen in den Bereichen digitale Ethik, Einschätzung von KI-generierten Inhalten sowie Datenschutz können Unternehmen einerseits den Weiterbildungsbedürfnissen von Frauen nachkommen und unterstützen andererseits die allgemeine GKI-Literacy aller Mitarbeitenden.
Durch den Digital Gender Gap entsteht auch eine wirtschaftliche Benachteiligung für Frauen. Studien von BCG und Goldman Sachs belegen: Mitarbeitende, die GKI nutzen, arbeiten schneller und erzielen bessere Ergebnisse. Da Frauen seltener Tools wie ChatGPT einsetzen, riskieren sie produktivitätsbedingte Karrierenachteile (vgl. Hatzius et al. 2023).
Unternehmen können hier eine zentrale Rolle spielen, um den Digital Gender Gap zu verkleinern und alle Mitarbeitenden auf die Veränderungen vorzubereiten. Die weiteren Ergebnisse zur zweiten Umfrage zum Einsatz generativer KI finden Sie im White Paper:
Weiterbilden im Bereich generativer KI
Quellen:
Aldasoro, I., Armantier, O., Doerr, S., Gambacorta, L. & Oliviero, T. (2024). The gen AI gender gap. BIS Working Papers. No 1197. 11 July 2024.
Hatzius, J., Briggs, J., Kodnani, D. & Pierdomenico, G. (2023). The Potentially Large Effects of Artificial Intelligence on Economic Growth (Briggs/Kodnani). Goldman Sachs
Howington, J. (2023). The AI Gender Gap: Exploring Variances in Workplace Adoption.
Mind-verse.de (2024): Geschlechterunterschiede in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz.
Otis, N., Cranney, K., Delecourt, S. & Koning, R. (2024). Global Evidence on Gender Gaps and Generative AI. Harvard Business School Working Paper, No. 25-023, October 2024.
Dozentin Digital Communication und generative KI am Institut für Kommunikation und Marketing
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