18. Januar 2021
Studentischer Beitrag aus dem MAS Immobilienmanagement
Die Digitalisierung und die daraus entstandenen Unternehmungen bringen Schwung in die Schweizer Wohnimmobilienvermarktungsbranche, sei dies aufgrund ihrer innovativen Dienstleistungen oder als direkte Konkurrenz. Wenn die bestehenden Immobilienmakler die Digitalisierung als Chance betrachten, können sie ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln, verschaffen sich dadurch mehr Zeit für die persönliche Beratung und können erfolgreicher am Markt agieren.
Von Flavio Lucido und Andreas Meyer
Der Immobiliensektor ist mit rund 17% des Bruttoinlandsprodukts einer der wichtigsten Pfeiler der Schweizer Volkswirtschaft. Dies entspricht einer Bruttowertschöpfung von knapp 114 Milliarden CHF. 43% dieser Wertschöpfung stammen aus der Branche des Wohnungswesens. Von über 3.7 Millionen bewohnten Wohnungen und Einfamilienhäusern werden 38% als Eigenheim und 62% zur Miete genutzt (siehe Abb. 1) (Parmelin, 2020)
Rund 4’000 Immobilienmakler bieten in der Schweiz ihre Dienstleistung an. Darunter befinden sich professionelle, Quereinsteiger sowie auch nebenberufliche Makler (Swiss, 2019). Die Dienstleistung des Immobilienmaklers kann unterschieden werden in die Vermittlung von Eigentum und von Miete. Das Geschäftsmodell basiert auf Fachwissen, Erfahrung, Vertrauen und guten Menschenkenntnissen. Der Makler ist zudem in einem Dienstleistungssektor tätig, der oftmals mit viel Emotionen und Individualität verbunden ist. Seit einigen Jahren steht die Immobilienwelt, die Vermarktung und somit der Makler aber vor einer neuen Herausforderung – der Digitalisierung. Wird der Immobilienmakler schon bald wegdigitalisiert?
Der Immobilienmakler ist das Bindeglied zwischen dem Eigentümer und Interessenten und vermittelt einen Kauf- oder Mietvertrag. Kommt durch seine Tätigkeit ein Vertrag zustande, erhält er eine Provision (oft auch «Courtage» oder «Honorar» genannt), deren Höhe üblicherweise nach dem Kauf- bzw. Mietpreis vertraglich festgelegt wird. (Wikipedia, 2020). Der vereinfachte Ablauf seiner Tätigkeit kann in drei Phasen aufgeteilt werden (Abb. 2):
Die Vermarktungsdauer sowie die Komplexität und Beratungsintensivität der jeweiligen Phase hängt vor allem von der Art (Bestandesliegenschaft vs. Neubau) sowie der Vermietbar- resp. Verkäuflichkeit (Lage und Preis sowie Angebot und Nachfrage) des Objektes ab. Im Verkauf ist die Dauer und der Aufwand der Vermarktung oft deutlich höher als bei der Vermietung, da das Eigenheim für die meisten Personen den grössten Vermögenswert darstellt und daher der Kaufentscheid gut überlegt wird. Die Auswahl der Tools, mit welchen der Makler seine Tätigkeit ausübt, variiert in der Praxis stark. (Bader, 2020) (Frei, 2020).
Der Leidensdruck in der Immobilienbranche war lange Zeit zu gering und wirkte sich hemmend auf das Innovationsverhalten aus. Die Branche setzte vorzugsweise auf Altbekanntes und -bewährtes. Doch seit einigen Jahren ist die Digitalisierung auch in der Immobilienbranche angekommen (NZZ(b), 2016) (Rohner(a), 2020). Heute liest und hört man schon fast täglich von der Digitalisierung sowie deren Auswirkungen und Folgen auf das Immobilienökosystem (Immobilien Business, 2019). In der Vermarktung begegnet man Schlagzeilen wie:
Für die «Digitalisierung» existiert keine eindeutige Definition. Abhängig vom jeweiligen Kontext, kann der Begriff mehrere Bedeutungen annehmen. Ursprünglich verstand man darunter das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate. Eine heute wohl eher zutreffende Bedeutung ist die digitale Transformation (Bigdata Insider, 2020). Patrick Rohner bezeichnet diese in einem Satz wie folgt: «Digitalisierung ist der technologische Auslöser und die Transformation die Folge daraus.» (Rohner(b), 2020). Wie der Abb. 4 zu entnehmen ist, definiert sich die digitale Transformation aus dem Zusammenspiel der menschlichen Bedürfnisse, der Rentabilität des Business und der technologischen Machbarkeit. Der alte Fokus lag in der Prozessoptimierung, der Neue auf den Bedürfnissen des Menschen (Rohner(c), 2020).
Der neue Fokus der digitalen Transformation ist für die Immobilienvermarktung von zentraler Bedeutung. Immobilienverkaufsberater Oliver Bader (Inhaber der Bader Immobilien AG, Luzern) definiert dies wie folgt: «Weniger Büro. Mehr Mensch.» oder mit anderen Worten, «prozessorientierte Automatisierung mit persönlichen Touchpoints.» (Bader, 2020). Philippe Frei (Leiter Vermietungsmanagement bei der Livit AG, Zürich) beschreibt zudem: «Digitalisierung bedeutet nicht nur «paperless» zu werden, sondern auch an Effizienz zu gewinnen. Dies bedeutet, den verbalen Kontakt mit Mietern auf das Wesentliche zu reduzieren sowie eine Reduktion der administrativen Arbeiten herbeizuführen. Wichtig ist es, den Fokus des Kunden (Auftraggeber/Eigentümer) in den Vordergrund zusetzen und diesen somit schneller zu bedienen.» (Frei, 2020).
Die Hauptziele der digitalen Transformation sind nach Ruoss die Erhöhung der Kundenbindung, die interne Effizienzsteigerung sowie die Umsatzsteigerung durch neue Produkte (Abb. 5) (Ruoss, 2020).
Die Immobilienbranche bezeichnet den digitalen Wandel und die damit einhergehenden technologischen Errungenschaften als PropTech, abgeleitet von Property und Technology (Parmelin, 2020). In den vergangenen fünf Jahren ist die Anzahl an neu gegründeten Firmen rasant gestiegen. Heute sind in der Schweiz über 250 Firmen damit beschäftigt, im gesamten Lebenszyklus von Immobilien (Abb. 6) innovative Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Sie haben das Ziel, das Kundenerlebnis attraktiver zu gestalten, das Kundenverhalten besser zu analysieren, Kosten zu reduzieren, die Produktivität zu steigern sowie bestehende Produkte zu erweitern oder neue zu lancieren (Abb. 5). Im Segment der Bauwirtschaft werden die Technologien als ConTech (Construction Technology) bezeichnet, in der Immobilienwirtschaft als ReTech (Real Estate Technology). Der Makler agiert im ReTech Lebenszyklus «Rental» und/oder «Sale» (Immobilien Innovation , 2020).
PropTech Switzerland teilt 141 qualifizierte Unternehmen der Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft in ihrer PropTech-Map in neun Kategorien ein (PropTech Switzerland, 2020). Für die Immobilienvermarktung sind vor allem jene Unternehmen in den Kategorien Marketplace, Property Management, Big Data Analytics, Valuation Model und VR-AR-3D-Drones von Interesse. Diese Firmen können den Makler in seiner Tätigkeit unterstützen oder agieren als Konkurrenz. Nachfolgend werden fünf PropTech-Unternehmen vorgestellt sowie deren Einfluss und Auswirkungen auf die Maklertätigkeit (vgl. Abb. 3) aufgezeigt:
PriceHubble wurde im Jahre 2015 gegründet und unterstützt den Immobilienmakler in der Auftragsphase durch sein dynamisches Objektbewertungsmodell (Kauf/Miete). Im Gegensatz zu den führenden Bewertungstools von IAZI, WP und FPRE berücksichtigt jenes von PriceHubbel mittels «maschine learning» auch Quartier- und Städteentwicklungen sowie Bauvorhaben in unmittelbarer Nähe der relevanten Liegenschaft. Somit kann der Immobilienmakler eine fundierte Preiseinschätzung generieren und die Marktfähigkeit der Liegenschaft besser beurteilen (Pricehubble, 2020).
Hegias hat das weltweit erste browserbasierte und automatisierte Virtual-Reality-Content-Management-System entwickelt und unterstützt damit den Makler in der Vermarktungsphase. Dank Virtual Reality (mit VR-Brille oder über den Browser) ermöglicht Hegias die Liegenschaft noch vor Fertigstellung virtuell zu besichtigen. Die Besichtigungen können mit Kauf- oder Mietinteressenten gleichzeitig und ortsunabhängig erfolgen. Einrichtungen oder Materialisierung können nutzerspezifisch angepasst werden. Die Kosten einer Musterwohnung fallen weg und der Makler kann bereits vor Baustart mit der Vermarktung sowie Besichtigung beginnen (Hegias, 2020) (NZZ(c), 2020).
Realbot Engineering entwickelte den weltweit ersten Besichtigungsroboter namens SAM und entlastet den Makler ebenfalls in der Vermarktungsphase. SAM ermöglicht Interessenten die Immobilie in Echtzeit 24/7 bequem von zuhause aus zu besichtigen. Die Besichtigung kann der Interessent allein oder online in Begleitung mit dem Makler durchführen. Beim Verkauf ersetzt SAM den persönlichen Besichtigungstermin vor Ort nicht. Er hilft dem Makler jedoch die Spreu vom Weizen zu trennen und so die Qualität der Besichtigungstermin vor Ort zu erhöhen. Der Roboter ist bereits bei einigen Maklern wie z.B. bei der Bader Immobilien AG rege im Einsatz (Realbot.Engineering, 2020) (Luzerner Zeitung, 2020). Die Software von Emonitor digitalisiert und vereinfacht den Erstvermietungsprozess dank Verlinkung mit der jeweiligen Projektwebseite. Die Applikation prüft die Bewerbungen, Bonität und automatisiert die Kommunikation zwischen dem Mieter und Vermieter. Der Makler wird durch die Software vor allem in der Vermarktungs- und Abschlussphase stark administrativ entlastet und kann sich so auf die Beratung fokussieren. Nach jeder Erstvermietung können die vorhandenen Daten analysiert und in einem Reporting festgehalten werden. Aus diesen Daten kann der Makler zudem wichtige Schlüsse für das nächste Projekt ziehen. Emonitor ist bei vielen etablierten Vermietungsmaklern wie z.B. bei der Livit AG bereits «state of the art» (Emonitor, 2020).
Neho positioniert sich als digitaler Immobilienmakler und bietet seine Verkaufsdienstleistung für einen Fixpreis von 9’500 CHF an. Mit diesem in der Branche aggressiven Preismodell (branchenübliche Provision zw. 2 – 3% des Verkaufspreises) versucht Neho kostensensitive Verkäufer für sich zu gewinnen. Neho agiert somit als direkter Konkurrent zu den bestehenden Immobilienverkaufsmaklern (Neho, 2020).
Die Auflistung einiger dieser aufstrebenden Unternehmen zeigt einerseits, dass die digitale Transformation in der Immobilienverkaufsbranche eine Vielzahl neuer Konkurrenten, wie z.B. jene von Neho, welche mit günstigen Fixpreisen locken, erschuf. Bei Liegenschaften mit einem niedrigen Verkaufswert vermag dieses Modell legitim sein. Aber das Wohneigentum stellt für meisten Schweizer nach wie vor den grössten Vermögenswert dar. Ob man bei dieser Transaktion auf einen Billiganbieter setzen soll, darf zumindest bezweifelt werden. Welchen Anreiz hat dieser Makler, die Extrameile für den Kunden zu gehen, um den bestmöglichen Verkaufspreis zu erzielen? Des Weiteren zeigen die Erfahrungen aus dem Ausland, dass man mit diesem Geschäftsmodell betriebswirtschaftlich betrachtet bis heute noch nie Geld verdient hat (Handelszeitung, 2020). Die Zukunft wird zeigen, ob sich dieses Geschäftsmodell in der Schweiz nachhaltig etabliert und an den heutigen Provisionsmodellen der Makler etwas ändert.
Andererseits kann der Makler dank der Digitalisierung und der hiesigen innovativen PropTech-Szene auf eine Hülle von nützlichen Dienstleistungen zugreifen. Diese beeinflussen ihn in allen Phasen seiner Tätigkeit, von der Auftrags- bis zur Abschlussphase (Abb. 3). In der Vermietungsvermarktung kann bereits der gesamte Bewerbungsprozess digitalisiert und effizient abgewickelt werden. Im Verkauf sowie auch in der Vermietung gewinnt der Makler vor allem durch virtuelle Besichtigungstermine an enormer Effizienz. Durch die Datenanalysen und das somit bessere Verständnis des Kundenverhaltens gewinnen die Makler zudem an Transparenz und Qualität. Jedoch ist auch die digitale Transformation kein Allerheilmittel. Nicht jedes Tool ist für jeden Makler geeignet. Jene Makler, die es aber verstehen, sich die richtigen digitalen Hilfsmittel und Dienstleistungen zu besorgen, werden das Kundenerlebnis intensivieren, Prozesse optimieren und sich auf das Wesentliche fokussieren können: nämlich die persönliche Beratung und somit den Menschen.
Das zukünftige Berufsbild des Maklers wird auf dem tiefgreifenden Verständnis der disruptiven digitalen Zusammenhänge gepaart mit ausgeprägten, menschlichen Fachkompetenzen basieren (Pom+Consulting AG , 2020). Die Anzahl der heutigen Immobilienmakler wird sich reduzieren, nebenberufliche und inkompetente Makler verlieren definitiv ihr Berechtigungsdasein. Die letzten Worte überlassen wir unseren zwei interviewten Experten. Oliver Bader: «Das Maklergeschäft ist und bleibt ein Beziehungsgeschäft, verbunden mit vielen menschlichen Emotionen. Die Digitalisierung hilft uns lediglich noch besser und effizienter zu werden. Sie wird die erfahrenen, fachkompetenten sowie vertrauenswürdigen Makler, die mit der Zeit resp. der Digitalisierung gehen aber nie ersetzen.» und Philippe Frei: «Grundsätzlich wird es nie ohne Menschen gehen.»
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Quellenverzeichnis:
Bader, O. (26. September 2020). Experteninterview Bader Immobilien Luzern AG. (A. Meyer, Interviewer)
Facchinetti, M. (07. Mai 2020). Innovation in Real Estate & Construction. Vorlesungsfolie SwissPropTech S. 26. Rothkreuz, Zug, Schweiz.
Frei, P. (09. Juni 2020). Experteninterview Livit AG. (F. Lucido, Interviewer)
Handelszeitung. (05. Februar 2020). Special Immobilienwirtschaft. Qualität versus Flatrate – Maklerbranche(5), S. 12.
Immobilien Business. (November 2019). Neues Immobilien Ecosystem. Das Schweizer Immobilien-Magazin(11), S. 11.
Immobilien Innovation . (Oktober 2020). Das Magazin zum Real Estate Innovation Day. (10), S. 45.
NZZ(c). (05. Juli 2020). Zukunft Bauen. NZZ am Sonntag, 9.
Rohner(a), P. (23. August 2020). Immobilienbewirtschaftung heute und morgen. Vorlesungsfolie Digitalisierung in der Immobilienbranche S. 40 . Rothkreuz, Zug, Schweiz.
Rohner(b), P. (23. August 2020). Immobilienbewirtschaftung heute und morgen. Vorlesungsfolie Digitalisierung in der Immobilienbranche S. 8. Rothkreuz, Zug.
Rohner(c), P. (23. August 2020). Immobilienbewirtschaftung heute und morgen. Vorlesungsfolie Digitalisierung in der Immobilienbranche S. 20. Rothkreuz, Zug, Schweiz.
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