21. Februar 2022
Studentischer Beitrag aus dem MAS Immobilienmanagement
Eine intelligente Stadt ist effizient und bietet mehr Lebensqualität für sämtliche Bewohner. Dieses Ziel wird unter anderem durch den Einsatz von Technologie unterstützt. Dabei liefert sie nicht nur positive Veränderungen, sie stellt die Menschheit auch vor neue Herausforderungen.
Von Jenny Sträuli und Leonie Steiner
Die Bewegung der Smart Cities gewinnt mit dem Wachstum der digitalen Wirtschaft immer mehr an Bedeutung. Während das 20. Jahrhundert als das der Nationen galt, wird laut BMI Lab das 21. Jahrhundert dasjenige der Städte sein. Diese zunehmende Bedeutung der Städte für die Weltwirtschaft hat jedoch ihren Preis: Bevölkerungswachstum, Umweltheraus-forderungen und Wirtschaftskrisen stellen Städte auf der ganzen Welt vor neue Probleme (BMILab, 2019).
55% der gesamten Bevölkerung lebt bereits in urbanen Regionen. Aus diesem Grund ist es zwingend, dass Städte eine Vorreiterrolle übernehmen. Diesem Ziel hat sich auch der Smart City Expo World Congress verschrieben, welcher bereits 120 Länder als Mitglieder zählt. Dabei liegt der Fokus darauf, nachhaltige und integrative Städte zu schaffen (Smart city expo world congress, 2021).
Mit der digitalen Entwicklung sind intelligente Städte zum Thema der Gesellschaft geworden. Gassmann et al. (2019, S. 25) beschreiben eine Smart City wie folgt: «Eine Smart City setzt digitale Technologien systematisch ein, um den Ressourceneinsatz zu reduzieren, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft nachhaltig zu steigern. Dabei geht es um den Einsatz intelligenter Lösungen für Infrastruktur, Energie, Wohnen, Mobilität, Dienstleistungen und Sicherheit auf Basis integrierter Sensorik, Konnektivität, Datenanalyse und eigenständiger Wertschöpfungs-prozesse.»
Die Definition, was genau eine Stadt intelligent macht, kann stark variieren. Ein Grund für das Fehlen einer einheitlichen Definition liegt in den verschiedenen beteiligten Entitäten und den Funktionen, die eine Smart City zu bieten hat. Um deren Funktionsweise zu regulieren, werden diverse Standards verwendet. Zudem müssen Smart Cities für die Förderung des gesellschaftlichen Fortschrittes von nationalen und internationalen Behörden und Organisationen offiziell anerkannt werden (Jia, et al., 2020).
Dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten in der Begriffsdefinition sowie deren Umsetzung finden. Die wichtigste ist der sogenannte digitale Schatten. Er gilt als eine Voraussetzung für jede Smart City. Daten werden kontinuierlich mittels eines Netzwerks von Sensoren, Geräten und anderen digitalen Diensten gemessen. Diese liefern beispielsweise Informationen zu Luftqualität, Verkehr, Energieverbrauch und Müllproduktion. Die gesammelten Informationen werden in eine Cloud geladen, wodurch ein digitales Abbild (digitaler Schatten) des «Verhaltens» einer Stadt entsteht, welches jederzeit online verfügbar ist. Dies soll dabei helfen, Muster zu erstellen, die Produktivität zu fördern sowie neue, nachhaltige Lösungen zu finden (BMILab, 2019).
Generell muss die Digitalisierung, ob in einer Stadt oder allgemein, dem Menschen dienen. Technik kann einen Lösungsweg liefern, um eine nachhaltige Zukunft aufzubauen. Letztendlich bleibt sie jedoch Mittel zum Zweck. Bei der Planung einer Stadt der Zukunft, müssen in erster Linie die von den Vereinten Nationen formulierten Ziele für nachhaltige Entwicklung berücksichtigt werden (lpb, n.d.).
Insgesamt bestehen 17 Ziele in der sogenannten Agenda 2030. Nachhaltige Entwicklung besteht dabei aus den Zielen der ökologischen Verträglichkeit, der sozialen Gerechtigkeit und des wirtschaftlich leistungsfähigen Handelns (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, n.d.).
Die Sustainable Developement Goals aufgeteilt in die 17 Einzelziele:
Weitere Anforderungen an eine Smart City werden von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg wie folgt formuliert (lpb, n.d.):
In der Vergangenheit waren Definitionen zu Smart Cities weitgehend technologiegetrieben. Ein Beispiel dazu liefert die Ausführung von Hall et al. (2000): «eine Stadt, die die Bedingungen aller ihrer kritischen Infrastrukturen überwacht und integriert». Digitale Unternehmen wie IBM, Siemens oder Cisco haben den Wandel schnell erkannt und präsentierten ihre IKT-Lösungen (Informations- und Kommunikationstechnik), um an der Entwicklung von Smart Cities teilzunehmen. Dabei konzentrierten sich deren Neuerungen weitestgehend auf die Bereitstellung von IKT-Infrastrukturen, um es Städten zu ermöglichen, intelligent zu werden. Eine rein technologische Umsetzung führt hingegen nicht dazu, dass eine Stadt als «smart» wahrgenommen werden kann (Effing & Groot, 2016).
Kommunale Führungskräfte haben im Verlaufe der Zeit erkannt, dass Smart-City-Strategien beim Menschen und nicht bei der Technologie beginnen. Es geht bei «Smartness» nicht nur darum, traditionelle Infrastrukturen mittels digitalen Schnittstellen zu erweitern oder den Stadtbetrieb zu rationalisieren. Zentrale Aspekte sind auch, die Entscheidungsfindung zu optimieren sowie mittels der Nutzung von Technologie und Daten eine bessere Lebensqualität zu gewährleisten (Woetzel, et al., 2018).
Die Bedeutung einer Smart City hat sich in den letzten Jahren gewandelt, hin zu einer ganzheitlichen Stadt, welche die sozialen Faktoren der Menschen, die Lebensqualität und den wirtschaftlichen Nutzen einbindet. Gemäss den Autoren von Social Smart City sind die lebenswertesten Städte der Welt nicht jene mit den grössten technologischen Fortschritten, sondern Städte, welche ihren Bürgern, den lokalen Unternehmen und Regierungen eine Plattform bieten, um gemeinsam eine vitale und nachhaltige Stadt aufzubauen (Effing & Groot, 2016).
Bis 2050 sollen 68.36% der Weltbevölkerung in städtischen Regionen leben (Kundu & Pandey, 2020). Dabei werden die grössten Herausforderungen darin bestehen, die wachsende Bevölkerung mit lebenswichtigen Ressourcen wie sauberem Wasser oder ausreichend Energie zu versorgen, sowie Lebensmittel und genügend Wohnraum (Jia, et al., 2020).
Städte versuchen sich im Hinblick auf die Herausforderungen, welche sich auf soziale Entwicklungen und die Lebensqualität auswirken, in intelligente Städte zu transformieren. Diese Veränderung bedingt die Zurverfügungstellung einer grossen Anzahl an IoT-Geräten (Internet of Things), welche zur Datensammlung notwendig sind. Der Einsatz solcher Geräte wirft neue Bedenken bezüglich der Cybersicherheit und des Datenschutzes auf (Bormann, et al., 2019).
Die wichtigsten Herausforderungen für heutige Städte wurden von den Autoren des Buches «Smart Cities: Introducing Digital Innovation to Cities» wie folgt definiert: neue Urbanisierungstrends, die Städte und ihr Umland verändern, veränderte Lebensstile und Präferenzen, demografische Entwicklungen (wie die steigende Zahl älterer Menschen in den westlichen Ländern), Infrastruktur, Luftqualität, Smog, Lärm, Mobilität, Tourismus, begrenzte Ressourcen und die Verwaltung der Gemeingüter (BMILab, 2019). Ein Beispiel zur Herausforderung in der Mobilität liefert die Statistik von Statista: Autofahrer in der Stadt Frankfurt am Main wenden jährlich 65 Stunden auf, um einen freien Parkplatz zu finden, woraus Kosten von 1’419 Euro resultieren (Gassmann, Böhm, & Palmié, 2019, S. 8).
All diese Herausforderungen werfen neue Fragen auf, welche bei der weiteren Entwicklung der Smart Cities berücksichtigt werden müssen. Wie kann die Luftqualität für Städtebewohner verbessert werden? Wie können ältere Menschen in die Entwicklung eingebunden werden, so dass sie weiterhin am Stadtleben teilhaben können? Für die Erarbeitung neuer Initiativen sowie auch deren Implementierung in die intelligenten Städte ist die Unterstützung von öffentlichen Organisationen, Bürgern, staatlichen und lokalen Regierungen sowie privaten Unternehmen unabdingbar (Jia, et al., 2020).
Aus dem neusten Bericht «Smart Cities; Digital solutions for a more liveable future» des McKinsey Global Institute (MGI) geht hervor, dass Smart-City-Technologien ein erhebliches ungenutztes Potenzial zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität haben. Das Ergebnis daraus zeigt, dass mittels intelligenter Technologien einige Aspekte der Lebensqualität innerhalb der Städte um 10-30% verbessert werden könnten. Für den Bericht wurden Dutzende digitale Anwendungen auf deren praktischen und menschlichen Nutzen analysiert (Woetzel, et al., 2018).
Untersuchte Aspekte und Bereiche des Lebens:
Aus der Studie gehen unter anderem folgende Verbesserungspotentiale für intelligentere Städte in folgenden Bereichen hervor (Woetzel, et al., 2018):
Auch die soziale Verbundenheit sowie der Austausch mit der lokalen Regierung können durch eine Smart City verbessert werden. Eine Befragung von Stadtbewohnern durch MGI hat ergeben, dass digitale Kanäle sowie Plattformen für die Kommunikation mit lokalen Beamten das Verbundenheitsgefühl der Anwohner zur lokalen Gemeinschaft sowie der lokalen Regierung fast verdreifachen könnte (Woetzel, et al., 2018).
Laut dem ersten Smart City Index des IMD (Institute for Management Development) gilt Singapur als intelligenteste Stadt der Welt.
Abgebildet Nr. 1-10 von 118 Städten:
Rang |
Stadt (Land) |
Rating |
1 |
Singapur (Singapur) |
AAA |
2 |
Zürich (Schweiz) |
AA |
3 |
Oslo (Norwegen) |
AA |
4 |
Taipei City (Taiwan) |
A |
5 |
Lausanne (Schweiz) |
A |
6 |
Helsinki (Finnland) |
A |
7 |
Kopenhagen (Dänemark) |
A |
8 |
Genf (Schweiz) |
A |
9 |
Auckland (Neuseeland) |
A |
10 |
Bilbao (Spanien) |
BBB |
Singapur konnte die Transporteffizienz mit dem Einsatz von Sensoren-Technologie und der Schaffung einer autonomen Flotte optimieren und so den älteren und behinderten Bewohnern helfen, mobil zu bleiben. In einem Versuch konnte die Rate der überfüllten Busse um 92% reduziert werden (Thales Group, 2020).
Um den Druck der alternden Bevölkerung auf das Gesundheitswesen zu reduzieren, hat Singapur sein Gesundheitssystem digitalisiert. Beispielsweise werden Video-Konsultationen oder auch kardiale und kreislauffördernde Fitnessübungen von zu Hause aus durchgeführt. Dabei werden die Fortschritte der Patienten mittels eines tragbaren IoT-Geräts gemessen und diese Daten direkt an ihre Therapeuten übermittelt (Thales Group, 2020).
Ein Netzwerk von Apps ermöglicht es den Bürgern, kommunale Probleme zu melden, standortspezifische Informationen zur Luftqualität, Temperatur und Niederschlag zu erhalten, die Energieabgabe intelligenter Zähler zu überwachen und auf Informationen zuzugreifen, die auf spezifische Zielgruppen zugeschnitten sind (Thales Group, 2020).
12‘000 Fachleute und Studenten werden derzeit in Singapur mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ausgebildet. Diese Ausbildung und Förderung soll die Bürger ermutigen, Teil des Wandels zu sein, sowie eine digitale Bereitschaft zu entwickeln. Solche und weitere daten- und technologiegetriebenen Innovationen ermöglichten es Singapur, ein führendes intelligentes Ökosystem zu schaffen, das die Bürger in den Mittelpunkt stellt (Thales Group, 2020).
Die zunehmende technologische Entwicklung bringt gleichermassen Chancen wie auch Risiken mit sich. Nach wie vor befinden sich die Smart Cities im Aufbau. Ein generelles Fazit zu ziehen ist kaum möglich, da die Umsetzung in der Realität von Stadt zu Stadt individualisiert ist und auch die Fortschrittlichkeit sowie der Fokus von Smart Cities starke Unterschiede aufweisen. Auch in der Definition einer Smart City wurde bisher keine allgemeingültige Einigkeit gefunden. Folglich können Regierungen und Technologiekonzerne in der Auslegeordnung eigenständig entscheiden. Daher ist es umso wichtiger, dass die Entwicklung nicht durch Konzerne getrieben wird, welche lediglich mit dem Ziel agieren, ihre Marktstellung langfristig abzusichern. Um dies zu vermeiden, ist die Politik auf allen Ebenen gefordert. Die Partizipation der Bürger sowie deren Mitspracherecht sind zwingend notwendig, um verbesserten Lebensraum für Bewohner zu schaffen, welcher durch Technik unterstützt wird. Dabei soll der technische Fortschritt nicht als oberstes Ziel gelten, sondern lediglich ein Werkzeug sein, welches klug eingesetzt wird.
Der Trend hin zu einer intelligenten und gemeinwohlorientierten Stadt hat bereits Fahrt aufgenommen. Anhand des Beispiels von Singapur ist zu erkennen, dass die Lösungsansätze von McKinsey bereits Bestandteil der Realität sind und sich positiv auf das Leben in der Stadt auswirken. Die Vorstellung einer Smart City in der Zukunft mit selbstfahrenden Autos oder Drohnen, die das Essen ausliefern, liegen noch in weiter Ferne. Anhand der Stadt Zürich, welche auf der IMD Rangliste den zweiten Platz belegt, ist klar erkennbar, dass es gegenwärtig kleine Neuerungen sind, die den Unterschied ausmachen; technologische Dienste wie beispielsweise die SBB-App oder Online-Jobbörsen, welche einer Stadt zu mehr «smartness» verhelfen. Tools, welche für die Schweizer Bevölkerung blitzschnell alltäglich wurden.
Auch Bedenken bezüglich der Cyberkriminalität oder des Datenschutzes werden immer lauter, je mehr die Digitalisierung voranschreitet. Die Einbindung der Bürger sowie deren Partizipation am Fortschritt ist daher unabdingbar; denn was ist eine Smart City ohne den Menschen?
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