9. Januar 2023

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Impact Investments im städtischen Bestand: Dringender denn je

<strong>Impact Investments im städtischen Bestand: Dringender denn je</strong>
Quelle: BFS GWR

Von Christian Kraft, Hochschule Luzern

Impact Investment bedeutet wirkungsorientiert investieren, um messbare Veränderungen zu erzielen. Das ist dringender denn je. 2021 heizten 5.7 Millionen Menschen in der Schweiz mit Öl oder Gas – fast genauso viele wie vor 20 Jahren. Damals entsprach dies 80% der Bevölkerung, heute sind es noch 65%. Besonders herausfordernd ist die Situation im Altbestand der Städte. In Genf ist der Anteil der Bevölkerung, der mit Öl oder Gas heizt, über 20 Jahre zwar von 96% auf 90% gesunken. Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums sind das absolut betrachtet aber immer noch 10% mehr Menschen als im Jahre 2000. Das Potenzial im Bestand ist enorm, der mögliche „Impact“ riesig, die Umsetzung regulatorisch, technologisch, wirtschaftlich und sozial herausfordernd, aber möglich.

Immobilien eignen sich bestens als Impact Investment

Immobilieninvestitionen eignen sich bestens für wirkungsorientiertes Investieren. In kaum einer anderen Anlageklasse ist der kausale Zusammenhang zwischen Massnahmen und Ergebnissen für Umwelt und Gesellschaft so eindeutig wie bei Immobilien. Staub-Bisang et al. (2022)* leiten in ihrem Grundlagenwerk drei Hauptmerkmale ab, die wirkungsorientierte von generell nachhaltigen Investitionen unterscheiden: Erstens muss der Investor explizit beabsichtigen, „eine positive ökosoziale Wirkung zur erzielen“ (Staub-Bisang et al., 2022, S. 139). Zweitens sollte diese mit einer positiven Investitionsrendite einhergehen. Drittens muss die Wirkung der Investition auf die Realwirtschaft messbar sein.

Erwirbt ein Investor zum Beispiel einen „grünen“ vollvermieteten Neubau, so ist diese Investition nachhaltig, nicht aber wirkungsorientiert. Denn die positive Wirkung des Neubaus auf Umwelt und Gesellschaft erfolgte vor dem Engagement des Investors. Besitzt oder erwirbt ein Investor hingegen eine „braune“ Liegenschaft und erweitert und saniert diese energetisch, so erzielt er eine konkrete messbare Wirkung. Aktuelle Zahlen vom erweiterten Gebäude- und Wohnungsregister zeigen nun, wie es insbesondere um die ökologische Nachhaltigkeit von Wohngebäuden in der Schweiz steht – und wie dringend jetzt wirkungsorientierte Investitionen im Bestand sind.

Nachhaltigkeit ist in der Betriebsphase von Neubauten neuer Standard

Die gute Nachricht zuerst: Nur noch 15.7% aller seit 2016 erstellten Wohngebäude werden primär über einen Heizkessel geheizt, der in 10% der Fälle mit Gas und 5% mit Holz betrieben wird (Abbildung 1). Das Verbrennen fossiler Energieträger ist also im Neubau kaum noch ein Thema. Da seit 2016 viele grosse Mehrfamilienhäuser mit Systemen aus erneuerbaren Energien entstanden sind, profitieren viele Menschen von diesen positiven Entwicklungen und das starke Bevölkerungswachstum konnte von vielen neuen energetisch nachhaltigen Gebäuden aufgefangen werden. Ökologische Nachhaltigkeit im Neubau muss damit – zumindest auf dem heutigen Stand der Technik – als neuer Standard betrachtet werden. Für jede von diesem Standard abweichende Investition müssen höhere Risiken und tiefere Ertragschancen eingepreist werden. Das führt zu geringeren Mieteinnahmen und tieferen Marktwerten. Die ökologische Nachhaltigkeit bezüglich Dekarbonisierung im Betrieb ist somit im Neubau bereits marktgetrieben und auch wirtschaftlich nachhaltig – auch wenn die nächsten grossen Herausforderungen bereits an die Tür klopfen: Wieviel graue Energie bindet ein Neubau ab der Erstellung und welche Rolle spielt er zur positiven Beeinflussung sozialer Ziele an einem Standort im Kontext zum Bestand?

Abbildung 1: Anzahl Wohngebäude nach Baujahr und Energiequelle der Heizung; Quelle: BFS GWR

Im Bestand liegt der Hund begraben

Der grosse wirkungsorientierte Handlungsbedarf liegt im Bestand. 78% aller Gebäude, die vor 2000 erstellt wurden, nutzen einen Heizkessel oder Ofen zur Wärmeerzeugung. Heute heizen insgesamt noch genauso viele Menschen mit fossilen Energieträgern wie im Jahr 2000. In Genf ist der Anteil der Bevölkerung, die mit Öl oder Gas heizt, von 96% auf 90% gesunken. Absolut heizen in Genf heute jedoch 17´000 Menschen mehr mit fossilen Energiequellen als im Jahr 2000. Insgesamt liegen alle grösseren Schweizer Städte mit Ausnahme von Basel teils deutlich über dem landesweiten Mittelwert des Bevölkerungsanteils, der mit Gas oder Öl heizt (Abbildung 2). Wie in Genf ist in einigen Städten der Anteil nur aufgrund des starken Bevölkerungswachstums gesunken. Absolut gesehen heizen heute in 10 der 17 Städte mehr Menschen mit Gas oder Öl als im Jahr 2000.

Abbildung 2: Anteil der städtischen Bevölkerung, der mit Öl oder Gas heizt, 2000 und 2021; Quelle: BFS GWR

Die Gründe sind vielfältig und zwischen den Städten unterschiedlich. Unternehmerische oder regulatorische Risiken für Sanierungen stehen teils in einem ungünstigen Verhältnis zu zukünftigen Erträgen. Vielerorts sind optimale technologische Lösungen nicht möglich, unwirtschaftlich oder werden baurechtlich eingeschränkt. Fortschritte gab es trotzdem. Ölheizungen wurden grossflächig durch Gasheizungen ersetzt. In St. Gallen ist der Anteil der Menschen, die mit Öl heizen, von 2000 bis 2021 um 40 Prozentpunkte gesunken. Der Anteil der mit Gas heizenden Bevölkerung stieg dabei lediglich um 21 Prozentpunkte, was auch den deutlichen Rückgang der fossilen Energieträger in St. Gallen insgesamt erklärt (Abbildung 3). Dass insgesamt noch bis ins Jahr 2010 viele Ölheizungen durch Gasheizungen ersetzt wurden, wird auch in Abbildung 1 ersichtlich.

Abbildung 3: Veränderung des Bevölkerungsanteils, der mit Öl oder Gas heizt, 2000 bis 2021, in Prozentpunkten; Quelle: BFS GWR

Fazit: Licht und Schatten der nachhaltigen Entwicklung

Die Entwicklungen im Neubau sind zumindest bezüglich der Energiequellen für Heizungen seit zehn Jahren sehr positiv. Das Potenzial für wirkungsorientierte Veränderungen im Bestand ist hingegen enorm. Die aufgrund der starken urbanen Nachfrage hohen Werte der innerstädtischen Lagen, das politisch erklärte Ziel der Innenentwicklung und das weiterhin starke Bevölkerungswachstum verstärken den Handlungsdruck. Die Entwicklungsrisiken sind im städtischen Bestand jedoch höher als im Neubau auf der grünen Wiese – und sie nehmen weiter zu. Dies erfordert immer mehr unternehmerischen Mut. Denn viele regulatorische Massnahmen, die isoliert betrachtet sinnvoll erscheinen mögen, kumulieren zu einer Regulierungsdichte, die viele Eigentümer und Investoren abschreckt. Oftmals fehlt jedoch auch schlichtweg die Zeit, die Kompetenz oder das Interesse, die eigene(n) Liegenschaft(en) wirkungsvoll weiterzuentwickeln. An dieser Stelle können Städte und Gemeinden, Beratungsunternehmen, Bildungsinstitutionen, finanzierende Banken und Institutionen wirkungsvolle Investitionen beratend und bildend unterstützen.

 

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