6. März 2023

Märkte,

Studentische Beiträge

Kreislaufwirtschaft – Nur Kosten oder auch Wertsteigerung?

Kreislaufwirtschaft – Nur Kosten oder auch Wertsteigerung?
Kreislaufwirtschaft unterscheidet zwischen dem biologischen und dem technischen Kreislauf Bildquelle: EPEA – Part of Drees & Sommer

Studentischer Beitrag aus dem MAS Immobilienmanagement

Klimakrise, Inflation, Energiemangellage, Ressourcenknappheit. Die Weltbevölkerung steht vor kurz- und langfristigen Krisen, die es zu lösen gilt. Herausforderungen bringen Chancen und führen auch dazu, dass Technologien und Ansatzweisen in den Vordergrund rücken, die bis anhin zwar schon existierten, jedoch nur geringe Aufmerksamkeit genossen. Auch die Baubranche ist mit diesen Krisen konfrontiert und so ist das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ein vieldiskutiertes Thema. Während bereits Gebäude unter der Anwendung der kreislauffähigen Konstruktionsweise gebaut werden, sind sich Bewerter, Bauherren und Investoren indes uneinig, welchen Effekt die neue Konstruktionsweise auf den Wert der Immobilie hat.

Ein Artikel von Daniel Lehmann und Yves Schmid

Wiederintegration der Rohstoffe als Ziel

Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft, auch bekannt unter dem englischen Ausdruck «Cradle-to-Cradle» beschreibt die Vision einer abfallfreien Wirtschaft, in welcher Rohstoffe sich in einem ewigen Kreislauf bewegen. Das Prinzip der Erfinder beschreibt zwei Kreisläufe: Der biologische Kreislauf für Verbrauchsgüter, in dem Güter biologisch abbaubar sind und so wieder in den Kreislauf integriert werden und der technische Kreislauf, für Materialien, deren Verfügbarkeit begrenzt ist und die deshalb nach einer sortenreinen Trennung wieder als Sekundärrohstoffe eingesetzt werden (Kindermann, 2021, S. 5).

Hauptverantwortlicher des Abfallaufkommens ist die Baubranche

Gerade in der Bauindustrie, welche zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen gehört und jährlich für über 80% des gesamten Abfallaufkommens verantwortlich ist, kann das Prinzip der Kreislaufwirtschaft einen weitreichenden Einfluss auf die Umwelt haben (Madaster, 2021 online). Dafür muss die Immobilie zukünftig schadstofffrei, rezyklierbar und demontierbar werden (Kindermann, 2021, S. 5). Am Lebenszyklusende der Immobilie soll ein Upcycling anstatt eines Downcycling der Rohstoffe in der Immobilie erreicht werden. Beim Downcycling findet eine Recycling der Rohstoffe mit Qualitätsverlust statt. Entsprechend können die Rohstoffe nicht erneut für die ursprüngliche Verwendung eingesetzt werden, da die Qualität nicht mehr ausreichend ist. Ein Beispiel wäre die Aufbereitung von Bauschutt zur Verwendung als Schüttgut im Strassenbau. Hingegen wird beim Upcycling der Erhalt oder die Verbesserung der Materialqualität angestrebt. Am Beispiel der Immobilie wird das Gebäude in sortenreine Materialien zerlegt und rezykliert, sodass es in gleicher oder verbesserten Qualität wiederverwendet werden kann (Kommer, 2020, S. 46).

Kreislaufwirtschaft auch beim Mieterausbau: Ausbau der Büroflächen im Messeturm Basel (Wandabrieb, Deckenpanelen, Bodenbelag und auch das Mobiliar stehen unter dem Label der Nachhaltigkeit)
Bildquelle: Messeturm, Swiss Prime Site

Nicht nur in der Bauindustrie, sprich beim Gebäudebau selbst, ist die Kreislaufwirtschaft ein brandaktuelles und viel diskutiertes Thema. Auch beim Ausbau von einzelnen Büroflächen, zeigen die bei Swiss Prime Site Immobilien AG gemachten Erfahrungen, wollen die Mieter heutzutage das Prinzip der Kreislaufwirtschaft umgesetzt sehen. Aus diesem Anlass wurden von Swiss Prime Site Immobilien AG im Messeturm Basel beim Ausbau einer Mustermietfläche die Prinzipien von Cradle-to-Cradle konsequent angewendet. Wichtig dabei war, dass die Verwendung von emissionsarmen Materialien und die Kreislaufwirtschaft bereits in der Design- und Konzeptphase höchstprioritär behandelt wurde. Schlussendlich fiel die Wahl so aus, dass – wenn immer möglich – Produkte ausgewählt wurden, welche über ein entsprechendes Label verfügen: Deckensegel (Oeko-Tex 100), Vorhänge (EU-Ecolabel), Teppich (C2C-Zertifikat Silber), Farbe (C2C-Zertifikat Gold) und Mobiliar (Blauer Engel). Der Bürostuhl kann beispielsweise dem Möbelhersteller ohne Weiteres spätestens am Lebensende zurückgegeben werden. Dieser wird dann sortenrein, analog den Gebäudewerkstoffen, in seine Einzelteile zerlegt und dem Kreislauf in Form von Sekundärrohstoffen wieder zugeführt (Milliken, 2022). Bei diesem Prozess hat auch der Möbelhersteller ein wirtschaftliches Interesse an der Rücknahme sowie der anschliessenden Verwertung, denn die Sekundärrohstoffe besitzen nach wie vor einen materiellen, geldgleichen Wert (Trüstedt und Morger, 2021, S. 37 – 39).

Die Kreislaufwirtschaft und ihre Herausforderungen

Für die vollständige Anwendung des Prinzips der Kreislaufwirtschaft ist die Betrachtung des ganzen Lebenszyklus der Immobilie essenziell. Bereits in der der Planungsphase müssen die unterschiedlichen Gebäudeschichten (Tragkonstruktion, Gebäudehülle und Innenausbau) und verwendeten Materialien berücksichtigt werden, damit diese am Ende ihrer Lebensdauer in ihren jeweiligen Kreislauf zurückgeführt werden. So muss das Holz einer Holzkonstruktion in den biologischen Kreislauf und Metalle und Stahl in den technischen Kreislauf zurückgeführt werden. Diese Trennbarkeit ist für die Kreislaufwirtschaft entscheidend und bringt bei der praktischen Umsetzung Herausforderungen und zusätzliche Kosten mit sich (Berlin Recycling, 2020, online).

So versuchte Madeleine Kindermann in ihrer Arbeit unter anderem die zusätzlichen Kosten für die Anwendung der kreislauffähigen Konstruktionsweise beim Neubau einer Immobilie zu quantifizieren. Dafür berechnete Sie die Kosten für ein Musterobjekt, welches einerseits in einer konventionellen heutigen Konstruktionsweise und andererseits in einer kreislauffähigen Konstruktionsweise erstellt wird. Resultiert hat ein Kostenmehraufwand von rund 13% für die kreislauffähige Konstruktionsweise gegenüber der linearen Konstruktionsweise. Übergeordnet analysiert Kindermann in ihrer Arbeit, ob infolge des kreislauffähigen Konstruktionsprinzips ein positiver Effekt auf den Marktwert der Immobilie entsteht. Mittels Discounted Cash-Flow Methode (DCF-Methode), welche die zukünftige Zahlungsströme abzinst, bewertet Kindermann die beiden Musterobjekte und kommt zum Ergebnis, dass mit einer kreislauffähigen Konstruktionsweise ein deutlicher Mehrwert von rund 10% beim Immobilienwert erzielt werden kann.

Bewerter, Bauherren und Investoren sind sich uneinig

Und wie sieht es in der Praxis aus? Mit ausgewählten Protagonisten der Immobilienbranche konnten kurze Gespräche in diesem Zusammenhang geführt werden. So führt Gino Fiorentin, Mitglied der Geschäftsleitung und Partner bei Wüest Partner AG, aus, dass die Kreislaufwirtschaft durchaus positive Cashflows bei Bewertungen generieren könne, wo aus bisheriger Sicht nur Abbruchkosten berücksichtigt werden. Dieser Aspekt könne einen wertsteigernden Einfluss auf den Immobilienwert haben. Für ihn sei jedoch die zentrale Frage, welchen Wert die verbauten Materialien und Bauteile in der unsicheren Zukunft generieren können. Hierfür gäbe es aktuell nur wenige Erfahrungswerte. Weiter erklärt Fiorentin, dass gemäss wissenschaftlichen Studien die Preise für Baumaterialen aufgrund Ressourcenknappheit und komplexeren Lieferketten in den nächsten Jahrzehnten deutlich steigen. Damit verbunden dürfte das Wiederverwenden und Recyclieren von Baumaterialien bald deutlich wichtiger und auch wirtschaftlicher werden. Dies bedinge jedoch, dass Neubauten bereits heute vollumfänglich mit Konzepten der Kreislaufwirtschaft geplant und gebaut werden, meint der ausgewiesene Bewertungsexperte abschliessend. Dies könne erreicht werden, wenn unter anderem langlebige, rückbau- und recyclingfreundliche Baumaterialien verwendet, generell Abfall vermieden und lösbare sowie mechanische Verbindungen genutzt werden.

Ergänzend zu diesem umfassenden Statement vertritt auch René Zahnd, CEO von Swiss Prime Site Immobilien AG, eine klare Meinung: “Das oberste Ziel von Investoren und Bauherren muss es in Zukunft sein, dass für die Abbrucharbeiten keine Kosten mehr anfallen.” Dies bedeutet, dass beim Bau des Gebäudes die Materialien kategorisiert und einzeln mit einem Materialpass katalogisiert werden. Nur so kann beim Lebensende der Immobilien der Wert der Materialien festgelegt und dem Abbruchunternehmen übermittelt werden, zu welchem Preis der Rückbau getätigt werden soll. Mit anderen Worten, so Zahnd weiter, werden in Zukunft nicht die Eigentümer respektive Investoren für den Abbruch bezahlen, sondern die Abbruchunternehmen Wert aus der (Wieder-)Verwendung der einzelnen Materialien generieren.

Dazu, wie nun die kreislauffähige Konstruktionsweise konkret in die Bewertung einer Immobilie einfliesst bzw. einfliessen werden soll, äussert sich Daniel Schneider, Senior Vice President bei Jones Lang LaSalle AG, wie folgt: “Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft wird bei den Liegenschaftsbewertungen von grossen Bestandshaltern (noch) nicht explizit thematisiert. Hier dominieren aktuell die Begriffe wie «ESG» (Environment, Social, Governance) oder «CO2-Absenkpfad», in welchen das Prinzip der Kreislaufwirtschaft teilweise enthalten ist. In den Bewertungen schlägt sich dies bei Bestandesliegenschaften insbesondere durch Investitionen zur Stärkung der Nachhaltigkeit nieder (z.B. Umstellung auf erneuerbare Energieträger, Monitoring des CO2 Ausstosses etc.). Dass die Nachhaltigkeit eines Gebäudes einen Einfluss auf den zukünftigen Wert haben wird, ist aus Sicht von Daniel Schneider unbestritten. Wir gehen davon aus, dass sich dies durch einen Abschlag auf den Werten von «braunen» Immobilien anstelle eines Zuschlages für «grüne» Immobilien zeigen wird.” Dieser Aussage widerspricht auch René Zahnd nicht. Er behauptet sogar, dass die Bewertungsseite noch gar nicht fit genug sei. In der klassischen Discounted Cash-Flow-Modellierung wird die ganze Lebensdauer dargestellt und der Ersparniseffekt wird somit verwässert beziehungsweise zu wenig deutlich abgebildet. Nicht so dezidiert, doch inhaltlich mit der gleichen Aussage erzählt Gino Fiorentin, dass in der Praxis die Aspekte der Kreislaufwirtschaft noch nicht direkt in einzelne Bewertungen einfliessen. Ein Grund sei, dass das Prinzip der Kreislaufwirtschaft erst spät im Lebenszyklus der Immobilie einen Mehrwert generiere. Bei der Berechnung der Barwerte («Present Value») haben Cashflows in weiter Zukunft nur einen minimalen Effekt auf den heutigen Wert.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.