27. November 2023

Forschung,

Märkte

Rückblick: Konferenz «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2023»

Rückblick: Konferenz «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2023»

Der Schweizer Immobilien- und Baumarkt ist im Wandel, geprägt von steigenden Erstellungskosten, zunehmender Regulierung und einem akuten Wohnraummangel. Im Rahmen der Konferenz «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2023» wurden die neuesten Erkenntnisse zur nachhaltigen Entwicklung präsentiert und wegweisende Themen wie Mehrwertausgleich und erneuerbare Energielösungen eingehend diskutiert und kritisch beleuchtet.

Ein Artikel von Joël Ettlin

Am 15. November 2023 hat Prof. Dr. Christian Kraft zur Konferenz über «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2023» in Rotkreuz am IFZ eingeladen.

Im Zuge der Konferenz eröffnete Prof. Dr. Christian Kraft mit einem Blick auf die gegenwärtigen Herausforderungen im Schweizer Immobilienmarkt. Dabei zeichnete sich eine Abnahme der geplanten Bauprojekte ab, sowohl in Bezug auf die Summe der neu geplanten Wohnungen als auch auf die Anzahl der Umbauten und Erweiterungen.

Eine kritische Betrachtung der Situation im Neu- und Umbaubereich zeigte, dass die Schliessung der Lücke zum Vor-Corona-Output mit erhöhten Investitionen möglich wäre, aber die derzeitige Marktsituation mit reduzierter Kapitalverfügbarkeit macht dies weniger realistisch. Zudem bindet die ökologische Aufwertung des Bestandes vermehrt Kapital und Kapazitäten, während das Raumplanungsgesetz neue Herausforderungen durch Ortslenkungen mit sich bringt.

Prof. Dr. Kraft thematisierte auch die gegenwärtige Bevölkerungsanteile, die weiterhin auf fossile Energieträger zur Beheizung angewiesen sind. Trotz einiger positiver Entwicklungen in einigen Städten offenbarten die Daten eine herausfordernde Realität: In den meisten Schweizer Städten heizen heute noch immer viele Menschen mit Gas oder Öl, was die ökologische Transformation behindert und den Handlungsbedarf im Bestand unterstreicht.

Dr. Leonard Fister, Dozent an der Hochschule Luzern – Wirtschaft, IFZ, vertiefte die Diskussion mit dem Fokus auf die zahlreichen Dimensionen der Nachhaltigkeit im Immobilienbereich. Er hob den signifikanten Anstieg der Finanzierungskosten für Schweizer Immobilien im ersten Quartal 2023 auf CHF 2.8 Milliarden hervor und betonte die essenzielle Rolle eines holistischen Ansatzes aufgrund der Marktentwicklung.

Mit einer vertieften Analyse der ersten Dimension, der Lage, verdeutlichte er, wie gut vernetzte Gebiete eine Fülle an Arbeitsstätten in unmittelbarer Nähe bieten und kurze Wege zu Freizeiteinrichtungen ermöglichen. Angesichts von 85% der Wohngebäude mit lediglich drei Stockwerken empfahl er eine höhere Bebauungsdichte und Gebäudehöhe in diesen Gebieten, um Landnutzung zu optimieren.

Des Weiteren beleuchtete Dr. Fister die Zusammenhänge zwischen CO2-Emissionen im Betrieb und der Nutzung fossiler Energie in städtischen Gebieten. Er zeigte auf, dass Sanierungsmassnahmen in Städten der Bevölkerung zugutekommen könnten. Abschliessend unterstrich er die Bedeutung einer umfassenden Bewertung der Nachhaltigkeit, um effektive Handlungsoptionen und Investitionsmöglichkeiten mit maximalem Einfluss zu identifizieren.

Wohnraumforschung und Stadtdynamik: Neue Perspektiven

Markus Koschenz, Dozent an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur, präsentierte innovative Techniken zur Vermeidung von Hitzeentwicklung auf Arealen. Der Fokus lag auf interaktiven Quartierklimamodellierungen, die eine schnelle Simulation ermöglichen, um den Komfort sowohl im Aussen- als auch im Innenbereich zu optimieren. Das Modellierungsverfahren basiert auf physikalischen Mechanismen und integriert Strahlung, Schatten, Speicherung, Strömung und Zeitabhängigkeit. Durch die Nutzung von Revit beeinflussen die Ergebnisse den Entwurfsprozess, indem sie physiologisch äquivalente Temperaturen (PET), Oberflächentemperaturen und Luftgeschwindigkeiten analysieren.

Die Auswertung des Modells zeigt die äquivalente Raumtemperatur über den Tag und die Jahreszeiten hinweg. Anhand dieser Daten können gezielte Massnahmen wie die Integration von Segeln in Innenhöfen zur Reduzierung der Wärmebelastung vorgenommen werden. Die Quartierklimamodellierung bietet somit eine vielfältige Anwendung, indem sie Variantenvergleiche ermöglicht, den Einfluss von Bauvorhaben auf Nachbarareale quantifiziert und als Instrument für die Kommunikation zwischen Auftraggebern, Planern und Behörden fungiert. Die Verfügbarkeit des QKM-Addins für Revit wird für 2023 erwartet.

Alexa Bodammer, Dozentin an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, thematisierte eine tiefgehende Analyse zur Eignung von Hochhäusern für nachhaltiges städtisches Wachstum. Eine wesentliche Feststellung war, dass die Agglomeration in die Höhe wächst, während in den Innenstädten weniger Hochhäuser gebaut werden. Die Bautätigkeit von Hochhäusern war besonders ausgeprägt in den 1970er Jahren, wobei in den letzten Jahren wenig Neubautätigkeit stattgefunden hat. Zudem offenbarte sie, dass nur ein geringer Anteil der Wohnbevölkerung in Hochhäusern lebt.

Bodammer betonte die Wichtigkeit von Anpassbarkeit und Flexibilität in Hochhäusern, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Lebensphasen der Bewohner gerecht zu werden. Zudem wies sie darauf hin, wie die Gestaltung von Innen- und Aussenräumen die soziale Nachhaltigkeit beeinflussen kann. Ihre Forschung zeigte, dass quartiersbezogene Aspekte, wie Stadträume und Nachbarschaftsstrukturen, entscheidend für die soziale Integration in Hochhäusern sind.

Urbaner Wohnraum: Lock-In-Effekt und steigende Mietbelastung

Die Einführung von Daniel Baur, Co-Founder von emonitor AG, in den Nachfragemonitor für Mietwohnungen beleuchtete die ineffiziente Nutzung des Schweizer Wohnraums. Der Monitor erfasst sozioökonomische Daten und bietet Einblicke in verschiedene Markttypen.

Beispiele aus der Züricher Region verdeutlichten, wie Einkommensklassen und Haushaltstypen unterschiedlich auf verschiedene Wohnungsoptionen reagieren. Familien bevorzugten beispielsweise preisgünstigere Genossenschaftswohnungen gegenüber teuren Neubauprojekten. Baur zeigte auch, dass Singlehaushalte, insbesondere im unteren Einkommensdrittel, übermässig viel Wohnfläche beanspruchen.

Dr. Daniel Steffen von der Hochschule Luzern – Wirtschaft behandelte den Nachfragemonitor und dessen Rolle bei der Markttransparenz im Mietwohnungsmarkt vertieft. Der Lock-In-Effekt führt laut Steffen dazu, dass Haushalte in ihren langjährigen Wohnungen bleiben, selbst wenn diese nicht mehr ihren Bedürfnissen entsprechen, was den Markt illiquide macht.

Laut Steffen liegt die Mietbelastung vieler Haushalte nahezu überall bei rund 20%, wobei Haushalte mit niedrigem Einkommen oft an der Grenze von einem Drittel ihres Einkommens für Miete sind. In städtischen Regionen ist der Lock-In-Effekt besonders stark ausgeprägt, da ein Umzug in eine neue Wohnung für viele Haushalte finanziell nicht mehr möglich ist. Ein Umzug in eine neue Wohnung kostet im Durchschnitt 2,4% des Haushaltseinkommens.

Die ineffiziente Zuweisung von Wohnraum wurde anhand von Beispielen verdeutlicht, wie beispielsweise Familien, die sich für viele Wohnungen bewerben, jedoch eher Singles den Zuschlag erhalten. Die Diskrepanz zwischen Bestands- und Neuvermietungen führt dazu, dass Wohnungen nicht denjenigen zugewiesen werden, die sie eigentlich benötigen. Die steigende Wohnungsknappheit in urbanen Gebieten verschärft die Problematik zusätzlich.

Daniel Steffen zog das Fazit, dass die Verschärfung der Wohnungsknappheit droht, solange wenige neue Wohnungen geplant sind und bestehender Wohnraum ineffizient genutzt wird. Etwa 85% aller Mieterhaushalte könnten vorübergehende Mietzinssteigerungen verkraften, während die verbleibenden 15% zunehmend Schwierigkeiten haben werden, neue Wohnungen zu finden. Steffen betonte daher die Notwendigkeit, neue Angebote zu schaffen und Anreize für verstärkten Wohnungsbau in städtischen Gebieten zu setzen. Allerdings warnte er davor, dass eine verstärkte Marktregulierung zum Schutz dieser 15% die Bauaktivität reduzieren und letztendlich zu einer nachhaltigen Knappheit mit steigenden Kosten für alle führen könnte.

Mehrwertausgleich und Stadtentwicklung: Herausforderungen und Perspektiven

Sabrina Contratto, von Cont-S, analysierte Stadtplanungsherausforderungen und präsentierte Lösungsansätze für nachhaltige Raumplanung. Sie betonte, dass in der Schweiz rund 4 Millionen Berufstätige, von denen 71% ausserhalb ihrer Wohnorte arbeiten. Der Vortrag beleuchtete den Einfluss von Weltkrieg und Industrialisierung auf das Bevölkerungswachstum, wodurch der traditionelle Zonenplan oft der Quantität vor der Qualität den Vorzug gibt. Dies führt zu monotonen Siedlungen, steigendem Verkehr und hohen Bodenpreisen. Contratto unterstrich auch die Herausforderungen hoher Mieten und Haushaltsverdrängung in städtischen Gebieten, die einen Teufelskreis verursachen. Geistersiedlungen und fehlende öffentliche Dienstleistungen sind direkte Auswirkungen des starren Zonenplans.

Sabrina Contratto stellte die «UrbanVision» vor, einen neuen datenbasierten Ansatz für nachhaltige Raumplanung. Dieser Ansatz integriert Daten und Expertenwissen, um Stadtentwicklung dreidimensional zu visualisieren und berücksichtigt Energie, Wirtschaft, Zonen und andere relevante Parameter. «UrbanVision» basiert auf Konzepten wie der «10-Minuten-Stadt» und beachtet das Verhältnis von Beschäftigten zu Bewohnern sowie zukünftige Entwicklungen. Ihr Ziel ist es, nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern und Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen zu erleichtern. Anhand von Beispielen wie der Oberstadt Baden und dem Talkessel Schwyz illustrierte sie die praktische Umsetzung ihres Ansatzes und bekräftigte die Bedeutung von Planung und Nutzung öffentlicher Räume für eine widerstandsfähige Stadt.

Dr. Nicola Haas, Refolio AG, präsentierte einen Einordnungsversuch zum Thema «Mehrwertausgleich als Verdichtungsbremse?». Haas begann mit einer detaillierten Erklärung des Mehrwertausgleichs (MWA), der als staatliche Abgabe auf den durch Planungsmassnahmen entstehenden Mehrwert eines Grundstücks definiert ist. Dabei verdeutlichte er, dass der Mehrwert durch die Differenz zwischen den «Verkehrswerten» des Grundstücks vor und nach einer Planungsmassnahme ermittelt wird. Dieser Prozess unterliegt einem Abgabesatz von 20% bei Einzonungen und bis zu 40% bei Um- oder Aufzonungen.

Des Weiteren erläuterte Haas das zweistufige Erhebungsverfahren des MWA, bestehend aus Festsetzungsverfügung und Bezugsverfügung. Dabei betonte er die Latenzphase, in der der Mehrwertausgleich bei Baufreigabe fällig wird und verdeutlichte die mögliche Analogie des MWA als eine Art Bausteuer, die erst beim Bauprozess entrichtet wird. In Hinblick auf die Auswirkungen des MWA auf die Verdichtung von Bauvorhaben diskutierte Haas verschiedene Effekte. Er thematisierte die Finanzierung und Liquidität, indem er darauf hinwies, dass der MWA zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf führen kann, wenn noch keine Einnahmen vorhanden sind. Zudem sprach er über Opportunitätskosten sowie die Projektbewertung im Kontext des Mehrwertausgleichs.

Haas hob in einer Randbemerkung die erhebliche Bürokratie hervor, die mit dem MWA verbunden ist. Anhand eines Gedankenexperiments zur Aufzonung von Zürich legte er den administrativen Aufwand dar und wies auf mögliche Verluste hin, welche der Staat anfangs erleiden könnte.

Abschliessend fasste Haas zusammen, dass trotz einiger Erkenntnisse noch vieles unklar bleibt. Er hielt fest, dass der Mehrwertausgleich tendenziell der inneren Verdichtung entgegenwirken könne, indem er die Finanzierbarkeit von Bauprojekten mit Flächenerweiterung erschwert, im Gegensatz zu Projekten ohne Flächenausweitung. Er regte ausserdem an, die Auswirkungen des MWA auf ökologische Nachhaltigkeitsaspekte zu überdenken, wie die Förderung von Sanierung statt Neubau sowie die Implementierung von MWA-Fonds zur Dekarbonisierung.

Die Energiewende im Fokus: Innovative Lösungen für nachhaltige Gebäude

Joshua Good von Energie Zukunft Schweiz zeigte eine fesselnde Analyse zum Thema «Technologischer Fortschritt: Erneuerbare Energielösungen für den Bestand» auf. Good begann seine Ausführungen mit einem Vergleich der technologischen Entwicklung von 1900 bis 1913 in New York, wo Pferdekutschen innerhalb von lediglich 13 Jahren von Automobilen abgelöst wurden. Er unterstrich die bedeutsamen disruptiven Veränderungen und zog Parallelen zur aktuellen Phase der Energiewende, die weg von fossilen Brennstoffen hin zu nachhaltigeren Energiequellen führt.

Good hob die Bedeutung von Gebäuden für 25,8% der Schweizer Treibhausgasemissionen hervor und präsentierte Schlüsselstrategien bis 2050: Erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Wärmeerzeugung. Er brachte das Potenzial der Solarenergie für 40% des Schweizer Stroms bis 2050 zum Ausdruck. 70% neuer Heizungen sind zudem Wärmepumpen. PV-Anlagen verzeichneten 2023 einen Rekord-Zubau von über 1,3 GW, was 7% des Schweizer Stromverbrauchs ausmacht.

Bezüglich Energieeffizienz betonte Good, dass der Energieverbrauch in Gebäuden rückläufig ist. Good beteuerte zudem die Wichtigkeit der Überwachung und des Betriebs von Energieanlagen wie Solarthermieanlagen und Wärmepumpen, da in vielen Fällen die Anlagen nicht effizient arbeiten, was zu einem unnötig hohen Stromverbrauch führt. Zum Schluss unterstrich Good, dass neue Energiesysteme auch in urbanen Gebieten umsetzbar sind und forderte weiterhin innovative Ansätze, um den Übergang zu erneuerbaren Energien voranzutreiben.

Mit der letzten Panel-Diskussion beendete Prof. Dr. Christian Kraft die Konferenz über «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2023» und eröffnete damit das Mittagessen für spannende Gespräche unter dem Publikum und den Referenten und Referentinnen. Im Anschluss fand am Nachmittag das «Schweizer Bauforum 2023» statt. Das sechste Schweizer Bauforum widmete sich dem Thema «Bauen unter veränderten Vorzeichen» der nachhaltigen Entwicklung unter sich wandelnden ökonomischen und regulatorischen Herausforderungen. Eine Zusammenfassung finden Sie hier.

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