15. April 2025
Am Dienstag, den 8. April 2025, fand im Restaurant Metropol in Zürich das 103. Schweizer Immobiliengespräch statt unter der Leitung von Prof. Dr. Markus Schmidiger. Die Konferenz versammelte Experten aus Forschung, Entwicklung und Genossenschaftsverbänden, um zentrale Herausforderungen im Schweizer Wohnungsmarkt zu diskutieren. Im Zentrum stand dabei die Frage, wie eine sozial gerechte und wirtschaftlich tragfähige Entwicklung künftig gelingen kann, gerade im Hinblick auf steigende Mieten, Bodenknappheit und politische Zielkonflikte.
Ein Artikel von: Jonas Haab
Prof. Dr. Markus Schmidiger von der Hochschule Luzern eröffnete die Veranstaltung mit einem kurzen Ausblick über die aktuellen Entwicklungen am Markt und stellte anschliessend die Gastreferenten des Abends vor.
Prof. Dr. Christian Kraft, Leiter des Kompetenzzentrums Immobilien an der Hochschule Luzern, startete als erster Gastredner mit einer fundierten Analyse zur Leistbarkeit von Mietwohnungen in Zürich. Zwar ist die Mietbelastung für 87,3 % der Haushalte grundsätzlich tragbar, gemessen an einem Schwellenwert von 30 % des Bruttoeinkommens, doch eine differenzierte Betrachtung offenbart erhebliche soziale Spannungen. Besonders Haushalte im unteren Einkommensdrittel sind stark betroffen: Rund die Hälfte von ihnen trägt eine Mietbelastung von über 30 %. Trotzdem bewerben sich etwa 50 % dieser Einkommensgruppe auf Wohnungen, deren Miete 34 % oder mehr ihres Einkommens beansprucht. Ein Wohnungswechsel wird dadurch zur finanziellen Herausforderung, oft sogar zum unüberwindbaren Hindernis.
Kraft zeigte zudem eindrücklich auf, wie sich die Bodenpreise in Zürich seit 2007 mehr als verdreifacht haben. Im Vergleich dazu stiegen die reinen Baukosten im gleichen Zeitraum lediglich um 32,5 %. Damit identifizierte er den Bodenpreis als zentralen Kostentreiber für steigende Mieten. Anhand eines konkreten Beispiels aus Altstetten illustrierte er, dass selbst bei einer kalkulierten Kostenmiete, basierend auf den effektiven Erstellungskosten, der Unterschied zur Marktmiete lediglich 5,7 % beträgt. Eine Senkung des Mietpreises in diesem Ausmass würde jedoch nur rund 4 % mehr der umliegenden Haushalte den Zugang zu dieser Wohnung ermöglichen.
Sein Fazit: Die Herausforderungen des Wohnungsmarkts lassen sich nicht primär über das Mietrecht lösen. Vielmehr braucht es gezielte Strategien in der Raum-, Stadt- und Projektentwicklung. Eine effizientere Flächennutzung, etwa durch Verdichtung oder die Einführung vier- und fünfgeschossiger Bauweisen als Regelstandard, sowie pragmatische Einzonungen an Stadträndern gegen periphere Auszonung könnten mittelfristig zu einer Entspannung beitragen.
Als nächster Redner folgte Stefan Dambacher, Head of Development bei der Allreal Gruppe. Dambacher fokussierte in seinem Beitrag auf die Potenziale, aber auch die Hürden der Innenverdichtung in der Stadt Zürich. Im Rahmen seines Vortrags zeigte er das grosse Potenzial der revidierten Bau- und Zonenordnung (BZO) auf: In der Stadt Zürich bestehen theoretisch rund 10,8 Millionen m² Geschossflächenreserven, wovon etwa 4,3 Millionen m² kurzfristig realisierbar wären. Dies entspricht einem Potenzial von bis zu 100’000 neuen Wohneinheiten – rund 40’500 davon könnten sofort gebaut werden.
Doch warum geschieht das nicht? Dambacher lieferte eine klare Antwort: Investoren würden deutlich mehr bauen, wenn beim Erwerb von Grundstücken klare und verlässliche Rahmenbedingungen herrschten. Fehlende Planungssicherheit, zunehmenden Rekurse, komplexe Gestaltungsplanverfahren, unzureichende Anreize durch den Arealbonus sowie eine zunehmend wachstumskritische politische Grundstimmung verhindern vielerorts eine effiziente Umsetzung selbst BZO-konformer Projekte.
Dambacher schloss mit einem klaren Appell: Für eine wirksame Innenverdichtung braucht es nicht nur bauliche Reserven, sondern vor allem den Abbau ideologischer Gräben und mehr Dialogbereitschaft aller Beteiligten. Er forderte ein mutigeres Auftreten der Behörden gegenüber wachstumskritischen Strömungen sowie eine deutliche Reduktion regulatorischer Hürden, insbesondere durch die Einschränkung von Rekursmöglichkeiten und die Reform überkommunaler Vorgaben wie der ISOS-Gesetzgebung. Zwei konkrete Vorschläge stellte er dabei in den Raum: Entweder eine verbindliche Quote von 30 % preisgünstigen Wohnungen bei stark verdichteten Arealen oder eine Erhöhung des Arealbonus von 10% auf 30% bei gleichzeitig gesenkten Mindestarealgrössen von 6’000m2 auf 3’000m2. Nur so könne der Wohnraumengpass wirksam entschärft werden.
Zum Abschluss brachte Peter Schmid, Vize-Präsident der Wohnbaugenossenschaften Schweiz, eine alternative Perspektive in die Diskussion ein. Er widmete seinen Vortrag der Rolle des Bodens als gesellschaftliches Gemeingut und stellte die Frage, weshalb gemeinnützige Bauträger günstigere Wohnungsmieten anbieten können. Ausgangspunkt seiner Analyse ist die kontinuierlich steigende Mietbelastung: Im vergangenen Jahr stiegen die Mieten um 4,5 %, 60 % der Mietenden fürchten inzwischen den Verlust ihrer Wohnung.
Anhand eines Praxisbeispiels zeigte Schmid, wie Bodenpreissteigerungen die Leistbarkeit von Wohnraum massiv untergraben. Eine Genossenschaft, die im Jahr 2003 Land für CHF 1’000/m² erwarb, müsste heute bei einem Marktwert von CHF 8’000/m² rund CHF 875 Mehrmiete pro Monat allein durch den gestiegenen Landwert einkalkulieren. Nur Anhand des Kostenmieten-Modelles ist es weiterhin möglich tiefe Mieten anzubieten. Dabei werden die Kosten auf den ursprünglichen Landpreisen von 1’000/m2 berechnet. Gemeinnützige Bauträger können mit steigenden Bodenpreisen kaum noch neue Projekte realisieren, ihr Anteil am Wohnungsbau sinkt entsprechend.
Zugleich profitieren Bodeneigentümer von enormen leistungslosen Gewinnen: Rund 70 Mrd. CHF pro Jahr fliessen gemäss Schmid in Form von Bodenrenten an Private und Unternehmen, während gleichzeitig 25,9 Mrd. CHF an gewinnorientierte Immobiliengesellschaften gehen. Diese Umverteilung wirft grundlegende gesellschaftliche Fragen auf, von der sozialen Durchmischung über Mobilität bis hin zum sozialen Frieden.
Sein Appell: Es brauche einen offenen, gesellschaftlichen Diskurs über den Umgang mit Boden, ergänzt durch politische Reformen in Bereichen wie Raumplanung, Mietrecht und Steuerpolitik. Dabei gehe es nicht um ein Gegeneinander von Gut und Böse, sondern um systemische Fragen und darum, was einer nachhaltigen und gerechten Gesellschaft langfristig dient.
In der abschliessenden Diskussion erörterten die Referierenden gemeinsam mit dem Publikum, wie sich bestehende strukturelle Hürden in der Raumplanung abbauen lassen und welche Rolle der gemeinnützige Wohnungsbau künftig spielen sollte. Konsens herrschte darüber, dass ohne neue Anreizsysteme und eine besser abgestimmte Planung zwischen Marktakteuren und öffentlicher Hand der Wohnraumbedarf in Städten wie Zürich kaum zu bewältigen ist.
Uneinigkeit bestand hingegen bei der Frage, welche konkreten Massnahmen zielführend sind: Die Vorschläge reichten von punktuellen Reformen bis hin zu umfassenden Systemveränderungen. Dennoch einigten sich alle beteiligten darauf, dass dringender Handlungsbedarf besteht und dass es einer Kombination verschiedener Lösungsansätze bedarf, um die Herausforderungen nachhaltig zu bewältigen.
Prof. Dr. Markus Schmidiger dankte abschliessend allen Referierenden und Teilnehmenden für die spannenden Beiträge und Diskussionen. Mit Spannung wird bereits das nächste Immobiliengespräch erwartet unter dem Titel: «Finanzierungsstress am Schweizer Immobilienmarkt – Herausforderungen und Chancen für Entwickler und Investoren», das am 4. Juni 2025 im Restaurant Metropol in Zürich stattfinden wird.
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