25. August 2013

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Süsses Gift Immobiliensteuern

Der Immobilienboom der letzten Jahre hat nicht nur die Preise in die Höhe getrieben und damit Immobilienbesitzern Wertsteigerungen beschert, sondern auch den Staat kräftig profitieren lassen. Wüest&Partner hat kürzlich die fiskalischen Effekte der bisherigen Immobilienhausse untersucht. Mit interessanten Ergebnissen.

Geld-Hand

Spätestens seit der Steuerflucht von Gérard Dépardieu wissen wir, dass Privatpersonen (und Firmen) bei einer zu hohen Steuerbelastung ihre Koffer packen und in günstigere Gefilde ziehen. Immobilien haben diese Möglichkeit nicht. Das macht sie für den Steuervogt äusserst attraktiv. Tatsächlich generieren die Immobilien von der Planung bis zum Verkauf verschiedenste Steuern und Gebühren für den Staat, welche von 2002 bis 2010 um über 40% auf rund 5.5 Mrd. Franken pro Jahr gestiegen sind. Dazu kommen noch die Erträge der Eigenmietwertbesteuerung.

Insbesondere touristische Gemeinden sind extrem abhängig von Transaktionssteuern. In St. Moritz etwa machen alleine die Handänderungs- und Grundstückgewinnsteuern im Jahr 2011 rund 46% der gesamten Steuereinnahmen aus, 2007 waren es noch 30%. In urbanen Gebieten mit einem grösseren Anteil von juristischen Personen ist die Bedeutung der Liegenschaftensteuern naturgemäss tiefer.

Solange der Boom anhält, sprudeln diese Geldquellen munter weiter. Sobald die Preise weniger stark steigen oder sogar zurückgehen, werden Grundstückgewinnsteuern, Handänderungsgebühren und andere Liegenschaftensteuern wesentlich tiefer ausfallen.  Gemeinden und Kantone tun somit gut daran, diese in ihrer Finanzplanung nicht als jährlich wiederkehrende Selbstverständlichkeit zu betrachten, sondern deren (zumindest teilweise) aussergewöhnliche Situation einzukalkulieren.

Gefährlich könnte die aktuelle Situation insbesondere für schnell wachsende Gemeinden sein. Wenn in grösserem Umfang Eigentumswohnungen gebaut und verkauft werden, fallen entsprechend hohe Steuererträge an. Diese können gefährliche strukturelle Fehlentwicklungen kaschieren, welche die künftige Finanzsituation der Gemeinde untergraben können.

Insbesondere bei grösseren Einzonungen oder Quartierentwicklungen kann die Nutzerzusammensetzung massive Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen haben. Neue Bewohner bringen nicht nur Steuereinnahmen, sondern brauchen auch zusätzliche Infrastrukturen wie Schulräume, Gesundheitsleistungen, aber auch Abwasserreinigung und Strassen. Insbesondere wenn, wie heute vielerorts üblich, verdichtet gebaut wird, können sich grössere Neubauvorhaben massiv auswirken.

Bei einer Gesamtkostenbetrachtung zeigt sich, dass je nach konkreter Situation der Gemeinde ein Mittelklassehaushalt seine verursachten Zusatzkosten knapp decken kann. Haushalte im preisgünstigen Wohnungssegment dagegen verursachen alleine auf Gemeindeebene ein Defizit von CHF 2’000 – 6’000 pro Jahr. Das ist an sich kein Problem, da unser Gesellschaftssystem ja auf dem Grundsatz der Solidarität beruht. Wichtig ist einzig, dass die Defizite erkannt und kompensiert werden, was durch die Ansiedlung von Arbeitsplätzen oder von gut bis sehr gut verdienenden Haushalten geschehen kann, welche wesentlich mehr Steuern bezahlen als sie an staatlichen Leistungen beziehen.

Wenn, wie heute vielerorts üblich, Eigentumswohnungen gebaut und verkauft werden, wird die Gemeinderechnung aufgrund der Transaktionssteuern massiv aufpoliert. Zusammen mit der Wachstumseuphorie weckt das neue Begehrlichkeiten an die Infrastruktur. Tolle neue Schulhäuser, Bäder, Gemeindesäle etc. werden gefordert und schlimmstenfalls sogar gebaut. Kurz nachdem die letzte Etappe abgeschlossen ist und die Erträge aus Immobilentransaktionen wegfallen zeigt sich das Ausmass der strukturellen Probleme. Dann ist es jedoch zu spät.

Verschiedene schnell gewachsene Gemeinden stellen fest, dass sie sich eine zu teure Infrastruktur aufgebaut haben und mit einem gewissen Abflachen des Wachstums ihre Steuern erhöhen müssen. Zu stark allerdings auch nicht, weil sonst die besten Steuerzahler vertrieben werden.

Gemeinden sind gut beraten, wenn sie sich von den hervorragenden Immobiliensteuererträgen der letzten Jahre nicht die Sicht vernebeln lassen. Die Auswirkungen von Einzonungen und Neubauprojekten können gut simuliert werden, so dass die zugrunde liegenden Mechanismen schnell und klar erkennbar werden. Es braucht den politischen Willen zu Klarheit, Transparenz und öffentlichem Diskurs anstelle von unreflektierten populistischen Forderungen jeglichen Couleurs. Ansonsten ist der Kater garantiert.

(Dieser Artikel erschien am 2.8.2013 auch als Kolumne in der «Zentralschweiz am Sonntag»)

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Kommentare

3 Kommentare

Franco Tortorici

29. Juni 2016

Vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel. Auch in München verzeichnen wir ein sehr hohes Preisniveau. Wir denken das die Preise weiter hoch gehalten werden.

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Süsses Gift Immobiliensteuern | Immobilien...

27. August 2013

[...] Der Immobilienboom der letzten Jahre hat nicht nur die Preise in die Höhe getrieben und damit Immobilienbesitzern Wertsteigerungen beschert, sondern auch den Staat kräftig profitieren lassen.  [...]

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Weichselgartner Immobilien

26. August 2013

Auch in München sind wir auf einem sehr hohen Niveau was die Preise betrifft. Aktuell ist Wahlkampf und es wird nur on der Öffentlichkeit berichtet, wie die Preise gedrückt werden sollen. Wenn ich ihren Artikel zugrunde lege, dann ist aber davon auszugehen, dass sich Länder, Städte und Gemeinden nicht ins eigene Fleisch schneiden wollen und es wohl beim Versprechen bleibt. Ich werde es auf jeden Fall beobachten.

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