3. April 2014
Gebannt schauen Vermarkter auf Google, Facebook, Twitter und Co. und hoffen, neue Allerheilmittel für Vermarktungsprobleme zu finden. Die neuen Medien verändern das Immobilienmarketing tatsächlich, aber vielleicht doch nicht ganz so grundlegend, wie viele meinen.
Sich entscheiden ist eine schwierige und ungeliebte Tätigkeiten. Genau das ist aber das Ziel von Marketing und Verkauf: Den Interessenten dazu zu bringen, sich zu entscheiden und zwar nicht irgendwie, sondern im Sinne des Senders. Somit sind Marketing und Verkauf uralte, allen Lebewesen immanente Tätigkeiten, angefangen bei der Brautwerbung, über die Festlegung des gemeinsamen Ferienziels, bis zum Verkauf und zur Vermietung von Wohnungen und Büros.
Die Immobilienbranche ist erst in den letzten Jahren auf den Marketing-Geschmack gekommen. In Zeiten von Knappheit, tiefen Leerstandsraten und guter Absorption war Marketing nicht nötig. Man hat Quadratmeter gebaut und diese Verteilt. Kundenorientierung war nicht gross notwendig und wurde auch häufig nicht gelebt.
Mit zunehmend komplexeren Projekten, einem Überangebot an Büroflächen und zurückgehender Nachfrage im Luxusbereich wurden Vermietung und Verkauf schwieriger. „Marketing“ hielt Einzug in der Immobilienbranche. Mehr und mehr tauchten phantasievolle Namen, farbige Logos und kreative Internetseiten für Überbauungen auf.Marketing ist aber mehr als nur phantasievolle Logos und schöne Broschüren. Im Kern geht es darum, das Produkt und das gesamte Unternehmen konsequent am Markt auszurichten, um den Kunden möglichst genau das zu bieten, was sie wollen. Das war früher so und wird sich auch durch die neue Medien- und Internetwelt nicht ändern.
Einige entscheidende Punkte haben sich jedoch schon verändert und werden für erfolgreiches Marketing zunehmend wichtiger. Wer erfolgreich sein will, muss sich darauf einstellen können.
Werbebotschaften werden ersetzt durch Empfehlungen
Nach jahrzentelanger Berieselung mit Werbe- und PR-Botschaften haben Konsumenten die Maschen der Werber durchschaut und glauben kaum mehr, was ihnen die Werbung verspricht. Selbstbeweihräucherung, bzw. Botschaften, die vom Verkäufer direkt geschickt werden verlieren zunehmend an Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit. Werbe- und PR-Botschaften werden je nach Kanal nur noch von 30 – 45% der Konsumenten als „mehr oder weniger vertrauenswürdig“ eingeschätzt. Demgegenüber betrachten über 90% Empfehlungen von ihnen bekannten Personen als „vertrauenswürdig“. Empfehlungen von unbekannten Personen (z.B. Onlinebewertungen) erreichen rund 70%, während redaktionelle Beiträge in Zeitungen oder anderen Medien von rund 60% als vertrauenswürdig eingeschätzt werden.
Die Herausforderung besteht somit darin, die traditionellen Werbe- und PR-Botschaften durch Empfehlungen zu ergänzen. Das ist doppelt wichtig, weil die modernen Medien die Reichweite von Empfehlungen multiplizieren. Wurden positive und negative Erfahrungen früher vielleicht 10-20 Personen mitgeteilt, können sie heute auf Online-Bewertungsportalen oder in Facebook problemlos einige Hundert bis einige Tausend Personen erreichen.
Wer Empfehlungen will, muss seine Kunden langfristig glücklich machen und immer wieder positiv überraschen! Nicht alle werden es schaffen, sich eine so aktive und überzeugte Fangemeinde aufzubauen wie Apple. Aber für alle ist es wichtig, die Kundenerlebnisse so zu gestalten, dass sie bei den Kunden nachhaltig positiv in Erinnerung bleiben. Letztendlich sind es die ganz konkreten Erlebnisse, die darüber entscheiden, ob der Kunde das Unternehmen weiter empfiehlt oder vom Kontakt abrät
Gute und schlechte Leistungen werden transparenter
Der Kunde erlebt das Unternehmen an sehr unterschiedlichen Punkten. Die Interaktion findet nicht mehr nur am Telefon und im persönlichen Kontakt statt, sondern vermehrt auch virtuell: teilweise auf Gefässen, die der Anbieter selbst bereitstellt, wie etwa der Firmenhomepage, verstärkt aber auf Plattformen von Drittanbietern, auf die nur ein geringer oder gar kein Einfluss besteht.
Was auf Suchplattformen, Buchungssystemen, Bewertungsportalen oder in Facebook, Twitter und YouTube verbreitet wird, erreicht in der Regel eine wesentlich grössere Gemeinde, als die Botschaften auf der eigenen Internetseite. Positive und negative Kundenerlebnisse und Einschätzungen können sich damit in kürzester Zeit praktisch weltweit verbreiten, ohne dass das Unternehmen davon weiss, geschweige denn diese beeinflussen könnte.
Für Unternehmen stellt sich damit einerseits die Frage, wieweit die Diskussionen auf diesen Plattformen beobachtet werden können, damit positive und negative Entwicklungen frühzeitig erkannt und soweit notwendig und möglich Massnahmen ergriffen werden können. Das ist heute mit entsprechenden Tools relativ einfach möglich.
Andererseits ist es entscheidend, zufriedene Geschäftspartner dazu zu bringen, ihre positiven Erfahrungen mitzuteilen und bei schlechten Bewertungen ggf. positive Kontrapunkte zu setzen. Drittens geht es darum, sicherzustellen, dass das Unternehmen selbst auf diesen Plattformen in hohem Masse mit positiven Informationen vertreten ist. Dazu eignen sich Firmenblogs oder Diskussionsbeiträge. Allerdings ist deren Werbegehalt sehr vorsichtig zu dosieren, da Falschaussagen oder übermässig marktschreierische Informationen meist schnell durchschaut werden und zu geharnischten Reaktionen, im Extremfall zu sog. „shitstorms“ führen.
Das Schaufenster wird digital
Die Erfahrung zeigt, dass sich die Interaktion und der Kaufprozess nur sehr selten vollständig ins Internet verlagern. In den meisten Fällen nutzen die Kunden beides. Häufig indem sie zuerst online recherchieren und danach den effektiven Kaufprozess offline im direkten Kontakt vollziehen. Das bedeutet, dass die Chance auf einen persönlichen Kontakt immer stärker vom Eindruck abhängt, den das Unternehmen und die Mitarbeiter online hinterlassen. Für das Unternehmen stellt sich nun die Frage, wie es bei diesem online-Informationsprozess möglichst häufig und möglichst positiv auftaucht. Dazu reichen simple Werbebotschaften und Selbstdarstellungen schon längst nicht mehr. Gefragt ist mehr und mehr inhaltliche Kompetenz, die dem potentiellen Kunden z.B. mit Blogbeiträgen, Checklisten, eBooks, Anleitungen, Hilfestellungen gegeben werden können.
Die Informationsmöglichkeiten im Netz sind fast unendlich und werden ausgiebig genutzt. Zu den meisten Fragen finden die potentiellen Kunden Antworten und Meinungen. Dabei bilden sie sich eine Meinung über die Anbieter. Genau wie im richtigen Leben sind uns dabei Personen und Unternehmen, die vor allem über sich selbst reden und schrieben wesentlich weniger sympathisch als solche, die unsere Fragen und Anliegen aufnehmen und dazu brauchbare Informationen und Antworten liefern. Internetauftritte nach dem klassischen Schema „Unser Unternehmen“ – „Unsere Produkte“ – „Unsere Referenzen“ erfüllen dieses Bedürfnis bei weitem nicht, sondern sind im Gegenteil eher kontraproduktiv. Auftritte, die sich an den Anliegen der gewünschten Kunden orientieren und dazu nützliche Informationen liefern, schaffen eine andere Verbundenheit, demonstrieren Kompetenz und Kundenorientierung und erhöhen die Chance, dass es zu einem Kontakt kommt erheblich.
Marketing ist Chefaufgabe: online und offline
Die neuen Medien offerieren fast unbeschränkte Möglichkeiten. Viele davon sind Spielereien und werden schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Einige wenige jedoch werden für Ihr Unternehmen langfristig überlebenswichtig sein. Welche das sind, unterscheidet sich je nach Geschäftsfeld und Kundengruppe erheblich. Diese zu identifizieren und erfolgreich einzusetzen ist eine überlebenswichtige Aufgabe.
Nach wie vor gilt es, für erfolgreiches Marketing vorerst die Hausaufgaben zu machen und wesentliche strategischen Fragen nach der Zielgruppe, deren Bedürfnissen, der Konkurrenz, dem eigenen Marktauftritt und den zentralen Erfolgsfaktoren zu beantworten. Erst dann macht es Sinn, darüber zu diskutieren, welche der neuen Möglichkeiten für Ihr Unternehmen relevant sind und wie sie diese „bespielen“ können. In diesem Kontext ist es dann sinnvoll, ein umfassendes Leistungs- und Kommunikationsmodell zu entwickeln, das medienübergreifend sowohl online- als auch offline-Möglichkeiten integriert.
Die heute leider häufig zu beobachtende Social Media Hektik, die sich darauf konzentriert, möglichst viele Facebook Likes zu erhalten ist kaum der richtige Weg. Ohne klare Richtung und damit ohne Engagement und Involvement der obersten Führung werden kaum effektive Resultate zu erreichen sein.
Mehr zum Thema erfahren Sie an der IFZ-Konferenz Immobilienvermarktung vom 8.5.2014 in Zug.
Infos und Anmeldung hier.
Dieser Beitrag erschien am 28.3.2014 in der Zeitschrift «Die Baustellen«.
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Kommentare
1 Kommentare
Immobilienmarketing goes Social: Alter Wein in ...
9. April 2014
[…] Gebannt schauen Vermarkter auf Google, Facebook, Twitter und Co. und hoffen, neue Allerheilmittel für Vermarktungsprobleme zu finden. […]
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