9. Oktober 2017
Die „Ökonomie des Teilens“ erlebt unter dem Stichwort „Sharing Economy“ derzeit einen ungeahnten Aufschwung und verfügt über das Potential, ganze Branchen zu revolutionieren. Es entwickeln sich laufend neue Plattformen, die das Teilen als ihr Geschäftsmodell verstehen und traditionellen Unternehmen zunehmend Sorge bereiten. Trotz einiger Paradebeispiele sind aber längst nicht alle Sharing Plattformen erfolgreich. Auch verschiedene rechtliche Fragen zur Sharing Economy sind bis heute ungeklärt.
Markus Schmidiger, Sonja Züger
Die Ökonomie des Teilens erlebt zurzeit einen ungeahnten Aufschwung. Unter dem Stichwort „Sharing Economy“ bilden sich neue Geschäftsmodelle, die als revolutionär gelten und rege diskutiert werden. Teilen ist grundsätzlich nichts Neues, doch technologische Entwicklungen, wie die vereinfachte und verbreitete mobile Internetnutzung, damit einhergehend sinkende Transaktions- und Informationskosten sowie die Ausdehnung der geografischen Reichweite verleihen der Sharing Economy in der heutigen Zeit besonderen Auftrieb. Sowohl weltweit verbreitete Sharing-Konzepte wie Uber und AirBnB wie auch lokal ausgerichtete Konzepte, wie etwa Mobility Carsharing verfügen über das Potential, ganze Branchen zu revolutionieren und lösen damit bei traditionellen Unternehmen zunehmend Unsicherheit aus (vgl. Eichhorst & Spermann, 2015, S. 3.).
Dieser Artikel beschreibt die Bedeutung und Entwicklung der „Sharing Economy“ und zeigt, welche Güter und Dienstleistungen von welchen Marktteilnehmern geteilt werden. Ausserdem werden wirtschaftliche und ordnungspolitische Auswirkungen der Ökonomie des Teilens beschrieben und mögliche Auswirkungen auf die Immobilienbranche identifiziert.
In ihren Grundzügen besteht die Ökonomie des Teilens schon seit hunderten von Jahren. Früher wurden alle lebensnotwendigen Dinge im Kreise der Familie, innerhalb der Dorfgemeinschaft oder auf einem Markt geteilt. Das Teilen bildete in der Menschheitsgeschichte das Fundament des menschlichen Zusammenlebens (vgl. Frick, Hauser & Gürtler, 2013, S. 6.). Aufgrund zunehmenden Wohlstands wurde im 20. Jahrhundert immer weniger geteilt und es setzte eine gegenläufige Tendenz ein: Im Rahmen des entstehenden Massenkonsums beanspruchte jeder Konsument seinen ihm gemäss seiner Kaufkraft „zustehenden“ Teil. Produkte und Besitz wurden zu wichtigen Statussymbolen und definierten die persönliche Identität sowie den Wert des Menschen. Aufgrund der Ressourcenverknappung in vielen Bereichen sowie mit einer neuen Generation, die den Massenkonsum generell kritisch betrachtet, scheint sich das nun aber zu ändern (vgl. Frick, 2013, S. 73). Mobiles Internet, Smartphones, soziale Medien und eine globale Vernetzung machen das Teilen von Gütern und Dienstleistungen wieder deutlich einfacher, denn mit geringem Aufwand können nun beliebig grosse Menschenmengen zu praktisch jeder Zeit angesprochen und erreicht werden. Nie zuvor war das Teilen von Produkten und Dienstleistungen so unkompliziert und mit so wenig Aufwand verbunden wie heute. Beinahe täglich entstehen neue Plattformen und Anwendungen, die „Teilen“ als Grundlage ihres Geschäftsmodells betrachten (vgl. LfM, 2013, S. 4-5).
Deloitte (2015, S. 3) prognostiziert, dass sich innerhalb der kommenden zwölf Monate 55 % der Schweizer Konsumenten in irgendeiner Form an der Sharing Economy beteiligen werden. Im Jahr 2015 erzielte die globale Sharing Economy einen Umsatz von 15 Mrd. Dollar. Für die kommenden fünf Jahre wird ein Wachstum von 25-30 % pro Jahr erwartet (vgl. Chappex & Keller, 2016, S. 40).
Obwohl die „Sharing Economy“ zunehmend an Bedeutung gewinnt, gibt es bis heute keine einheitliche Definition darüber, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass es sich bei der Sharing Economy um „Marktplätze“ handelt, die Anbieter und Nachfrager von nicht oder zweitweise nicht genutzten Ressourcen über das Internet zusammenbringen. Im Gegensatz zur „klassischen Ökonomie“ werden hier Güter und Dienstleistungen den Käufern meist nicht von Unternehmen angeboten oder verkauft, sondern Private bieten Güter und Dienstleistungen anderen (Privat-)Personen zur vorübergehenden Nutzung an. Grundsätzlich umfasst die Sharing Economy alle Arten von Gütern und Dienstleistungen (vgl. Dittmann & Kuchinke, 2015, S. 244-245).
Allerdings muss festgestellt werden, dass die Modelle der „Sharing Economy“ kaum neue Mechanismen im Vergleich zur Standard Economy eingeführt haben (vgl. Dittmann & Kuchinke, 2015, S. 254f). Zumeist geht es darum, dass bestehende Mechanismen wie Garage-Sale, Tauschbörsen, Nachbarschaftshilfe, Vermietung oder Ähnliches auf Internetplattformen transferiert und dort angeboten werden. Damit werden einzelne oder mehrere der folgenden Vorteile erreicht:
Damit werden unter dem Begriff „Sharing Economy“ nicht nur einem alturistischen Teilen verpflichtete Modelle subsumiert, sondern auch solche, die klar klassischen ökonomischen Prinzipien folgen und entweder das Prinzip der Markttransparenz und der Transaktionskostenreduzierung in den Vordergrund stellen (Access-Economy) oder aber solche, die Märkte für Privatanbieter öffnen (Peer-to- Peer-Economy / P2P-Economy) und damit für Marktteilnehmer zugänglich machen, die anderen Kostenstrukturen und teilweise geringeren Regulierungen unterliegen, weshalb sie ihre Leistungen wesentlich günstiger anbieten können (vgl. Kessler, 2015). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf alle drei Spielarten, da sie in der Regel unter dem Begriff „Sharing Economy“ zusammengefasst werden.
Grundsätzlich können fünf Kategorien unterschieden werden, in denen sich „Sharing“ entwickelt (in Anlehnung an Schor, 2015):
Recycling von Produkten. Ebay und Craigslist zählen hier zu den Pionieren: Bekannte Konzepte wie Secondhand-Shops, lokale Tauschbörsen oder „Garage-Sales“ werden ins Internet verlagert. Diese virtuellen Marktplätze erhöhen die Transparenz und die geografische Reichweite und senken gleichzeitig den Such- und Transaktionsaufwand erheblich. Durch das Einführen von Nutzerfeedbacks und – bewertungen wird die Sicherheit in Bezug auf die Verkäufer deutlich erhöht. Mittlerweile existieren neben den grossen Seiten auch viele spezialisierte Marktplätze für Nischenmärkte. Zudem hat sich insbesondere Ebay auch zu einem Absatzkanal für neue Produkte entwickelt.
Bessere Nutzung von langfristigen Gütern. Viele Haushalte verfügen über Güter, die sie nur sporadisch nutzen, wie z. B. Gästezimmer, Bohrmaschinen, Rasenmäher, Parkplätze oder ähnliches. Früher gab es in ärmeren Kommunen in den USA sogenannte „Tool Libraries“: Eine Art „Bibliothek“, jedoch nicht für Bücher, sondern zum Zweck, hier Alltagsgegenstände ausleihen zu können (vgl. Schor, 2015). Mit Portalen wie NeighborGoods.net oder TorontoTool-Library.com entstanden Plattformen, die diesen Tausch für Nachbarschaften vereinfachen und institutionalisieren wollen. Oft sind die entsprechenden Initiativen crowdfinanziert und mit einem Fokus auf Community-Building ausgerichtet. Was in der Theorie logisch scheint, war in der Praxis bisher oftmals nur wenig erfolgreich. Viele Plattformen wurden wieder geschlossen und selbst NeighborGoods, die nach einer erfolgreichen Anfangs- phase von einem Privatinvestor gerettet wurde, zählt heute nur rund 10‘000 aktive Nutzer (vgl. Kessler, 2015). In der Praxis scheint es den Menschen trotz allem zu aufwändig, diese relativ günstigen Güter zu suchen, irgendwo abzuholen und danach auch wieder zurück zu bringen.
Durchgesetzt haben sich stark ökonomisch- und transaktionsorientierten Varianten wie AirBnB oder Uber. Denkbar ist, dass in Zukunft vermehrt Produkte, die heute vermietet werden, auch von nicht-professionellen Anbietern auf Sharing- Plattformen angeboten werden.
Tausch von Dienstleistungen. Schon immer haben sich Menschen ehrenamtlich für andere eingesetzt. Mit dem Konzept von „Zeitbanken“, wie etwa zeitbank.net, oder auch mit verschiedenen Initiativen, die beispielsweise in der Altersarbeit Zeitgutschriften für den freiwilligen Einsatz geben, ist auch dieses Konzept nicht neu, wird aber durch das Internet in neue Dimensionen geführt hinsichtlich Transparenz, Zugänglichkeit und Reichweite. Auch in diesem Bereich hat sich gezeigt, dass vielen der ursprüng-ich idealistisch und sozial motivierten Initiativen der Durchbruch verwehrt blieb, bzw. die Nutzerzahlen sehr klein geblieben sind. Durchgesetzt haben sich kommerziell ausgerichtete Plattformen wie TaskRabbit.com oder Mechanical Turk von Amazon, die jedoch wenig mit dem Sharing-Gedanken zu tun haben, sondern letztlich als Vermittlungsplattformen den Zugang zu (häufig professionellen) Handwerkern oder Dienstleistern erleichtern.
Teilen von Produktionsmitteln. Genau wie Haushalte verfügen auch Firmen immer wieder über Produktionsmittel, die sie nicht voll auslasten. Diese können anderen zur Verfügung gestellt oder von anderen dann bezogen werden, wenn sie gebraucht werden. Dies war früher typischerweise das Geschäftsmodell der Kooperationen und Genossenschaften. Heute sind es Coworking Spaces oder Plattformen, die es erlauben, ungenutzte Meetingräume oder Büros stunden- oder tageweise zu buchen. Darüberhinaus machen Plattformen wie Skillshare.com etwa auch Ausbildung breit und zu geringen Kosten zugänglich.
Crowdsourcing. Internetplattformen ermöglichen den einfachen und direkten Zugang zu einer Vielzahl von Einzelpersonen oder potenziellen Ge- schäftspartnern. Grundidee des Crowd- sourcing ist dabei die Erledigung bestimmter Aufgaben durch eine Community, welche in einem klar definierten Rahmen (z.B. Zeitraum, Teilnahmebedingungen, Entschädigung) Mehrwert für den Auftraggeber generiert (vgl. Kaltenbeck, 2011, zit. in Dietrich & Amrein, 2015, S. 5). Dabei kann es sich je nachdem um gemeinsame Ideengene- rierung (Crowdwisdom), Produktentwicklung (Crowd-creation), Meinungsbildung (Crowdvoting) oder Kapitalbeschaffung (Crowdfunding) handeln (vgl. Dietrich & Amrein, 2015, S. 5). Crowdsourcing ist nicht eine klassische Sharing-Variante, sondern eher eine Access- oder P2P-Version, beider Gatekeeper wie Banken oder Berater ausgeschaltet werden. In Form von Wagniskapital (kickstarter.com), Investitionsmöglichkeiten (crowdhouse.ch, kapitalfreunde.de) oder Darlehen (cashare.ch) wird sie auch für die Immobilienbranche zunehmend wichtig.
Bei der Analyse erfolgreicher und weniger erfolgreicher Projekte zeigt sich, dass nur wenige der idealistischen, sozialen und am „Teilen“ im ursprünglichen Sinne ausgerichteten Initiativen tatsächlich erfolgreich waren (vgl. Kessler, 2015). Durchsetzen konnten sich demgegenüber diejenigen Plattformen, die sich stärker an Themen wie Transparenz, Zugänglichkeit und Ökonomie orientierten.
Couchsurfing.com beispielsweise, ist eine von Enthusiasten mit Hilfe von Spendengeldern aufgebaute Plattform, welche das Konzept des „Stay with Friends for Free“ bekannt machte, damit recht erfolgreich war und grosse Publizität erlangte. Nach der Übernahme durch Investoren verschwand der altruistische Gedanke, bzw. wurde durch den Drang nach Wachstum abgelöst (vgl. Khunkham, 2014). Das führte zwar zu mehr Mitgliedern, gleichzeitig aber auch zu einer Auflösung des Community-Gedankens und in der Folge zu massiven Qualitätsproblemen (vgl. Coca, 2013). Mittlerweile hat ihr die klar auf Profit (für alle Partei en) getrimmte Plattform AirBnB.com den Rang abgelaufen. Sharing-, Access- oder P2P-Konzepte entstehen vor allem in Märkten, die eine oder mehrere der folgenden Bedingungen erfüllen:
In der Praxis wird zwischen „Asset- Hub-Sharing“ und „Peer-to-Peer (P2P) Sharing Networks“ unterschieden. Beim „Asset-Hub-Sharing“ offeriert die Plattform eigene Güter oder Dienstleistungen und ermöglicht dabei als eine Art „Hub“ Zugang zu den eigenen Ressourcen. Dieses Konzept ähnelt dem traditionellen Geschäftsmodell. Ein typischer Vertreter des „Asset-Hub-Sharings“ ist etwa Mobility, die das traditionelle Modell der Autovermietung flexibler, kundenfreundlicher und günstiger gestaltet und auf eine genossenschaftliche Basis gestellt hat. Bei den „Peer-to-Peer Sharing Networks“ stellen hingegen nicht die Plattformen selbst, sondern meist private Anbieter Güter und Dienstleistungen zum Teilen bereit. Die Plattform übernimmt ausschliesslich eine Vermittlungsfunktion. Im Bereich Autovermietung geht Sharoo.com diesen Weg, indem Private ihre ungenutzten Fahrzeuge stunden- oder tageweise zur Vermietung bereitstellen können. Weitere typische Vertreter von P2P-Plattformen sind AirBnB oder Uber.
Charakteristisch für das P2P-Sharing ist also das Vorhandensein einer Plattform, welche Anbieter und Nachfrager vernetzt. Das System wird von hoher Mittelbindung befreit, indem jeder, egal ob professionell oder privat und unabhängig davon, ob mit oder ohne Profitinteresse, Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung stellen kann. Dadurch wird vor allem ein einfacherer Zugang zu den jeweiligen Leistungen sowie eine effiziente Koordination von Angebot und Nachfrage ermöglicht18. Aufgrund der tiefen Kapitalbindung für den Plattformbetreiber, sind diese Modelle ohne grossen Aufwand auch international multiplizierbar und können sehr schnell wachsen. Für traditionelle Unternehmen sind sie deshalb besonders wichtig, da sie das Potential haben, ganze Branchen in kurzer Zeit zu verändern.
Nicht alle Menschen teilen gleich gerne. So teilen gemäss einer repräsentativen Umfrage des Gottlieb Duttweiler Instituts (vgl. Frick et.al., 2013) Frauen lieber als Männer. Am meisten teilen die 18- bis 29-Jährigen (51 %), am wenigsten gerne hingegen die 50- bis 74-Jährigen (39%). Das Einkommen hat auf die Bereitschaft zu Teilen kaum einen Einfluss (vgl. Frick et al., 2013, S. 21-22). Ob jemand gegenüber der Ökonomie des Teilens positiv eingestellt ist oder nicht hängt von persönlichen Wertvorstellungen, allgemeinen Konsumorientierungen, sozialem Vertrauen und soziodemographischen Merkmalen wie Alter, Bildung, Einkommen und Geschlecht ab (vgl. Heinrichs & Grunenberg, 2012, S. 13).
Menschen teilen im Rahmen der Sharing Economy aus unterschiedlichen Gründen (vgl. Schor, 2014). Ein wichtiges Motiv zu teilen, besteht im aktuellen „Trend des Teilens“: Derzeit ist es „in“ zu teilen. Die Sha- ring-Plattformen gelten als modern und als etwas Neues: Nutzer von Sharing-Angeboten fühlen sich als Trendsetter. Viele Plattformen bezeichnen sich auch selbst als „grün“ und präsentieren das Sharing als eine Möglichkeit, die CO2-Bilanz und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Obwohl die ökologischen Auswirkungen des Sharings nicht wirklich klar sind, können umweltbewusste Konsument(innen) aufgrund des Nachhaltigkeitsgedankens zum Teilen motiviert werden.
Ein weiterer Motivationsfaktor für das Teilen stellen sozialen Beziehungen dar. Zahlreiche Plattformen preisen die soziale Komponente an, indem sie etwa darauf hinweisen, wie einfach Nachbarn oder andere „neue Leute“ kennengelernt werden können. Die Nutzer der Sharing Economy können aber auch durch wirtschaftliche Überlegungen zum Teilen motiviert werden. So sind Sharing-Angebote für die Nutzer in der Regel günstiger als traditionelle Alternativangebote. Den Anbietern erlauben es die Plattformen relativ einfach und sicher, Geld zu verdienen. Tatsächlich zeigt sich, dass zurzeit primär jene Konzepte erfolgreich sind, die es Privatpersonen ermöglichen, mit wenig Aufwand ein gutes Zusatzeinkommen zu erzielen. Sowohl eBay als auch Amazon haben sich zu erfolgreichen (Absatz-) Plattformen für Kleinunternehmer entwickelt und auch AirBnB und Uber ermöglichen den Anbietern ein einfaches (Zusatz-)Einkommen sowie den Nachfragern wesentlich günstigere Preise als traditionelle Angebote.
Nicht alle Güter und Dienstleistungen werden gleich gerne oder gleich oft geteilt. Grundsätzlich lassen sich zehn Punkte unterscheiden, welche Bedingungen für eine erfolgreiche Entwicklung der Sharing Economy darstellen. Je nach Ausprägung dieser Faktoren ist ein Geschäftsmodell für die Sharing Economy mehr oder weniger geeignet (vgl. Eiholzer, 2014, S. 40-43):
Wie oben gezeigt, scheint sich die Sharing Economy von ihren idealistischen Wurzeln, die Selbstbestimmung, Altruismus und Ökologie priorisierten, zu entfernen. Entsprechende Konzepte konnten sich im Markt bisher nur wenig ausbreiten. Dominiert werden der Markt und die Diskussion zurzeit von primär ökonomisch orientierten Modellen. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die traditionellen Geschäftsmodelle hat.
Führt die Sharing Economy zu einem umweltbewussteren Umgang mit Ressourcen? Die meisten Sharing Economy Plattformen preisen ihren Beitrag zu einem umweltschonenderen Wirtschaften und immer mehr Konsumenten machen sich über die ökologischen Auswirkungen ihres eigenen Handelns Gedanken. Auf den ersten Blick scheinen die ökologischen Vorteile der Sharing Economy klar: Der durch sie entstehende „Sekundärmarkt“ reduziert die Nachfrage nach neuen Gütern und trägt somit zu einer Reduktion der Umweltbelastung bei. Es gibt aber auch Studien (vgl. Martin & Shaheen, 2010, zit. in Schor, 2014), die das Gegenteil beweisen. So führen etwa Carsharing Unternehmen nicht zwingend zu einem tieferen CO2-Austoss: Da der Zugang zu einem Auto einfacher und günstiger sei würde auch mehr gefahren und es entstünden somit sogar eher mehr Emissionen.
Auch für den Bereich „Unterkunft“ gibt es ähnliche Thesen. Da das Reisen, bzw. das Übernachten durch P2P-Plattformen wie AirBnB günstiger wird, würde schliesslich einfach mehr gereist und dies führe dann wieder zu einer höheren Umweltbelastung (vgl. Schor, 2014).
Wirkt sich Sharing Economy zerstörerisch auf die bestehende Wirtschaft aus? Anfangs wurde die Sharing Economy hochgelobt für das Entstehen sozialer Verbindungen, Umweltschonung und das Ermöglichen wirtschaftlicher Einsparungen für „einfache Leute“ (vgl. Schor, 2014). Mit dem zunehmenden Erfolg entstand aber auch ein gewisser Unmut. Ziel der Sharing Economy sei nicht in erster Linie die gegenseitige Hilfe, sondern es bestünden vor allen Dingen wirtschaftliche Interessen. Zwar ermöglichen es die Plattformen den Konsumenten, vergleichsweise günstig an Produkte und Dienstleistungen zu kommen, verdienen aber bei sämtlichen Transaktionen ebenfalls mit und werden für traditionelle Anbieter zu ernst zu nehmenden Konkurrenten (vgl. Chappex, 2016, S. 31-32). Es ist jedoch nicht ganz klar, ob sich die Sharing Economy tatsächlich negativ oder gar zerstörerisch auf Branchen wie etwa die Hotellerie auswirken wird, oder ob einiges davon, was von Seiten der Hotellerie zu vernehmen ist, nicht einfach nur dazu dient, einen Sündenbock zu finden für Inaktivität oder das Verschlafen notwendiger Neuerungen. In diesem Sinne können Angebote wie AirBnB auch als Zusatzangebote verstanden werden. Obwohl die AirBnB Sharing-Plattform laufend neue Kunden gewinnt, werden nicht alle Personen bereit sein, in „fremden“ Wohnungen zu übernachten und weiterhin eine Unterbringung in Hotels vorziehen. Zerstörerisch oder zumindest negativ könnte sich die Sharing Economy aber vor allem unter den folgenden beiden Gegebenheiten auswirken:
Wie wirkt sich die Sharing Economy auf bestehende Geschäftsmodelle aus? Dadurch, dass P2P-Anbieter häufig nicht den gleichen Regulatorien unterliegen wie professionelle Anbieter (etwa hinsichtlich Hygiene, Brandschutz, Personal- und weiterer Vorschriften für Hotels, die etwa für AirBnB-Anbieter nicht gelten, analoges gilt für Taxis, bzw. Uber), aufgrund ihrer Arbeitsmodelle viele Steuern und Abgaben nicht leisten müssen und ihr Angebot zu Grenzkosten und nicht zu Vollkosten kalkulieren und anbieten können, sind die Spiesse im Wettbewerb häufig nicht gleich lang. Damit wird von Seiten der klassischen Wirtschaft eher der zerstörerische Aspekt betont, welcher vor allem auf dem „race to the bottom“ Effekt basiert (vgl. Kessler, 2015): Immer mehr semi-professionelle Anbieter mit tiefer Kostenstruktur und wenig staatlichen Auflagen treiben die Preise immer tiefer, bis für den professionellen Anbieter kein Gewinn mehr realisierbar wird. Themen wie (Selbst-)Ausbeutung und staatliche Regulatorien geraten dadurch stärker in den Fokus der Diskussion.
Firmen, die heute traditionelle Geschäftsmodelle verfolgen, haben verschiedene Möglichkeiten, auf die Sharing Economy zu reagieren. Eine Möglichkeit besteht darin, sich der Bewegung anzuschliessen und eine Partnerschaft mit einem Sharing Economy Start-up einzugehen. So führte BMW bereits 2012 gemeinsam mit Sixt in einigen europäischen und amerikanischen Städten das Carsharing-Programm „DriveNow“ ein. Eine andere Möglichkeit, mit der Sharing Economy erfolgreich umzugehen, besteht darin, in bestehende Sharing Unternehmen zu investieren. So investierte General Motors im Jahr 2015 500 Mio. Dollar in das Unternehmen „Lyft“, um gemeinsam ein Netzwerk autonomer Fahrzeuge aufzubauen. Als dritte Möglichkeit können traditionelle Unternehmen auch selbst „in den Ring steigen“. Audi lancierte etwa ein Unite-Programm, welches sich derzeit noch in der Testphase befindet. Das Programm ermöglicht, dass bis zu vier Personen gemeinsam ein Auto besitzen können (vgl. Bürge, 2016a, S. 48-51). Wie diese Beispiele aus der Automobilindustrie zeigen, bestehen also für traditionelle Anbieter durchaus auch in der Sharing Economy Möglichkeiten, sich zu etablieren.
Trotz des bisherigen Erfolgs der Sharing Economy werden auch kritische Stimmen gegenüber dieser Ökonomie des Teilens laut. Vor allem Hotelverbände und Taxiunternehmen einiger europäischer Länder beklagen sich über diverse Sharing Economy Anbieter, die angeblich unlauteren Wettbewerb betreiben und branchenübliche Sicherheitsstandards nicht einhalten würden. Behörden üben bisher Zurückhaltung, sie sind sich oft nicht im Klaren, wie sie sich der Sharing Economy gegenüber verhalten sollen (vgl. Chappex, 2016, S. 32).
Tatsächlich werfen Sharing Economy Plattformen bestimmte rechtliche Fragen auf. So stellt etwa die (fehlende) Einkommensbesteuerung ein wichtiges Problem dar. Es ist schwierig, ein gemeinsam genutztes Gut zu besteuern, weil es bei vielen Plattformen ja grundsätzlich ums Teilen geht und somit fast kein Gewinn erwirtschaftet wird. Auch Mehrwertsteuer und andere Gebühren oder Abgaben werden häufig nicht fällig und die Sharing Economy versteht es, solche rechtlichen Grauzonen für sich zu nutzen. Des Weiteren sehen sich auch die Beschäftigten der Sharing Economy gewissen rechtlichen Risiken gegenüber. Sie befinden sich oftmals in heiklen Arbeitsverhältnissen und freiberuflich Arbeitende können häufig nicht genügend Stunden arbeiten, oder für einen genügend hohen Stundentarif tätig sein, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Auch sind sie meist nicht sozialversichert. Bei Taxifahrern fehlen häufig die Lizenzen. Die Plattformbetreiber positionieren sich als reine Vermittler und entziehen sich damit praktisch jeglicher Verantwortung; die Risiken werden grösstenteils auf Anbieter und Nutzer übertragen. Natürlich kann mit der meist integrierten Bewertung von Anbietern und Nachfragern das Risiko minimiert werden, doch Versicherungen kommen oft nicht für entstandene Schäden auf (vgl. Bürge, 2016b, S. 57-59).
Einheitliche Regeln zu entwickeln für Unternehmen der Sharing Economy und klassische Unternehmen, könnte eine grosse Herausforderung darstellen. Viele Sharing Economy-Plattformen überleben, weil sie sich nicht an die gleichen Regeln halten (müssen) wie traditionelle Anbieter. Dennoch müsste es das Ziel des Wettbewerbsrechts sein, einen fairen Wettbewerb für alle Marktakteure zu schaffen (vgl. Dittmann & Kuchinke, 2015, S. 257). Leider ist davon auszugehen, dass Regierungen versuchen werden, Regeln, die für traditionelle Unternehmen gelten, auch im Bereich der Sharing Economy durchzusetzen, statt im traditionellen Bereich mit einem Abbau lähmender Vorschriften und hinderlicher Bürokratie zu reagieren.
Für zahlreiche Produkte und Dienstleistungen in der Immobilienbranche bestehen bereits Sharing Economy-Ansätze oder Modelle. Es ist zu erwarten, dass nicht nur weitere Sharing-, sondern auch Access- und P2P-Modelle auftauchen werden. Denkbar sind etwa folgende Bereiche:
Teilen unternutzter Assets. In diesem Bereich hat sich bereits vieles bewegt. Künftig betroffen sein können praktisch alle Flächenarten: ungenutzte Gästezimmer in Wohnungen (AirBnB, couchsurfing), Büroräume (coworking-spaces), Sitzungszimmer (tebor.ch – Sharing Sitzungszimmer), Parkplätze (parkatmyhouse.com) oder Lagerräumlichkeiten (sharemystorage.com). Die Flächennachfrage dürfte sich aufgrund der besseren Nutzung reduzieren, die Preise könnten unter Druck geraten. Andererseits können Vermieter profitieren, die entsprechende Konzepte implementieren.
Obwohl Nachbarschaftsplattformen bisher wenig erfolgreich waren, könnten sich im Kontext der Quartiervernetzung neue Chancen bieten. Integriert in aktiv durch Bewohner genutzte Lösungen wie etwa auf Qipp (vgl. Zanetti, 2016), und fokussiert auf eine geografisch eng umgrenzte Community, hätten diese durchaus grössere Erfolgschancen als in Form bestehender Standalone-Plattformen.
Für Maschinen, Transportmittel etc. sind Tauschbörsen für überflüssige Kapazitäten denkbar und teilweise bereits in Betrieb. So werden beispielsweise auf der Plattform „Sharely“ (www.sharely.ch) Fahrräder, Motorräder, Beamer, Nähmaschinen und vieles mehr zum Mieten angeboten.
Der Carsharing-Trend wird den Parkplatzbedarf mutmasslich massiv senken, insbesondere, wenn sich in wenigen Jahren, wie zu erwarten, selbstfahrende Autos durchgesetzt haben werden.
Ausschalten von Gatekeepern. Crowdfunding und Crowdlending ermöglichen Eigentümern direkten Zugang zum Kapitalmarkt, unter Umgehung von Banken und Vermittlern. Im Bereich der Immobilienvermittlung ist zu erwarten, dass Makler bei einfachen Geschäften, wie etwa der Wohnungsvermietung teilweise ersetzt werden können (vgl. Kohle, 2016).
Dienstleistungs-Plattformen. Durch Dienstleistungs-Access-Plattformen wie MechanicalTurk wird auch in KMU- dominierten Dienstleistungsbereichen wie Marketing, Visualisierung, Entwurf, Internetsupport und vielen mehr Zugang zu internationalen Dienstleistern möglich, wodurch die Preise in der Schweiz entsprechend unter Druck geraten werden. Sämtliche Dienstleistungen, die nicht zwingend vor Ort erbracht werden müssen, werden potentiell dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt und können vermehrt an Freelancer vergeben werden. Insbesondere Bewirtschafter und FM-Dienstleister werden gefordert sein, Sharing- und Access-Plattformen in ihre Systeme zu integrieren, können damit aber andererseits auch ihre Wettbewerbsstellung verbessern. Dienstleister und Produkteanbieter werden gefordert sein, sich der neuen Möglichkeiten zu bedienen und gegebenenfalls selbst auf diesen als Anbieter tätig zu werden.
Im aktuellen Hype um die Sharing-Economy geht das Potential der „Access-Economy“ und der „Peer-to-Peer-Economy“ etwas unter. Die klassischen, eher altruistisch gefärbten Sharing-Konzepte konnten sich bisher schlecht durchsetzen oder wurden durch Konzepte verdrängt, die sich stark an ökonomischen Faktoren orientieren und primär den finanziellen Nutzen von Anbieter und Nutzer im Visier haben.
Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Konzepte aus diesem Bereich für die meisten Akteure innerhalb der Immobilienbranche sowohl als Nutzer wie auch als Anbieter relevant werden. Klassische Sharing-Ansätze dürften vor allem im Rahmen von Quartieren oder im Kreise klar definierter Communities relevant sein und könnten in diesem Kontext einen Aufschwung erleben.
Dieser Artikel entstand im Rahmen des Digitalisierungsbarometers. Die Studie ermittelt anhand einer breit angelegten, repräsentativen Erhebung bei den wichtigsten Akteuren der Immobilienbranche in der Schweiz, wie die Auswirkungen der Digitalisierung wahrgenommen werden und welche Auswirkungen für die kommenden Jahre erwartet werden.
Die gesamte Studie können Sie hier beziehen:
Digitalisierungsbarometer 2016 – Kundenverhalten und Geschäftsmodelle
Digitalisierungsbarometer 2017 – Digitales Planen und Bauen
Weiterführende Literatur
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