22. März 2021
Mieterumfragen und Auswertung von Suchabos sind die klassischen Methoden zur Annäherung an Präferenzen von Mietern und Wohnungssuchenden. Besser lassen sich Strukturen und Veränderungen jedoch aus Daten haushaltsspezifischer Bewerbungen und Anmietungen ablesen. Nutzungsdichte, Durchmischung, finanzielle Tragbarkeit und Versorgung spezifischer gesellschaftlicher Gruppen mit Wohnraum sind nur einige Erkenntnisse, die diese Methode der «Revealed Preferences» ermöglicht.
Von Christoph Craviolini & Marius Wehrle (emonitor AG), Christian Kraft & Daniel Steffen (HSLU)
Die zielgenaue Bereitstellung von Wohnraum wird aufgrund der Veränderungen, aber auch aufgrund der bestehenden gesellschaftlichen Vielschichtigkeit im kompetitiven Wohnungsmarkt zur immer grösseren Herausforderung. Wer Standorte und ihre Bewohner versteht und das Gras wachsen hört, gewinnt die Gunst bestehender oder zukünftiger Bewohner. Aus Marktperspektive führt die Transparenz über die Präferenzen von Wohnungssuchenden zu einer effizienteren Allokation von Wohnraum. Eigentümer und Städte können schneller auf Veränderungen reagieren, und schnellere Reaktionen führen zu einer schnelleren Anpassung von Marktgleichgewichten.
Doch was für Methoden stehen privaten Eigentümern, Planern und der öffentlichen Hand für die Messung von Präferenzen zur Verfügung? Erfragen, Beobachten und Offenlegen sind grundsätzlich die drei möglichen Vorgehensweisen.
«Stated Preferences» werden klassisch in Form von Umfragen ermittelt. Mieterumfragen sind das traditionelle Instrument hierfür. Der Vorteil dieser Methode liegt in der Möglichkeit, spezifische Themen sehr detailliert zu adressieren. Die Nachteile liegen im sehr hohen organisatorischen Aufwand, in der zeitlichen Belastung der Bewohnenden, in oftmals niedrigen Rücklaufquoten und in der Verzerrung der Antworten durch Wünsche und hypothetische Antworten.
«Observed Preferences» werden aus Beobachtungen von Verhalten von Suchenden und Bewohnenden abgeleitet. Eine fortschrittliche Variante dieser Methode liegt zum Beispiel in der Erhebung und Auswertung von Abonnements von Wohnungsuchenden. Diese geben Aufschluss über die Nachfrage nach spezifischen Wohnungstypen und Preisklassen in einzelnen Regionen. Durch die Gegenüberstellung mit der jeweiligen Menge der inserierten Angebote lässt sich die Nachfrage dem verfügbaren Angebot gegenüberstellen. Diese Analyse ermöglicht somit regionale Indikationen von Überangeboten oder Knappheiten. Bei allen Vorteilen leidet diese Methode unter drei Nachteilen: Erstens ist die lokale Eingrenzung sehr grob, weil viele Suchende grössere Suchgebiete angeben. Zweitens ist nicht klar, inwiefern die Daten unter Verzerrungen leiden, wie zum Beispiel die systematische Überschätzung der finanziellen Möglichkeiten. Drittens, und am relevantesten, bleiben die soziodemographischen Merkmale der Suchenden im Dunkeln. Ob die 4.5-Zimmerwohnung stärker von Vierpersonenhaushalten als von Singles nachgefragt wird, lässt sich nicht zurückverfolgen.
«Revealed Preferences» leiten sich dagegen direkt aus faktischem Verhalten von Suchenden und Bewohnenden ab. Daten sind in diesem Bereich rar, wachsen jedoch stetig. Daten aus digitalenBewerbungs- und Vermietungsprozessen ermöglichen eindeutige Rückschlüsse, welche Haushaltstypen sich verbindlich auf welche konkreten Wohnungstypologien bewerben.
Die Stärke der Daten aus Wohnungsbewerbungen ist nicht nur, dass verbindliche und tatsächliche Präferenzen zuverlässig ermittelt werden können, sondern dass auch detaillierte soziodemografische Merkmale der Bewerbenden bekannt sind. Bei der Bewerbung machen Wohnungssuchende Angaben zu ihrem Haushaltseinkommen, Haushaltstyp, Alter, Familiengrösse, Zuzugsort usw. Diese Angaben sind von hoher Qualität, da Bewerbende wissen, dass ihre Angaben über Referenzen geprüft werden. Diese Angaben erlauben es Präferenzen z.B. nach Bevölkerungsgruppen, Einkommensstrukturen oder Alter zu analysieren und gezielt Durchmischung, finanzielle Tragbarkeit oder Nutzungsdichte zu eruieren. Durch die Gegenüberstellung mit verfügbaren Wohnungen kann zudem die Versorgung für einzelne Bevölkerungsgruppen beobachtet und damit Knappheiten bzw. Überhänge früh erkannt werden. Ebenso kann die Bevölkerungsstruktur der umliegenden Perimeter herangezogen werden, um Abweichungen zwischen bestehenden Bevölkerungsstrukturen aufzuzeigen und damit aktuelle Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.
Die untenstehenden Abbildungen geben einen kurzen Einblick in erste Auswertungen der Bewerbungsdaten. So können beispielsweise Präferenzen hinsichtlich Wohnungsfläche, Mietpreis oder relative Mietzinsbelastung nach Bevölkerungsgruppe aufgegliedert werden. Ebenso kann die Absorption von Angeboten nach Nettomietzinsen aber auch anderen Merkmalen aufgezeigt werden. Die Nachfragedaten stammen von emonitor AG und werden aus Bewerbungen für Erstvermietungsprojekte der letzten drei Jahre in der Stadt Zürich gewonnen.
Abbildung 1 zeigt die Mieterpräferenzen hinsichtlich der Wohnungsfläche (in m2). Je dunkler die Farbe, desto grösser ist die Nachfrage in einer bestimmten Lebensphase nach einer bestimmten Wohnungsgrösse. Auf der rechten Seite ist der Anteil der jeweiligen Lebensphasen am Total der Bewerbungen wiedergegeben. Insgesamt sind im vorhandenen Sample der Stadt Zürich Wohnungen mit einer Fläche zwischen 80m2 und 100m2 am begehrtesten. Dabei gibt es bei den Präferenzen nach Lebensphase deutliche Unterschiede. So suchen die meisten Paare zwischen 19 und 34 Jahren zum Beispiel eine Wohnung mit rund 80m2 Fläche, während bei Paaren zwischen 35 und 59 Jahren grössere Wohnungen mit 100m2 Fläche in der Gunst stehen.
Abbildung 2 zeigt die Preisstruktur der Nachfrage bei verschiedenen monatlichen Nettomietzinsen in CHF und Lebensphasen. Am beliebtesten sind Wohnungen mit einer Nettomiete von rund CHF 1’700 pro Monat. Eine überdurchschnittlich hohe Zahlungsbereitschaft haben beispielsweise Paare zwischen 35 und 59 Jahren und Familien mit Kindern. Auch WGs mit Bewohnenden zwischen 19 und 34 Jahren haben meist eine sehr hohe Zahlungsbereitschaft.
Abbildung 3 zeigt die Mietzinsbelastung nach Lebensphase. Die Mietzinsbelastung entspricht dabei dem Anteil der Bruttomiete am Bruttoeinkommen. Am häufigsten ist eine Mietzinsbelastung zwischen 20% bis 30%. Klar höher ist die Mietzinsbelastung für Alleinerziehende mit oft rund 50% des Bruttoeinkommens. Am wenigsten belastet die Miete im Durchschnitt über 35-jährige, die in einer WG leben oder über 60-jährige Paare.
Diese ersten Analysen zeigen, welches Potenzial Bewerbungsdaten für die Analyse von Mieterpräferenzen haben und weshalb sie einen weiteren wichtigen Schritt darstellen, um Mieterpräferenzen zu digitalisieren und Änderungen zeitnah und zuverlässig verfolgen zu können. Dabei heben sich die Daten aus Bewerbungs- und Vermietungsapplikationen insbesondere durch zwei attraktive Eigenschaften ab. Erstens werden tatsächliche und verbindliche Präferenzen, «revealed preferences», beobachtet. Dies verspricht zuverlässigere und präzisere Einschätzungen zu Entwicklungen am Wohnungsmarkt. Zweitens sind auch detaillierte soziodemografische Merkmale der Bewerbenden bekannt, wodurch die Versorgung spezifischer Bevölkerungsgruppen, die finanzielle Tragbarkeit oder die Durchmischung beobachtet werden können.
Der Datenpool der emonitor AG fokussiert zurzeit auf Zürich, wächst jedoch täglich in der ganzen Schweiz. Zusammen mit emonitor plant die Hochschule Luzern aus diesen Daten einen Nachfragemonitor zur systematischen Analyse und Benchmarking auf Stufe Markt zu entwickeln. Dieser Monitor verspricht eine frühe, zuverlässige und detaillierte Erkennung von Trends und erlaubt privaten Eigentümern, Planern und der öffentlichen Hand damit eine massgeschneiderte Anpassung der Wohnflächen an die Präferenzen bestimmter Bevölkerungsgruppen. Dies führt zur Vermeidung von Leerständen und einer effizienten Nutzung des knappen Gutes Raum.
Sind Sie an weiterführenden Informationen zu dieser Methode oder zum zugrundeliegenden Projekt interessiert? Dann wenden Sie sich direkt an Christoph Craviolini oder Daniel Steffen oder melden Sie sich zur Konferenz «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2021» an.
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