3. März 2022
Vor zehn Jahren hat die Schweizer Stimmbevölkerung die Zweitwohnungsinitiative (ZWI) angenommen. Die Initiative nimmt dabei unter anderem zwei Ziele ins Visier: Bezahlbarer Wohnraum für Einheimische und ein Zersiedelungsstopp in den Bergen. Die Annahme der ZWI kommt einem drastischen Einschnitt in das Angebot von Wohnraum in weiten Teilen der Schweiz gleich. Was hat die ZWI im letzten Jahrzehnt bewirkt? Was erwartet uns im nächsten Jahrzehnt mit der ZWI?
Vor 10 Jahren hat das Schweizer Stimmvolk mit der Annahme der ZWI Immobilienmärkte in vielen Regionen über Nacht auf den Kopf gestellt: In Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von 20% und mehr, dürfen seit der Annahme der ZWI keine neuen Zweitwohnungen mehr gebaut werden. Was auf den ersten Blick nicht besonders dramatisch klingen mag, bedeutet für die Immobilienmärkte der Alpenregion einen drastischen Einschnitt (siehe Abbildung 1). In den Kantonen Wallis und Graubünden sind 70 Prozent respektive 75 Prozent aller Gemeinden von diesem Baustopp betroffen. Im Kanton Graubünden wird fast jede zweite Wohnung als Zweitwohnung genutzt. In den Bergkantonen ist es auch nicht selten, dass touristische Gemeinden einen Zweitwohnungsanteil von deutlich über 50% aufweisen. Entsprechend gross ist das Potenzial der ZWI in diesen Märkten für Turbulenzen zu sorgen. Aber auch gesamtschweizerisch spielen Zweitwohnungen mit einem Marktanteil von rund 16% keine zu vernachlässigende Rolle.
Heute, genau ein Jahrzehnt nach der Annahme der ZWI, können wir mit statistischen Methoden beurteilen, zu welchen Turbulenzen es auf den betroffenen Immobilienmärkten aufgrund der ZWI tatsächlich gekommen ist. Entgegen den Erwartungen der Immobilienökonomen hat die ZWI zunächst für einen Preiseinbruch auf betroffenen Immobilienmärkten gesorgt.
Abbildung 2 zeigt die tatsächliche Preisentwicklung in betroffenen Gemeinden (durchgezogene Linie) und wie sich die Preise gemäss statistischen Modellen ohne ZWI im selben Zeitraum entwickelt hätten (gestrichelte Linie). Ab 2014 bis 2019 kommen die Immobilienpreise 10% bis 20% tiefer zu liegen, als sie gemäss Modell ohne ZWI zu liegen gekommen wären. Erst im Jahr 2020, auch unter dem Einfluss der Pandemie, haben sich die Preise erholt und kommen im 1. Quartal 2021 genau dort zu liegen, wo sie auch ohne ZWI zu liegen gekommen wären.
Ökonomen haben vor der Annahme der ZWI eine Zweiteilung des Marktes vorhergesagt: Einerseits gibt es altrechtliche Wohnungen (Baubewilligung vor der Annahme), die weiterhin beliebig als Erst- oder Zweitwohnung genutzt werden können. Andererseits gibt es neurechtliche Erstwohnungen, die explizit nur noch von Einheimischen genutzt werden dürfen. Da es einen Baustopp für altrechtliche Wohnungen mit lokaler und überregionaler Nachfrage gibt, wurde in diesem Bereich mit steigenden Preisen gerechnet. Umgekehrt wurden für neurechtliche Wohnungen sinkende Preisen erwartet, da diese weiterhin gebaut werden dürfen, aber ein grosser Teil der Nachfrage ausgeschlossen wird. Weil altrechtliche Wohnungen mit über 90% der Transaktionen den Markt bestimmen, wurde mit gesamthaft steigenden Preisen gerechnet. Die Frage ist nun also, wie es zwischenzeitlich zu so stark sinkenden Preisen kommen konnte.
Es gibt drei Gründe, warum die Preise in den Zweitwohnungsgemeinden wider Erwarten vorübergehend eingebrochen sind. Diese drei Gründe zeigen exemplarisch auf, warum es so schwierig ist, zielführende Regulierungen mit geringen Kollateralschäden zu kreieren.
Wie Abbildung 2 zeigt, haben sich die Preise in der Zwischenzeit vollständig von diesen unbeabsichtigten und vorübergehenden Effekten erholt. Spannend ist nun also die Frage, in welche Richtung die Preise im nächsten Jahrzehnt gehen werden und ob die ZWI ihre beiden Ziele – bezahlbarer Wohnraum für Einheimische und Zersiedelungsstopp – erreichen kann.
Hat die ZWI ihr Ziel von bezahlbarem Wohnraum erreicht, da die Preise zwischenzeitlich gesunken sind? Tatsächlich sind die Preise vorübergehend gesunken. Dies hatte jedoch auch seinen Preis in Form von erhöhter Arbeitslosigkeit, rechtlicher Unsicherheit, Mindereinnahmen der Gemeinden und Vermögensverlusten für Landbesitzer oder kam sogar durch eine einmalige panikartige Flut an Neubauten und damit erhöhter Zersiedelung zustande. Zudem sind die Preise heute, 10 Jahre nach der Abstimmung, wieder genau dort, wo sie ohne ZWI wären. (siehe Abbildung 2).
Allerdings dürfte sich in den nächsten 10 Jahren die Prognose der Ökonomen mit etwas Verspätung bewahrheiten: Altrechtliche Wohnungen dürften weiter deutlich an Wert gewinnen, da das Angebot beschränkt ist und auch durch vermehrtes Home-Office die überregionale Nachfrage nach Wohnraum in den Bergen solide bleiben dürfte. Tatsächlich sind die Preise im letzten Jahr in den Alpen bereits nahezu explodiert. Wollen oder können die Einheimischen nicht mit der zahlungskräftigen überregionalen Nachfrage konkurrenzieren, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als auf den neurechtlichen Markt auszuweichen. Dieser ist aber (noch) viel zu klein, um diese zusätzliche Nachfrage abdecken zu können. Entsprechend gibt es in diesem Falle nur zwei Möglichkeiten: Entweder der neurechtliche Markt wird ausgebaut, was wiederum die Zersiedelung fördern würde. Oder aber, die Preise werden auch auf dem neurechtlichen Markt steigen (wenn auch nicht ganz auf das Niveau von altrechtlichen Wohnungen) und nur wenige Glückliche werden in diesem kleinen Teilmarkt fündig. Aufgrund des revidierten Raumplanungsgesetzes dürften die Möglichkeiten des Ausbaus des neurechtlichen Marktes beschränkt sein, wodurch Einheimische mit der überregionalen Nachfrage konkurrenzieren müssten.
Gegeben einer soliden Nachfrage scheint es also auch in den nächsten 10 Jahren kaum möglich, dass beide Ziele – Zersiedelungsstopp und bezahlbarer Wohnraum für die Bevölkerung – realisiert werden. Im Gegenteil deutet sich sogar eine von der ZWI ausgelöste, starke Preiserhöhung ab. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es nicht effektivere und effizientere Massnahmen gäbe, um die gesellschaftlich breit abgestützten Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum und Zersiedelungsstopp in den Bergregionen zu erreichen und gleichzeitig die lokale Bevölkerung weniger mit ungewollten Nebeneffekten zu belasten. Insbesondere, da die Ausgestaltung des Gesetzes sogar noch den Anreiz zu weiterer Zersiedelung bietet: Einheimische können ihre altrechtliche Wohnung teuer als Zweitwohnung verkaufen und dafür eine neurechtliche Wohnung erstellen.
Eine Alternative zum starren Zweitwohnungsverbot könnte zum Beispiel eine Besteuerung von Zweitwohnungen sein, die den betroffen Gemeinden in Form von Steuereinnahmen auch etwas zurückgäbe und eine gewisse Flexibilität für die heterogenen betroffenen Gemeinden bietet. Fraglich ist natürlich, wie man denn mit gut gemeinten Regulierungen umgeht, die nicht halten, was sie versprechen. Im Normalfall führt dies zu weiteren Regulierungen, die wiederum die unerwünschten Effekte der Ausgangsregulierung abfedern sollen und endet in einer regelrechten Regulierungskaskade. Umso wichtiger ist es, dass wir bereits im Vorfeld von Regulierungen diese auf Effektivität und Effizienz untersuchen. Im Falle der ZWI stünde in Form einer Besteuerung sogar eine Alternative bereit.
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