20. Juli 2023

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Nachhaltige Immobilien Teil 2/3: Stärken und Schwächen von Wohngebäuden

Nachhaltige Immobilien Teil 2/3: Stärken und Schwächen von Wohngebäuden
Quelle: eigene Darstellung basierend auf BFS, 2021a, ARE, 2023, BAFU, 2023 und BFS, 2023

In einer dreiteiligen Blogserie beleuchten wir die Fragen, (1) ob und wie Banken die Nachhaltigkeit von Gebäuden mit Finanzierungskonditionen beeinflussen können, (2) wie nachhaltige Stärken und Schwächen von 1.8 Millionen Schweizer Wohngebäuden verteilt sind und (3) welche Handlungsoptionen bestehen, um die Schwächen zu verbessern. Weitere Ergebnisse und Lösungen präsentieren und diskutieren wir am 15. November 2023 von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr an der Konferenz «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2023».

Ein Artikel von Christian Kraft und Leonard Fister, HSLU

Stärken und Schwächen von Wohngebäuden sind sehr individuell über die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit verteilt. Die Dimensionen der Nachhaltigkeit sollte man grundsätzlich nicht gegeneinander ausspielen, weil sonst die Umsetzung wichtiger Einzelziele blockiert wird. Zweifellos ist es wichtig, CO2-Emissionen zu reduzieren. Dennoch muss man das grosse Ganze im Auge behalten und deshalb ist es nicht nur wichtig, dass der CO2-Ausstoss reduziert wird, sondern besonders wo, mit welchem Impact und mit welchen Konsequenzen für andere, abhängige Dimensionen.

Raum- und immobilienökonomische Grundlagen müssen deshalb bei der Allokation nachhaltiger Investitionen stärker berücksichtigt werden. Doch viele Projekte, die Wohnraum mit hoher Ressourceneffizienz dort schaffen oder verbessern könnten, wo viele Menschen wohnen und leben möchten, werden derzeit durch bekannte und viel diskutierte Gründe blockiert oder verzögert.

Stattdessen fliessen Investitionen oft an jene Orte, wo sich die Umsetzung nachhaltiger Massnahmen möglichst einfach realisieren lässt. So kommen Steuergelder, Subventionen und vergünstigte Finanzierungen oft nur wenigen und oftmals privilegierten Menschen zugute, und fliessen in Lagen und Objekte, an denen sich Abwertungen aufgrund gestiegener Zinsen als erstes manifestieren. Schweizweit sind im GWR 311’000 Wohngebäude mit 360’000 Wohnungen mit erneuerbaren Energieträgern registriert, die schlecht oder gar nicht an den öffentlichen Verkehr angebunden sind, ihren Bewohnern keine Infrastruktur im Umfeld bieten und pro Wohnung mehr als 83 m2 Gebäudegrundfläche (Schweizer Median) benötigen. Diese Wohngebäude sind effizient in Sachen Betriebsenergie, aber in der Gesamtschau sind sie sicher nicht nachhaltig.

Wenn finanzielle Ressourcen nicht unendlich zur Verfügung stehen, sollte man schlechtem Geld kein gutes Geld hinterherwerfen und lieber dort ansetzen, wo Gesellschaft, Ökologie und Ökonomie am meisten von den Investitionen profitieren können. Möglichkeiten hierfür gibt es viele: 181’000 Wohngebäude, die mit ihren fossilen Heizsystemen 1.2 Millionen Wohnungen (!) versorgen, sind infrastrukturell und verkehrstechnisch bestens eingebettet und sie verbrauchen wenig Land. Allein aufgrund der wirtschaftlichen Rentabilität und Werthaltigkeit dieser Häuser, ihrer effizienten Nutzung der (fossilen) Energie, ihres gesellschaftlichen Nutzens und ihrer positiven Bedeutung für durchmischte Quartiere und nachhaltige Mobilität fällt es schwer, sie nicht als nachhaltig zu bezeichnen. Doch der letzte Makel des CO2-Ausstosses bleibt. Findet sich keine rechtlich, technisch und wirtschaftlich tragbare Lösung zur Beseitigung dieses Makels, werden sie zu «Stranded Assets» an besten Lagen.

Damit das nicht passiert, benötigen Mehrfamilienhäuser an guten Lagen nicht unbedingt Subventionen, sondern vor allem mehr Rechts- und Planungssicherheit, Unterstützung durch Gemeinden und Nachbarn und keine zusätzliche Abschöpfung von Mehrwerten, die zur Deckung der unternehmerischen Risiken bei Sanierungen und Aufstockungen benötigt werden. Um die Dimensionen der Nachhaltigkeit nicht gegeneinander auszuspielen, geht es also nicht um die Frage, ob Einzelobjekte gut oder schlecht zu bewerten sind, sondern wo und wie zukünftig investiert werden sollte, um mit limitierten Ressourcen möglichst viel zu erreichen.

Alle registrierten Schweizer Wohngebäude lassen sich diesbezüglich anhand weniger Indikatoren kategorisieren. Die Kombination aus CO2-Emission im Betrieb und Nutzungsdichte illustriert das besonders gut. Die benötigte Gebäudegrundfläche pro Person ist in der Stadt nur halb so gross wie auf dem Land. Und obwohl in der Stadt ein höherer Anteil an Gebäuden fossil geheizt wird als auf dem Land, ist die benötigte Gebäudegrundfläche in fossil geheizten Gebäuden pro Person in der Stadt immer noch kleiner als auf dem Land, siehe Abbildung 1. Dies verdeutlicht die markanten Grössenvorteile im dicht bebauten urbanen Raum.

Abbildung 1: Gebäudegrundflächenverbrauch pro Person oder Wohnung nach Region und Heizsystem. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf BFS, 2017, BFS, 2021a, BFS, 2023 und BAFU 2023a).

Die Kombination aller drei Faktoren deutet Handlungsoptionen für jedes der 1.8 Millionen Wohngebäude an. Dazu werden die Gebäude auf Basis des CO2-Rechners des Bundes zunächst nach ihrem Primärenergieträger für das Heizsystem in die zwei Gruppen «fossil» und «erneuerbar» eingeteilt. Die ÖV-Güteklasse (y-Achse) repräsentiert die Nähe, Verfügbarkeit und Qualität des ÖV-Angebotes und die Qualität der fussläufigen Infrastruktur. Die pro Wohnung benötigte Gebäudegrundfläche (x-Achse) misst den Landverbrauch des Gebäudes.

Die Boxplots in Abbildung 2 zeigen die Verteilung aller Wohngebäude entlang der Dimensionen an: Im rechten oberen Quadranten liegen Gebäude, die schlecht oder gar nicht an den öffentlichen Verkehr angebunden sind und gleichzeitig viel Land verbrauchen. Im linken unteren Quadranten hingegen liegen Gebäude, die ausreichend bis sehr gut ÖV-technisch erschlossen sind, und pro verfügbare Wohnung wenig Gebäudegrundfläche benötigen. Die Grenzen der Quadranten werden durch den Median der jeweiligen Dimension bezogen auf die gesamte Schweiz definiert.

Abbildung 2: Gebäudepark und -mengengerüst nach drei Nachhaltigkeitsdimensionen. (Quelle: eigene Darstellung basierend auf BFS, 2021a, ARE, 2023, BAFU, 2023 und BFS, 2023)

Die datengestützte Simplifizierung erlaubt eine grobe Priorisierung der Investitionen, die zur Erreichung oder langfristigen Sicherung der Nachhaltigkeit nötig sind. Mit der Priorität 1 lässt sich die Gesamtnachhaltigkeit mit geringstem Aufwand optimieren. Im dargestellten Mengengerüst sind das insbesondere rund 250’000 fossil beheizte Wohngebäude innerhalb der ÖV-Güteklassen A und B. Sie sind überdurchschnittlich gross, wodurch viele Menschen dort von den nachhaltigen Investitionen profitieren. Am anderen Ende der Skala stehen knapp 180’000 fossil geheizte Wohngebäude ohne öffentlichen Verkehrsanschluss und mit hohem Landflächenverbrauch. Hierbei handelt es überwiegend um Einfamilienhäuser, deren nachhaltige Weiterentwicklung schwierig finanzierbar und mit limitierter gesamtnachhaltiger Wirkung ist.

Abbildung 3: Handlungsoptionen und Investitionsprioritäten, schematisch

Die für eine nachhaltige bauliche Entwicklung verfügbaren Ressourcen sind limitiert. Es ist daher entscheidend, sie für die richtigen Massnahmen an den richtigen Orten einzusetzen: Dort, wo die Nachfrage nach Wohnraum hoch ist, wo Menschen aufgrund der Verkehrserschliessung und Infrastruktur gerne und nachhaltig leben können und wo wenig Land verbraucht wird, sind weitere nachhaltige Investitionen in Relation zum investierten Kapital besonders wirksam. An schlecht erschlossenen Lagen erschweren tiefe Objektwerte, fehlende Ertragspotenziale und der vergleichsweise hohe Aufwand einen vergleichbar nachhaltigen Zustand und verschlechtern die Kosten-/Impactrelation teilweise deutlich.

Im kommenden Blogbeitrag folgen empirische Analysen der Einzelparameter von 1.8 Millionen Wohngebäuden. Der zugrundeliegende Datensatz basiert auf öffentlichen Informationen. Wir stellen ihn allen interessierten Institutionen auf Anfrage (leonard.fister@hslu.ch) zur Verfügung.

Sind Sie an weiteren Aspekten dieses Themas interessiert? Dann melden Sie sich für die Konferenz «Nachhaltige Wohnungswirtschaft 2023» am 15. November von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr am IFZ/Campus Zug-Rotkreuz an.

Den vollständigen Sustainable Lending Monitor finden Sie hier: https://hub.hslu.ch/retailbanking/download/sustainable-lending-monitor/

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