10. Februar 2025
Dies ist eine Zusammenfassung der Studie, die ungekürzt hier verfügbar ist: Housing Lab. Sie untersucht die Wohnsituation und Mobilität älterer Menschen in der Schweiz. Sie zeigt: Viele wohnen günstig, zentral und geräumig. Herausforderungen bestehen oft in älteren, nicht barrierefreien Gebäuden und in der Isolation Alleinstehender.
Ein Artikel von Leonard Fister, Christian Kraft, Valentina Maras, Daniel Steffen
Ältere Menschen ziehen kaum noch um. Die Umzugsquote war auch in Zeiten höherer Leerstände und besserem Angebot konstant tief. Die Studie beleuchtet die individuellen, lage- und systembedingten Gründe dafür und zeigt auf, warum ältere Menschen nicht für eine Fehlallokation von Wohnraum verantwortlich gemacht werden sollten. Die oft geäusserte Vermutung, ältere Menschen würden unverhältnismässig viele Einfamilienhäuser beanspruchen, konnte zum Beispiel nicht bestätigt werden. Personen ab 76 Jahren, die ausschliesslich mit Personen derselben Altersgruppe in Einfamilienhäusern wohnen, machen lediglich 5.8% der Einfamilienhausbewohnenden und 1.5% der Schweizer Bevölkerung aus.
Insgesamt spricht viel dafür, ältere Menschen in ihren bestehenden Wohnsituationen bestmöglich zu unterstützen und sie besser in die regulären Wohnungsmärkte zu integrieren, falls sie sich dennoch für einen Umzug entscheiden. Denn mit der überwiegenden Vermietungspraxis sind ältere Menschen bei der Wohnungssuche oftmals chancenlos. Und das liegt nicht am Einkommen, sondern an Risikoaversion, längeren Entscheidungswegen sowie Nachteilen bei Massenbesichtigungen und in digitalen Bewerbungsprozessen.
Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass die überwiegende Mehrheit von Menschen ab 76 Jahren unter verschiedenen Gesichtspunkten in günstigen Bedingungen wohnt. Sie leben oft in zentral gelegenen Mehrfamilienhäusern in einem infrastrukturell gut erschlossenen Umfeld zu günstigen Mieten und auch mit tiefer Mietbelastung. Allerdings gibt es Herausforderungen, insbesondere durch das hohe Alter vieler Gebäude. 63 % der Wohnungen von Personen ab 76 Jahren wurden vor 1980 gebaut – zu einer Zeit, als Barrierefreiheit nur selten berücksichtigt wurde. Anpassungen an altersgerechte Standards sind oft nur mit grossem Aufwand möglich.
Rund ein Viertel der Haushalte, die ausschliesslich aus Personen ab 76 Jahren bestehen, wohnen in Einfamilienhäusern. Diese Zahl entspricht mit 24 % nahezu dem landesweiten Durchschnitt von 22 %. Die oft geäusserte Vermutung, ältere Menschen würden unverhältnismässig viele Einfamilienhäuser beanspruchen, konnte damit nicht bestätigt werden. Personen ab 76 Jahren, die ausschliesslich mit Personen derselben Altersgruppe in Einfamilienhäusern wohnen, machen lediglich 5.8 % der Einfamilienhausbewohnenden aus. Gemessen an der gesamten Schweizer Bevölkerung entspricht diese Personengruppe einem Anteil von 1.5 %, was zeigt, dass diese Gruppe nur einen geringen Einfluss auf die Wohnraumverfügbarkeit hat.
In Anlehnung an die gängige wissenschaftliche Literatur wurde besonderes Augenmerk auf ältere Menschen in Einpersonenhaushalten gelegt. Diese Gruppe ist häufig finanziell und sozial vulnerabel, da sie auf eine einzelne Rente angewiesen ist. Besonders betroffen sind alleinstehende Frauen, die aufgrund niedrigerer Erwerbseinkommen im Durchschnitt geringere Renten beziehen. Fast die Hälfte (47 %) der Frauen zwischen 76 und 85 Jahren lebt allein, bei den über 86-Jährigen steigt dieser Anteil auf 68 %. Insgesamt gab es 2022 in der Schweiz 273’897 alleinstehende Personen ab 76 Jahren, was rund 3 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Rund dreiviertel hiervon sind Frauen.
Die Mobilität älterer Menschen auf dem Wohnungsmarkt ist sehr gering. Im Jahr 2022 zogen nur 5.1 % der Personen ab 76 Jahren um, davon rund die Hälfte in Alters- oder Pflegeheime. Auf dem regulären Wohnungsmarkt verbleibt somit eine Umzugsquote von nur 2.5 %. Betrachtet man alle Menschen ab 66 Jahren, liegt diese Quote bei 3.1 %. Absolut betrachtet betrifft dies jährlich etwa 50’000 Menschen, was lediglich 6.1 % aller registrierten Umzüge im regulären Wohnungsmarkt ausmacht.
Es bleibt unklar, ob ein erweitertes Angebot an altersgerechten Wohnungen die Umzugsquote steigern könnte. Studien und Literatur weisen darauf hin, dass ältere Menschen oft eine starke emotionale Bindung an ihre bisherige Wohnung haben und nur ungern umziehen. Dazu kommt der finanzielle Faktor: Langfristige Mietverträge führen oft zu Bestandsmieten, die deutlich unter den aktuellen Marktmieten liegen. Ein Umzug würde für viele ältere Menschen höhere Mietkosten bedeuten, was abschreckend wirkt – selbst wenn die meisten Haushalte diese Mehrkosten grundsätzlich bewältigen könnten. Auch in Zeiten besserer Verfügbarkeit von Wohnungen war die Umzugsquote nicht signifikant höher, sondern blieb über das letzte Jahrzehnt konstant niedrig, trotz deutlich sinkender Leerstandsquoten.
Ein weiteres Hindernis ist der geringe Umzugsradius: Die Hälfte der Umzüge älterer Menschen erfolgt innerhalb eines Radius von nur 2 Kilometern. Dies zeigt, wie stark ältere Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung verwurzelt sind und wie wichtig eine kleinteilige Verteilung altersgerechter Wohnangebote wäre. Gleichzeitig fehlen bei solchen Angeboten für die Anbieter oft Grösseneffekte und Nachfragesicherheit.
Diese Erkenntnisse sprechen dafür, ältere Menschen in der bisherigen Wohnung zu unterstützen. Hindernisfreiheit muss dafür nicht nur baulich gegeben sein, sondern auch prozessual. Falls ältere Menschen sich für einen Umzug entscheiden, werden sie durch digitale Prozesse, wenige, kurzfristige und kurze Besichtigungen respektive schnelle Entscheidungen seitens der Wohnungsbewerbenden bei der Wohnungssuche benachteiligt. Würden hingegen im Vermietungsprozess ihre Bedürfnisse berücksichtigt, entstünde in den seltenen Fällen, in denen sich ältere Menschen für einen Umzug entscheiden, eine realistische Chance auf eine neue Wohnung. Die in diesem Bericht verwendete Schätzung der Renten auf Basis der früheren Erwerbseinkommen signalisiert, dass Menschen aufgrund ihres Alters finanziell nicht signifikant schlechter gestellt sind als jüngere Menschen, und auch aus diesem Grund nicht systematisch schlechtere Chancen für eine neue Wohnung haben sollten.
Der gesundheitliche Zustand der Menschen wurde in dieser Studie nicht untersucht. Dieser dürfte jedoch in den meisten Fällen darüber entscheiden, ob eine Wohnsituation tragbar ist oder nicht. Menschen, die sich auch im höheren Alter einer guten Gesundheit erfreuen, und in ihrer (langjährigen) Wohnsituation glücklich sind, haben keinen Grund zu handeln. Deshalb wird auch die Annahme, dass Menschen aus alten, nicht altersgerechten Wohnungen oder Einfamilienhäusern früher in Altersheime umziehen (müssen) als jene, die ihre Wohnsituation bereits verändert haben, nicht bestätigt. Ältere Menschen, die in Gebäuden leben, die vor 1960 erstellt wurden, ziehen 0.9 Jahre später in ein Altersheim als ältere Menschen, die bereits in ein neueres Mehrfamilienhaus umgezogen sind – möglicherweise gerade, weil ihr Gesundheitszustand sie dazu bewegt hat oder weil das Mehrfamilienhaus in der Nähe oder in einem organisatorischen Kontext zu einem Altersheim erstellt wurde.
Insgesamt unterstützen die Beobachtungen einer im Alter abnehmenden Umzugsquote im regulären Wohnungsmarkt respektive einer im Alter ansteigenden Umzugsquote in Alters- und Pflegeheime im hohen Alter die Thesen, dass Menschen im Alter selten freiwillig und präventiv handeln, oder dass dies nicht notwendig ist, weil sie sich in ihrer bestehenden Situation gut versorgen (lassen) können. Um die Wünsche und Bedürfnisse älterer Menschen bezüglich ihrer Wohnsituation zu unterstützen, spricht daher viel dafür, sie (1) in ihren bestehenden Wohnsituationen bestmöglich zu unterstützen, sie (2) in die regulären Wohnungsmärkte zu integrieren, falls sie sich für einen Umzug entscheiden und ihnen damit (3) ein möglichst langes selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen. Spezifische neue Wohnangebote scheinen (4) dann erfolgreich zu sein, wenn sie Sicherheit durch geografische oder organisatorische Nähe zu Pflegeinrichtungen oder Altersheimen vermitteln.
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