17. Februar 2025
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Schweizer Städten wird immer dringlicher, da steigende Mietpreise besonders einkommensschwache Haushalte belasten. Gemeinnützige Bauträger leisten einen wichtigen Beitrag, indem sie kostengünstigen Wohnraum bereitstellen. Um die soziale Nachhaltigkeit in den Städten langfristig zu erhalten, sind politische Entscheidungen und neue Formen der Zusammenarbeit erforderlich. Durch gezielte Förderung und intelligente Verdichtung könnte mehr preisgünstiger Wohnraum entstehen.
Ein Artikel von Sebastian Havlik und Vinzenz Germann
Wohnen in der Schweiz wird für viele Menschen zu einer immer grösseren finanziellen Belastung. Der Mietwohnungsmarkt ist angespannt. Die Mieten steigen, während der Wohnraum begrenzt bleibt. Die Ursachen sind vielschichtig. Das Bevölkerungswachstum hält die Nachfrage hoch, während sich angebotsseitig die knappe Verfügbarkeit von Bauland und steigende Bodenpreise negativ auswirken (Wüest Partner AG, 2024, S.13).
Der Preisanstieg betrifft zwar auch Agglomerationen und ländliche Gebiete aber städtische Zentren sind ganz besonders betroffen (Albrecht, 2023; Wüest Partner AG, 2024, S. 24). In Städten wie Zürich sind die Mietpreise in den letzten zwei Jahren um bis zu 9 % gestiegen (Albrecht, 2023; Prader, 2024a).
Angebotsseitig ist die Neubautätigkeit auf einem Tiefpunkt angelangt und vermag nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten (Albrecht, 2023). Im Jahr 2023 wurden schweizweit nur 24‘200 Neubaugenehmigungen erteilt, 15 % weniger als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Besonders vom Angebotsrückgang betroffen ist das preisgünstige Segment, das heisst Wohnungen mit einem Mietzins unterhalb von 1’500 Franken pro Monat (ohne Nebenkosten), deren Anteil gegenüber dem Jahr 2020 um 39 % zurückgegangen ist (Wüest Partner AG, 2024, S. 24).
Die Grafik zeigt, dass in den grossen Schweizer Städten, insbesondere im unteren und mittleren Preissegment, ein erheblicher Mangel an Mietwohnungen und Eigentumsobjekten besteht. Das gemeinnützige Wohnungsangebot wird ebenfalls als unzureichend wahrgenommen, während im oberen Preissegment ein Überangebot herrscht. Dies deutet auf eine Ungleichverteilung von Angebot und Nachfrage in den unterschiedlichen Preissegmenten auf den Wohnungsmärkten der grossen Schweizer Städte hin.
Zur Lösung des Problems, trägt das Angebot der gemeinnützigen Wohnbauträger bei. Sie verfolgen das Prinzip der Kostenmiete und wirtschaften nicht renditeorientiert. Nebst Stiftungen und Vereinen, kommt insbesondere den Genossenschaften eine zentrale Rolle in der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum zu (Bodmer, 2023, S. 84; Meyer, 2024). Deren Mietpreise liegen oft 15 bis 30 % unter den marktüblichen Mieten. (Martel, 2018). Der Preisvorteil entsteht nicht, weil Genossenschaften günstiger bauen, sondern durch langfristige Bewirtschaftungshorizonte und staatliche Förderungen, wie zinsgünstige Darlehen oder vergünstigte Baurechte (Plüss, 2024). Zudem wohnen Mietende in Genossenschaften auf weniger Fläche pro Kopf als auf dem freien Mietwohnungsmarkt (Martel, 2018). Unter diesen Voraussetzungen gelingt es Genossenschaften, auch in teuren Städten wie Zürich, bezahlbaren Wohnraum anzubieten.
Nirgendwo sonst in der Schweiz ist der Anteil an gemeinnützigen Wohnungen so hoch wie in Zürich (Martel, 2018). Die Stadt plant bis 2050 ein Drittel aller Wohnungen als gemeinnützig auszuweisen. Ein ambitioniertes Vorhaben, in Anbetracht knapper Baulandverfügbarkeit und steigender Bodenpreise. Abhilfe schaffen soll das Ersetzen und Verdichten im Bestand. Doch dadurch steigt die Komplexität der Vorhaben, und damit die Gefahr von Verzögerungen im Umsetzungsprozess (Müller, 2023; Plüss, 2024).
Institutionelle Anleger, wie Banken und Pensionskassen kontrollieren mittlerweile erhebliche Teile der städtischen Wohnungsmärkte und maximieren ihre Renditen. Dies führt dazu, dass Kapitalinteressen dominieren und die Bedürfnisse von Mietenden in den Hintergrund treten (SRF-Redaktion, 2024; Tobler, 2023). Dadurch entsteht ein Insider-Outsider-Problem: Langzeitmieter profitieren von günstigen Bestandsmieten, während neue Mieter stark überhöhte Angebotsmieten zahlen müssen (Zulliger & Honegger, 2024).
Gleichzeitig ist der Schweizer Mietwohnungsmarkt kein freier Markt ohne Regeln. Doch die Mietzinsregulierung in der Schweiz weist Schwächen auf. Obwohl die zulässige Nettorendite gesetzlich gedeckelt ist, gibt es kaum staatliche Kontrollen. Überhöhte Angebotsmieten werden selten angefochten, weil sich viele Betroffene davor scheuen. Dies führt zu einer schleichenden Umverteilung von Mietenden hin zu institutionellen Anlegern (Tobler, 2023).
In der aktuell angespannten Lage werden die beschriebenen Umstände politisch zum Anlass genommen, strengere Mietzinsregulierungen einzufordern. In mehreren Städten und Kantonen wurden Initiativen dazu lanciert (Albrecht, 2023). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass überregulierte Märkte wie beispielsweise in Berlin, Investorinnen und Investoren wenig Anreize bieten, neue Wohnungen zu erstellen. «Die Warteschlangen bei den Wohnungsbesichtigungen werden noch länger. Das Insider-Outsider-Problem verschärft sich», sagt der Immobilien-Ökonom Christian Hilber in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (Zulliger & Honegger, 2024).
Der Bau von zusätzlichen Wohnungen leidet nicht nur unter den erläuterten ökonomischen Sachzwängen, es gibt auch politischen Widerstand gegen Entwicklungsprojekte. Das Schweizer Raumplanungsgesetz verfolgt seit Jahren das Ziel der Siedlungsentwicklung nach innen, doch in der Praxis stossen Verdichtungsvorhaben oft auf Akzeptanzprobleme (Zulliger & Honegger, 2024). Insbesondere die Angst vor einer Verschlechterung der Lebensqualität in den betroffenen Quartieren hemmt die Realisierung neuer Wohnungen (Meyer, 2024). Ein zentrales Hindernis ist das «Not-in-my-backyard»-Phänomen (NIMBY). Anwohner befürchten negative Auswirkungen wie Lärm oder erhöhtes Verkehrsaufkommen. Um dieses Dilemma zu lösen, schlägt Hilber vor, die richtigen Anreize zu setzen, etwa eine höhere Ausnützung zu erlauben und stattdessen die betroffenen Anwohner finanziell zu entschädigen: «Einen Teil dieses Planungsgewinns könnte man [bei den Projektentwicklern] abschöpfen und den umliegenden Anwohnern zugutekommen lassen.» (Zulliger & Honegger, 2024). Damit könnte nicht nur die Akzeptanz erhöht, sondern auch die Rechtsunsicherheit für Projektentwickler verringert werden. Forschungsergebnisse der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) zeigen zudem, dass sozial und ökologisch orientierte Projekte ebenfalls auf eine höhere Akzeptanz stossen. Grünflächen, gemeinschaftliche Wohnformen oder Projekte von gemeinnützigen Bauträgern wirken sich begünstigend aus (Meyer, 2024).
Die Diskussion über die beste Methode zur Förderung von preisgünstigem Wohnraum konzentriert sich auf zwei Ansätze (Bodmer, 2023, S. 82): Die Subjektförderung umfasst finanzielle Unterstützung für Mieterinnen und Mieter, während die Objektförderung den sozialen Wohnungsbau meint.
Mietsubventionen bieten einkommensschwachen Haushalten kurzfristige finanzielle Entlastung. Ihr Vorteil besteht darin, Unterstützung gezielt zu verteilen, ähnlich wie zum Beispiel Ergänzungsleistungen in der Altersvorsorge. Allerdings fehlen in der Schweiz bisher die notwendigen Strukturen für eine effektive Umsetzung (Bodmer, 2023, S. 82). Zudem besteht die Gefahr, dass Subventionen die Mietpreise weiter erhöhen. Durch die gesteigerte Zahlungsfähigkeit der Mietenden könnte bei gleichbleibendem Wohnungsangebot die Nachfrage steigen, was zu höheren Mieten führt. Die Subventionen könnten dadurch ihre Wirkung verfehlen und stattdessen den Vermieterinnen und Vermietern zugutekommen, die von steigenden Renditen profitieren (Albrecht, 2023).
Im Gegensatz dazu stellt der soziale Wohnungsbau eine langfristige Lösung zur Schaffung von erschwinglichem Wohnraum dar. So betont zum Beispiel der Dachverband der Zürcher Wohnbaugenossenschaften, dass seine Mitglieder einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung von Wohnraum für einkommensschwache Haushalte leisten und zur sozialen Vielfalt sowie Durchmischung der Stadtbevölkerung beitragen (Wohnbaugenossenschaften Schweiz, Regionalverband Zürich, 2021, S. 19). Auch die städtischen Wohnbaustiftungen versprechen sozial nachhaltige Lösungen (Prader, 2024b).
Allerdings ist die Zielgerechtigkeit des Fördermittels nicht immer gegeben. Oft profitieren nicht nur einkommensschwache, sondern auch Haushalte mit höheren Einkommen von den günstigen Mietpreisen (Bodmer, 2023, S. 84).
Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum stellt eine der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen der aktuellen Zeit dar (gfs.bern, 2023). Die Rahmenbedingungen deuten auf weiterhin steigende Preise hin (Wüest Partner AG, 2024) . Um einen geeigneten Umgang damit zu finden, sind der Einbezug aller Akteure und innovative Ansätze gefragt.
Es bedarf der verstärkter Neubautätigkeit (Wüest Partner AG, 2024, S. 28). Wenn Politik und Gesellschaft es sowohl mit der Verdichtung nach Innen als auch mit der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ernst meinen, gilt es regulatorische Hürden und Akzeptanzprobleme abzubauen. Langwierige Bewilligungen und komplexe Regulierungen bremsen den Wohnungsbau. Vereinfachte Verfahren und beschleunigte Bearbeitung würden helfen, Bauvorhaben zügiger umzusetzen (Zulliger & Honegger, 2024). Sozial nachhaltige Konzepte erzeugen positive gesellschaftliche Resonanz (Meyer, 2024). Um Widerstand zu vermeiden, sollte diesem Umstand in der Projektentwicklung mehr Berücksichtigung geschenkt werden. Eine gerechtere Verteilung der Vorteile, etwa durch die Beteiligung der Anwohner an Planungsgewinnen, stellt zudem einen interessanten Ansatz dar, um Widerstand und Rechtsunsicherheit abzubauen (Zulliger & Honegger, 2024).
Überregulierung gilt es zu verhindern, während sowohl Objekt- als auch Subjektförderung ihre Berechtigung haben. In welchem Ausmass welcher Ansatz zum Tragen kommen soll, gilt es laufend politisch zu verhandeln. Die starke Präsenz der institutionellen Investoren auf dem Mietwohnungsmarkt führt zu einer zunehmenden Ausrichtung auf Renditeinteressen (Tobler, 2023). Dies weckt das Begehren nach verstärkter Regulierung. Eine Alternative dazu bieten die gemeinnützigen Wohnbauträger. Wenn der Presse jedoch zu entnehmen ist: «Bemerkenswert viele Zürcher Politiker wohnen offenbar in gemeinnützigen Wohnungen» (Plüss, 2024), schadet dies der gesellschaftlichen Akzeptanz des Ansatzes. Genossenschaften schaffen zwar nachhaltig bezahlbaren Wohnraum, sind aber sozial nicht zwingend nachhaltig. Transparente Vergabekriterien würde helfen, dass die Bedürftigsten davon profitieren und nicht Personen mit besseren Netzwerken (Martel, 2018). Diesem Missstand könnte zudem gezielt mit der Subjektförderung begegnet werden (Bodmer, 2023).
Literaturverzeichnis:
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