17. März 2025
Die Schweiz strebt mit dem Klima- und Innovationsgesetz von 2023 an, den Gebäudepark bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, sind sowohl die Modernisierung bestehender Gebäude als auch der Bau nachhaltiger Neubauten entscheidend. Der Fokus liegt auf der Reduktion von CO2-Emissionen und Energieverbrauch durch innovative Materialien und Technologien. Diese Transformation erfordert ein Umdenken im Wohnungsbau, um Klimaziele, Wohnungsknappheit und demografische Veränderungen zu bewältigen. Der Artikel beleuchtet aktuelle Materialinnovationen, die sich für den Einsatz in der Schweiz eignen.
Ein Artikel von Julia Thalmann und Roger Theiler
Mit 23,9 % der CO2-Emissionen und 44,4 % des Energieverbrauchs trägt der Bausektor erheblich zur Umweltbelastung bei (EnergieSchweiz, Bundesamt für Energie (BFE), 2024)
. Die Modernisierung bestehender Gebäude und der Bau nachhaltiger Neubauten sind daher unverzichtbar, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Um die CO2-Emissionen und den Energieverbrauch sowohl bei der Herstellung als auch bei der Nutzung von Gebäuden zu reduzieren, ist es sinnvoll, bereits bei der Auswahl der Materialien anzusetzen. Dies hat auch die Bauwirtschaft erkannt und arbeitet an verschiedenen Innovationen und Weiterentwicklungen bereits etablierter Werkstoffe. In diesem Zusammenhang gibt es Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die auf bewährte, teilweise historische natürliche Materialien zurückgreifen. Diese Materialien, die sich über Jahrhunderte hinweg bewährt haben, erleben derzeit eine kleine Renaissance. Dank moderner technischer Weiterentwicklungen sind sie nun auch für den Bau von Mehrfamilienhäusern geeignet.
Traditionelle Materialien wie Stroh, Hanf und Lehm bieten ökologische Vorteile und hervorragende bauphysikalische Eigenschaften, wie natürliche Wärmedämmung und Feuchtigkeitsregulierung. Durch innovative Verarbeitungsmethoden können sie den heutigen Anforderungen an Energieeffizienz gerecht werden.
Es bestehen jedoch Herausforderungen bei der Skalierung auf die erforderlichen Mengen und der Förderung der Akzeptanz dieser Materialien. Zudem ist der Aufbau von Fachwissen und eine strukturelle Umgestaltung der Bauindustrie notwendig, um den effektiven Einsatz dieser Materialien zu gewährleisten. Diese Aspekte schränken derzeit den weit verbreiteten Einsatz natürlicher Materialien ein, obwohl sie erhebliches Potenzial zur Verringerung der Umweltbelastung und zur Erreichung der Klimaziele besitzen.
Ein Übergang zu geläufigeren Ansätzen zeigt sich auch in der Weiterentwicklung konventioneller Baumaterialien. Moderne Betonmischungen, die recycelte Materialien enthalten, und energieeffiziente Ziegelsteine sind Beispiele dafür, wie traditionelle Baustoffe nachhaltiger gestaltet werden können. Diese Entwicklungen ergänzen die Nutzung von Naturmaterialien und schaffen eine Brücke zu innovativen Sanierungsansätzen.
Eine dieser Methoden, die die Vorzüge traditioneller und moderner Materialien vereint, ist das Energiesprong-Prinzip. Entwickelt in den Niederlanden, dient es dem Ziel, sowohl den Klimaschutz als auch bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Durch die Vorfertigung von Bauelementen aus verschiedenen Materialien im Werk wird eine effiziente und nachhaltige Gebäuderenovierung ermöglicht. Digitale Prozesse, modernste Technik und erneuerbare Energien werden genutzt, um den Sanierungsprozess erheblich zu beschleunigen (Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), kein Datum).
Durch die Integration von traditionellen Materialien, weiterentwickelten konventionellen Baustoffen und neuen Sanierungsansätzen wird eine umfassende Lösung geschaffen, die sowohl die ökologischen als auch die ökonomischen Anforderungen moderner Bauprojekte erfüllt. Diese ganzheitliche Herangehensweise trägt dazu bei, die Umweltbelastung zu reduzieren und gleichzeitig die Effizienz und Nachhaltigkeit im Bauwesen zu steigern.
Holz ist ein vielseitiges und nachhaltiges Baumaterial, das in der Schweiz regional verfügbar ist. Es eignet sich für Tragkonstruktionen, Fassaden, Innenausbau und Dämmmaterialien, wobei Massivholz gegenüber verleimten Holzplatten bevorzugt wird. Holz speichert CO₂ während seines Wachstums und hält es gebunden, solange es nicht verrottet oder verbrannt wird (Kunnala & Rogiers, 2021)
. Die Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (sog. UNFCCC) erkennt die Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten als bedeutende Strategie zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen an (UNFCCC. Secretariat, 2003). Besonders im mehrgeschossigen Wohnbau hat sich Holz als flexible und zukunftsorientierte Alternative bewährt. Allerdings ist die breite Anwendung von Schweizer Holz für den Wohnungs- und Hochbau begrenzt, da die Nutzungsrate die Wachstumsrate nicht übersteigen darf, um Biodiversität und CO₂-Speicherung der Wälder zu schützen. Bei Grossprojekten kann es nötig sein, Holz aus dem Ausland zu beziehen, was wirtschaftlich und ethisch problematisch sein kann. Daher ist es wichtig, Holz effizient zu nutzen, Verschnitte und Abfälle wiederzuverwenden und die Anwendung von Massivholz zu optimieren.
Neben Holz gibt es auch andere innovative Ansätze, um nachhaltiges Bauen voranzutreiben. Fredy Iseli, Architekt und Erfinder von Eco-/Bamboocell, hat ein umweltfreundliches Bausystem entwickelt, das eine Alternative zu traditionellen Baumaterialien bietet. Wie (Iseli, 2024)
erklärt, basiert das Ganze auf einer Rohwabe aus Karton. Durch die Nutzung von 100 % recyceltem Papier und Karton aus nachwachsenden Rohstoffen lebt die Wabe eine aktive Kreislaufwirtschaft und verursacht nur sehr geringe CO2-Emissionen. Die gesamte Wabenstruktur wird durch ein patentiertes Verfahren mit einer mineralischen Beschichtung überzogen und sozusagen versteinert. Dadurch entsteht eine Wärmedämmung mit Eigenschaften ähnlich wie Polystyrol. Zusammen mit einer Beplankung aus Holz oder anderen Werkstoffen entsteht eine belastbare Verbundkonstruktion. Diese Technologie eignet sich für tragende Strukturen und ist in Verbindung mit Bambus besonders elastisch. In der Ostschweiz wurde das System erfolgreich in Projekten eingesetzt, um Mehrfamilienhäuser zu bauen. Ab Sommer 2025 plant (Iseli, 2024)
, Fassadenteile und vorfabrizierte Hausteile anzubieten, die vor Ort zu ganzen Häusern montiert werden können.
Um den Klimazielen gerecht zu werden, ist die Weiterentwicklung von Baumaterialien wie Beton unerlässlich. In der Schweiz werden jährlich etwa 40 Millionen Tonnen Beton verbraucht, was fast der Hälfte aller neu verwendeten Materialien entspricht und seine Bedeutung im Bauwesen unterstreicht (Das Portal der Schweizer Regierung, 2021). Trotz der umweltschädlichen Produktion, vor allem durch den Zementanteil, der viel CO₂ verursacht, bleibt Beton wegen seiner stabilen Eigenschaften unverzichtbar. Die Zementindustrie trägt zu etwa 8 % der weltweiten CO₂-Emissionen bei (Troxler, Oh, & Contangelo, 2024). Zur Reduzierung der Umweltbelastung wird Beton zunehmend statisch und strukturell optimiert, um Stabilität mit weniger Material und Zement zu erreichen.
Die Berner Firma Neustark hat eine Methode entwickelt, bei der CO₂ in Abbruchbeton gespeichert wird, was bereits zur Speicherung von 2’500 Tonnen CO₂ geführt hat (neustark AG, 2024). Ein weiterer Ansatz ist die Integration von Biokohle in Beton, wie von der (ETH Zürich, 2023) erforscht. Diese Methode ermöglicht die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid und kann Beton CO₂-neutral oder sogar CO₂-negativ machen. Zirkulit Beton ist ein zertifizierter Baustoff, der Bauabfälle als Ressource nutzt, um neue Materialien zu entwickeln. Mit seiner innovativen CO₂-Speichertechnologie, die als erste Negativemissions-Technologie in der Schweiz gilt, setzt er neue Massstäbe für nachhaltiges und umweltfreundliches Bauen (zirkulit Beton AG, kein Datum). Diese Entwicklungen in der Betonindustrie sind Teil eines grösseren Trends zur nachhaltigen Gestaltung traditioneller Baustoffe. Moderne Betonmischungen, die recycelte Materialien enthalten, zeigen, wie traditionelle Materialien mit den heutigen Nachhaltigkeitsanforderungen in Einklang gebracht werden können.
Eine vielversprechende Produktentwicklung, die bereits marktreif ist und in Pilotprojekten eingesetzt wird, ist Carbon Prestressed Concrete (CPC). Diese innovative Technologie hat das Potenzial, im Bauwesen eine führende Rolle in den kommenden Jahren zu übernehmen. Sie überwindet die Herausforderungen traditioneller Baumaterialien und setzt neue Massstäbe für Nachhaltigkeit und Effizienz. Durch die Integration in hybride Konstruktionen kann CPC entscheidend zur Erreichung ehrgeiziger Klimaziele beitragen. Diese Technologie bringt sowohl erheb-liche Vorteile als auch einige Herausforderungen mit sich. Ein wesentlicher Vorteil von CPC ist seine Korrosionsbeständigkeit. Da CPC-Platten keine Stahlarmierung verwenden, sind sie unempfindlich gegenüber Rost, was die Lebensdauer der Bauwerke erheblich verlängert. Zusätzlich zeichnet sich CPC durch eine bemerkenswerte Ressourceneffizienz aus. Im Interview betont Josef Kurath vom Institut Bautechnologie und Prozesse an der ZHAW, dass seine Entwicklung das Problem der Korrosion löst und eine Mengenreduktion des bisher verwendeten Betons mit sich bringt. Im Vergleich zu herkömmlichen Stahlbetonlösungen benötigt CPC bis zu 50 % weniger Beton. Diese Materialreduktion führt nicht nur zu einem geringeren Ressourcenverbrauch, sondern auch zu einer signifikanten Verringerung des CO₂-Fussabdrucks, was einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bauwesen leistet.
Ein weiterer Vorteil ist die Leichtbauweise von CPC. Die Kombination der Druckfestigkeit von Beton mit der Zugfestigkeit von Carbonfasern ermöglicht die Herstellung von Konstruktionen, die sowohl leichter als auch stärker sind. Dies erleichtert den Transport und die Montage der Bauelemente und beschleunigt den Bauprozess erheblich. CPC-Elemente zeichnen sich zu-dem durch ihre Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit aus. Mit einer Lebensdauer von über 100 Jahren und der Möglichkeit, am Ende ihrer Nutzungsdauer vollständig recycelt zu wer-den, tragen sie zur Schliessung des Materialkreislaufs bei. Die Carbonfasern lassen sich vom Beton trennen, was eine effiziente Wiederverwertung ermöglicht.
CPC-Platten sind besonders geeignet für die Vorproduktion und flache, tragende Betonteile. Sie haben sich in Projekten wie Balkonanbauten und Deckenelementen bewährt, wo sie durch ihre leichte und tragfähige Natur überzeugen. Aktuell wird laut (Kurath, 2024) an Optimierungen für Tragestruktur und grossflächige Deckenverbindungen für den Einsatz im Bau von Mehrfamilienhäusern über mehrere Etagen geforscht. Mit dem aktuellen Ausstoss an Platten sind gut 120 Wohnungen pro Jahr möglich, sagt (Kurath, 2024).
Trotz dieser Vorteile gibt es jedoch auch einige Herausforderungen. Die Herstellung von CPC-Platten ist derzeit kostenintensiver als die von klassischen Betonelementen, da die Carbonfasern teuer sind. Dies stellt eine wirtschaftliche Herausforderung dar, insbesondere in der Anfangsphase der Technologieeinführung. Christophe Berset, Head of New Solutions bei Holcim Schweiz, der an der Industrialisierung und Vermarktung des Hochleistungswerkstoffs mitgewirkt hat, ist sich dieser Problematik bewusst (Rütsche, 2024). Zudem ist CPC nicht für alle Bauformen geeignet. Beispielsweise können gerundete Objekte wie Rohre nicht aus CPC gefertigt werden, da die Carbonfasern flach liegen müssen, um ihre volle Kraft zu entfalten. Ein weiteres Hindernis ist die Notwendigkeit, die Produktion zu skalieren, um Kosten zu senken und die Verfügbarkeit zu erhöhen. Dieser Prozess erfordert Zeit und Investitionen. Obwohl die Herstellung und Weiterverarbeitung von CPC-Platten derzeit aufwendig und teuer ist, sieht Professor Kurath dennoch grosses Potenzial in der Skalierung seiner Entwicklung. An das Potenzial glaubt auch Holcim. Mit ihrer Tochtergesellschaft Vetra hat das Unternehmen in Essen bei Oldenburg die weltweit erste grössere Produktionsstätte aufgebaut, um den deutschen, niederländischen und skandinavischen Markt zu beliefern (Holcim (Deutschland) GmbH, 2021).
Die Schweiz steht vor der Herausforderung, ihre Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig den steigenden Wohnungsbedarf zu decken. Laut WWF und dem Climate Action Tracker (CAT) sind die bisherigen Massnahmen unzureichend (Bradly & Turuban, 2024). Um das Klimaziel für 2050 zu erreichen, ist die Energieeffizienz von Neubauten und Bestandsgebäuden entscheidend. Über eine Million Häuser in der Schweiz sind sanierungsbedürftig, wobei Sanierungen 50 bis 75 % der Kohlenstoffemissionen und bis zu 60 % der Heizkosten senken können (EnergieSchweiz, Bundesamt für Energie (BFE), 2024). Staatliche Akteure, insbesondere die Kantone, können durch Lenkungsabgaben die Entwicklung beeinflussen.
Innovative Baustoffe, die natürliche Materialien mit standardisierten Prozessen und modernen Methoden kombinieren, können den CO₂-Fussabdruck erheblich reduzieren und eine klimafreundliche Immobilienwirtschaft fördern. Während traditionelle Materialien in Nischen eine Renaissance erleben, bieten innovative Materialien wie Eco-/Bamboocell vielversprechende Alternativen, da sie eine aktive Kreislaufwirtschaft unterstützen. Produkte wie CPC-Platten bieten Vorteile wie Korrosionsbeständigkeit und Ressourceneffizienz, spielen jedoch aufgrund ihrer begrenzten Verfügbarkeit nur eine teilweise Schlüsselrolle. Dennoch ist ein ganzheitlicher Ansatz entscheidend, der über die Klimaneutralität hinausgeht. Dieser sollte auch Materialrecycling sowie die Minimierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes umfassen, um die Umweltbelastung nachhaltig zu reduzieren und die Effizienz im Bauwesen zu steigern.
Konzepte wie das Energiesprong-Prinzip kombinieren traditionelle und moderne Ansätze, um Klimaschutz und bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Durch Vorfertigung und effiziente Bauprozesse können nachhaltige Renovierungen erreicht werden. Bauvorschriften und staatliche Anreize fördern die Einführung nachhaltiger Praktiken erheblich. Die Zusammenarbeit zwischen Architekten, Bauunternehmen und der Wissenschaft ist notwendig, um innovative Lösungen zu entwickeln, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind. Nur durch diesen umfassenden Ansatz kann die Schweiz ihre Klimaziele erreichen und den Wohnungsbedarf der Bevölkerung decken.
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