8. Dezember 2025
Städte stehen heute unter wachsendem Druck: Sie müssen soziale, ökologische und ökonomische Herausforderungen gleichzeitig bewältigen. Lebendige Quartiere bieten dafür einen vielversprechenden Ansatz. Sie vereinen funktionale Vielfalt, soziale Durchmischung und die aktive Mitgestaltung der Bewohnerschaft. Am Beispiel des Westfelds in Basel wird deutlich, wie solche Quartiere vorausschauend geplant und gemeinschaftlich umgesetzt werden können – als Modell für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung.
Ein Artikel von Lina Cecere und Sarah Nibali
Ein lebendiges Quartier reflektiert die gesellschaftliche Pluralität seiner Bewohner:innen – es vereint Menschen unterschiedlicher Herkunft, Altersgruppen, Lebensrealitäten und sozialer Milieus auf engem Raum. Diese Diversität ist kein Selbstzweck, sondern bildet die Grundlage für sozialen Austausch und gegenseitiges Lernen. Zentral für das Gelingen eines solchen Miteinanders ist ein offenes soziales Klima mit niederschwelligen Begegnungsmöglichkeiten. Institutionen, Gemeinschaftsinitiativen und lokale Infrastrukturen spielen dabei eine zentrale Rolle.
Soziale Nachhaltigkeit entfaltet sich in einem Quartier dann, wenn Strukturen geschaffen werden, die soziale Bindungen stärken. Dies erfordert ein vielfältiges Angebot an Treffpunkten und Aktivitäten sowie eine bewusste Durchmischung der Wohnbevölkerung. Besonders generationenübergreifende Orte – wie Grünflächen, Quartiertreffs oder Gemeinschaftsräume – fördern solidarische Beziehungen und verhindern soziale Segregation. Nach dem Bundesamt für Raumentwicklung entsteht sozialer Zusammenhalt dort, wo soziale Mischung, gute Erreichbarkeit und Beteiligung ineinandergreifen (Bundesamt für Raumentwicklung ARE, 2014, S. 24-25).
Vielfalt ist nicht nur Ausdruck gesellschaftlicher Realität, sondern eine zentrale Ressource für lebendige Quartiere. Voraussetzung dafür sind inklusive soziale Strukturen und eine konsequente Förderung des Austauschs im Alltag.
Wie kann diese Vielfalt konkret ermöglicht werden? Die Entwicklung nachhaltiger Quartiere setzt eine Abkehr von traditionellen Planungslogiken voraus. Statt ausschliesslich von Experten entworfene Strukturen zu etablieren, rückt zunehmend die aktive Mitwirkung der zukünftigen Bewohner:innen in den Fokus. Partizipative Verfahren stärken nicht nur die Identifikation mit dem Wohnumfeld, sondern ermöglichen die Integration vielfältiger Perspektiven – ein Aspekt, der insbesondere in heterogenen Stadtgesellschaften an Bedeutung gewinnt.
Nachhaltigkeit im Quartier entsteht nicht allein durch technologische Standards oder energieeffiziente Bauten, sondern wesentlich durch soziale Prozesse. Eine frühzeitige und kontinuierliche Einbindung der Bevölkerung fördert Vertrauen, reduziert Konflikte und schafft langfristige Akzeptanz. Laut dem Bundesamt für Raumentwicklung ist eine kooperative Planungskultur erforderlich, die nicht nur formelle Beteiligungsformate anbietet, sondern gezielt auch schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen anspricht (Rey, 2011, S. 19-21).
Mitwirkung ist mehr als ein demokratisches Ideal – sie ist eine praktische Notwendigkeit für resiliente Quartiere. Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn Planungsprozesse offen, inklusiv und dialogorientiert gestaltet werden.
Öffentliche Räume prägen massgeblich die Qualität des urbanen Zusammenlebens. In lebendigen Quartieren sind sie weit mehr als blosse Transit- oder Grünflächen – sie fungieren als soziale Infrastruktur. Plätze, Höfe, Wege und Erdgeschosszonen bieten Möglichkeiten zur Begegnung, zum informellen Austausch und zur aktiven Aneignung durch die Bewohnerschaft. Ein durchdachtes städtebauliches Konzept richtet daher den Blick nicht nur auf bauliche Dichte und Effizienz, sondern auf die soziale Funktionalität des Raumes.
Entscheidend ist, dass die Architektur eine Vielfalt von Nutzungen räumlich unterstützt: Orte zum Verweilen, zum Spielen, zum Arbeiten oder zur spontanen Interaktion. Besonders im Kontext des demografischen Wandels gewinnt die Gestaltung altersgerechter, barrierefreier Wohnumfelder an Bedeutung. Kurze Wege, gute Erreichbarkeit und eine angemessene Infrastruktur ermöglichen ein möglichst selbstständiges Leben auch im hohen Alter (Bundesamt für Raumentwicklung ARE, 2024, S. 12-13).
Lebendige Quartiere entstehen dort, wo architektonische Gestaltung soziale Teilhabe ermöglicht. Öffentliche Räume sind mehr als Kulisse – sie sind aktive Träger des Miteinanders.
Wie wird aus Planung gelebter Alltag? Die Lebensqualität eines Quartiers hängt nicht nur von dessen baulichen oder funktionalen Merkmalen ab, sondern massgeblich davon, wie stark sich die Bewohner:innen mit ihrem Wohnumfeld identifizieren. Wo Menschen aktiv Verantwortung übernehmen, entstehen langfristige Bindungen und soziale Netzwerke. Quartiere, in denen nicht nur konsumiert, sondern auch gestaltet wird, sind resilienter gegenüber sozialen Herausforderungen.
Dabei sind geeignete Rahmenbedingungen entscheidend: niederschwellige Beteiligungsformate, Zugang zu Räumen und Ressourcen sowie gezielte Förderung von Eigeninitiative. Die Rolle der öffentlichen Hand liegt nicht nur in der Ermöglichung, sondern auch in der aktiven Unterstützung solcher zivilgesellschaftlichen Prozesse.
Quartiersentwicklung gelingt dann, wenn sie nicht nur für, sondern mit den Menschen vor Ort erfolgt. Eine aktive Zivilgesellschaft ist der Motor für soziale Resilienz und lebendige Nachbarschaften.
Quartiere, in denen Wohnen, Arbeiten und Freizeit räumlich voneinander getrennt sind, verlieren häufig an Lebendigkeit. Monofunktionale Strukturen erzeugen nicht nur Leerlaufzeiten – etwa abends in Büroarealen oder tagsüber in reinen Wohnvierteln –, sondern fördern soziale Entkopplung. Ein nachhaltiges Quartier hingegen basiert auf funktionaler Vielfalt, bei der unterschiedliche Nutzungen sich gegenseitig ergänzen und überlappen (Bundesamt für Raumentwicklung ARE, 2024, S. 15).
Das Westfeld-Quartier in Basel veranschaulicht, wie eine kleinräumige Nutzungsvielfalt konkret umgesetzt werden kann. Die genossenschaftlich organisierten Wohnformen werden ergänzt durch gemeinschaftlich nutzbare Räume, soziale Einrichtungen und kleinteiliges Gewerbe. Kurze Wege und ein heterogenes Nutzungsangebot fördern hier sowohl soziale Integration als auch ökologische Effizienz (wohnen&mehr Baugenossenschaft , 2024).
Ein lebendiges Quartier lebt von der funktionalen Mischung. Nur wenn Wohnen, Arbeiten und Freizeit eng miteinander verzahnt sind, entstehen urbane Räume mit dauerhaft hoher Aufenthaltsqualität und sozialem Mehrwert.

Die Zukunftsfähigkeit eines Quartiers bemisst sich nicht allein an seiner aktuellen Qualität, sondern an seiner Fähigkeit, auf gesellschaftliche, technologische und klimatische Veränderungen zu reagieren. Flexibilität ist daher ein zentrales Prinzip für die Quartiersplanung der Zukunft. Gebäude und Freiräume müssen so gestaltet sein, dass sie vielfältige Nutzungen zulassen und sich veränderten Bedürfnissen anpassen lassen – etwa durch Umnutzungen, temporäre Formate oder modulare Bauweisen (Dalla Corte, 2024).
Konzepte wie die „15-Minuten-Stadt“ zeigen, wie urbane Lebensqualität durch Nähe und Zugänglichkeit neu gedacht werden kann (Bundesamt für Raumentwicklung ARE, 2013). Auch klimafreundliche Mobilität spielt eine Schlüsselrolle: Eine verkehrsarme Erschliessung mit Fokus auf Fuss- und Veloverbindungen sowie öffentlichem Verkehr verbessert nicht nur die Umweltbilanz, sondern fördert alltägliche Begegnung (Bundesamt für Raumentwicklung ARE, 2014, S. 30).
Die Zukunft lebendiger Quartiere liegt in ihrer Anpassungsfähigkeit, ökologischen Ausrichtung und der Fähigkeit, strukturellen Wandel zu integrieren. Ein zukunftsfähiges Quartier ist kein fertiges Produkt, sondern ein sozialer Prozess.
Lebendige Quartiere entstehen nicht zufällig. Sie sind das Ergebnis eines bewussten Zusammenspiels von Planung, Beteiligung, Architektur und sozialem Engagement. Ein zentrales Merkmal ist dabei die gezielte Förderung von Vielfalt – sowohl in sozialer als auch in funktionaler Hinsicht. Diese Vielfalt ermöglicht nicht nur ein integratives Miteinander, sondern stärkt auch die Alltagstauglichkeit und Resilienz eines Quartiers. Ebenso entscheidend ist die Einbindung der Bewohner:innen in die Entwicklung ihrer Lebensräume. Partizipation darf dabei nicht als formale Pflicht verstanden werden, sondern als tragende Säule einer demokratischen und zukunftsorientierten Stadtentwicklung.
Auch die räumliche Gestaltung spielt eine wesentliche Rolle: Architektur und Städtebau müssen soziale Teilhabe ermöglichen und Orte der Begegnung schaffen. Der gebaute Raum wird damit zur sozialen Infrastruktur, die weit über ihre physische Funktion hinauswirkt. Ergänzt wird dies durch eine kluge Verzahnung von Wohnen, Arbeiten und Freizeitangeboten, die nicht nur Wege verkürzt, sondern auch die urbane Lebensqualität erhöht. Letztlich zeigt sich die Zukunftsfähigkeit eines Quartiers darin, wie gut es in der Lage ist, sich wandelnden Bedürfnissen anzupassen – baulich, sozial und organisatorisch. Nur wenn diese Elemente ineinandergreifen, können Quartiere entstehen, die nachhaltig, gerecht und lebendig sind.
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