Heute läuft die Referendumsfrist zur Revision des privatrechtlichen Verjährungsrechts – aller Voraussicht nach ungenutzt – ab. Damit nimmt ein Gesetzgebungsprojekt sein Ende, das über zehn Jahre in Anspruch genommen hat und auch in der Öffentlichkeit breit und bisweilen emotionsgeladen diskutiert wurde. Der vorliegende Beitrag fasst die wichtigsten Neuerungen zusammen. Mit dem Inkrafttreten der neuen Regeln ist frühestens anfangs 2020 zu rechnen.
Die Debatte war nicht zuletzt durch das Bekanntwerden des Schicksals zahlreicher Asbestgeschädigter ausgelöst und befeuert worden. Bei ihnen führte die Anwendung des bestehenden Verjährungsrechts dazu, dass ihre Forderungen verjährt waren, lange bevor die asbestbedingte Krankheit ausbrach. Diese stossende Rechtslage bei sogenannten Langzeitschäden wurde nicht nur in der intensiven Medienberichterstattung angeprangert, sondern führte auch zu einer Verurteilung der Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Überarbeitung des geltenden Rechts entpuppte sich allerdings als politisch schwieriges Unterfangen. Auf den Gesetzesentwurf des Bundesrats vom 29. November 2013 folgten langwierige Diskussionen in den Räten. Im Juni 2018 wurde das neue Verjährungsrecht schliesslich vom Parlament verabschiedet. Die Referendumsfrist läuft heute – aller Voraussicht nach ungenutzt – ab.
Im Zentrum der Revision stehen – entsprechend dem Fokus des öffentlichen Interesses – die Neuerungen bei der Verjährung der Deliktshaftung (Art. 60 OR): Hier wird die als zu kurz kritisierte relative Verjährungsfrist von einem auf drei Jahre verlängert. Die absolute Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich weiterhin zehn Jahre. Für Forderungen bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung wird sie indessen auf zwanzig Jahre verlängert. Allerdings beginnt die absolute Verjährungsfrist weiterhin im Zeitpunkt der Pflichtverletzung – und nicht etwa des erkennbaren Schadenseintritts. Damit kann eine Schadenersatzforderung auch nach dem revidierten Verjährungsrecht verjährt sein, noch bevor der Schaden in Erscheinung tritt. Ob die Neuregelung mit Blick auf die Opfer von Langzeitschäden den Anforderungen des EGMR genügt, erscheint damit fraglich. Daneben wird im Bereich der deliktischen Verjährung die Sonderregelung für Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen aus strafbaren Handlungen überarbeitet.
Die allgemeinen Fristen der Verjährung der Vertragshaftung (Art. 127, 128 und 130 OR) werden im Zuge der Revision nicht geändert. Insbesondere hat das Parlament den Vorschlag des Bundesrats abgelehnt, Art. 128 OR mit seinem Katalog von Forderungen, die nach fünf Jahren verjähren, zu streichen. Damit bleibt es dabei, dass Vertragsforderungen im Allgemeinen nach zehn Jahren (Art. 127 OR) und in den Fällen von Art. 128 OR nach fünf Jahren jeweils ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit verjähren. Hinzu tritt nun aber mit dem neuen Art. 128a OR eine zusätzliche Gesetzesbestimmung für vertragliche Forderungen aus vertragswidriger Körperverletzung oder Tötung eines Menschen: Wie im Deliktsrecht gilt hier neu eine 3-jährige relative und eine 20-jährige absolute Verjährungsfrist.
Im Zuge der beabsichtigten Vereinheitlichung der Verjährungsfristen gilt auch bei der Verjährung des Bereicherungsanspruchs neu anstatt einer 1-jährigen, eine 3-jährige relative Frist. Die absolute Frist von zehn Jahren bleibt unverändert; auf die Einführung einer 20-jährigen absoluten Frist wie im Vertrags- und Deliktsrecht konnte verzichtet werden, weil Bereicherungsansprüche wegen Personenschäden nicht denkbar seien.
Neben den dargestellten Kernpunkten im Allgemeinen Teil des Obligationenrechts werden mit der Gesetzesrevision weitere Bestimmungen punktuell geändert oder präzisiert. So erfahren etwa die Bestimmungen zu Verjährungshemmung (Art. 134 OR), Verjährungsunterbrechung (Art. 135 ff. OR) und Verjährungsverzicht (Art. 141 OR) gewisse Neuerungen. Ferner werden einige Verjährungsfristen im Besonderen Teil des Obligationenrechts und in Spezialerlassen angepasst und vereinheitlicht. Einen Überblick hierzu bietet der Jusletter von Frédéric Krauskopf und Raphael Märki vom 2. Juli 2018.
Ab wann die Neuerungen im Verjährungsrecht gelten werden, ist bislang noch nicht klar. Ein Inkrafttreten vor anfangs 2020 erscheint jedoch unwahrscheinlich.
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