Stirbt ein Unternehmer oder eine Unternehmerin, stellt die Regelung der Nachfolge oftmals eine Herausforderung dar. Das geltende Erbrecht des schweizerischen Zivilgesetzbuchs, das keine besonderen Bestimmungen zur Vererbung von Unternehmen kennt, lässt viele Fragen offen und erschwert die Geschäftsübertragung. Mit einer Änderung des ZGB sollen nun einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden. Lesen Sie hier, was neu ist.
Die meisten Schweizer Unternehmen sind KMU. Sie stehen oft im Eigentum von einzelnen Inhaberinnen oder Inhabern, die gleichzeitig auch die Geschäftsführung ausüben. Das Thema der Unternehmensnachfolge beim Tod von Unternehmerinnen und Unternehmern ist daher für die schweizerische Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Das geltende Recht kennt aber kein besonderes Unternehmenserbrecht und so kommen hier die allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen des ZGB zur Anwendung. Je nach Verhältnissen des Einzelfalles kann dies zu Schwierigkeiten führen und sogar den Fortbestand des Unternehmens gefährden.
Aus erbrechtlicher Sicht unproblematisch sind normalerweise Fälle, in denen das Unternehmen frühzeitig zum Marktpreis an jemanden aus der Familie veräussert wird. Verkauft beispielsweise die Mutter ihr Unternehmen zu Lebzeiten zum Verkehrswert an ihren Sohn, geht der Erlös zuerst in das Vermögen der Mutter über und wird bei deren Tod nach den allgemeinen Regeln vererbt. Keine Schwierigkeiten treten weiter auf, wenn der Wert des Unternehmens im Vergleich zum gesamten Vermögen der Erblasserin oder des Erblassers nur einen geringen Teil ausmacht. Denn solange der Unternehmenswert den Umfang der verfügbaren Quote und des Pflichtteils des Erben oder der Erbin nicht übersteigt, welcher bzw. welche die Unternehmensnachfolge antreten soll und in diesem Sinne begünstigt wird, lässt sich die erbrechtliche Übertragung relativ unkompliziert realisieren. In der Praxis liegen die Verhältnisse aber oftmals anders: Vielfach macht nämlich das Unternehmen den grössten Teil des Erblasservermögens aus. Und dann kann insbesondere das geltende Pflichtteilsrecht die Unternehmensnachfolge erschweren oder gar verunmöglichen. Hat die familieninterne Nachfolgerin oder der Nachfolger selbst nicht die nötigen Mittel, um den Kaufpreis zu bezahlen und sind auch im Nachlass keine ausreichenden Vermögenswerte vorhanden, um die übrigen pflichtteilsgeschützten Erbinnen und Erben auszuzahlen, kann dies dazu führen, dass das Unternehmen aufgelöst und liquidiert werden muss.
Häufig werden deshalb heute Unternehmen nicht verkauft oder vererbt, sondern auf dem Weg eines Erbvorbezugs – unter Umständen verbunden mit einer (gemischten) Schenkung – an einen Nachkommen übertragen. Doch auch bei einer solchen Strukturierung des Geschäftsübergangs können Ausgleichszahlungen resultieren, die mitunter die finanziellen Möglichkeiten der Unternehmensnachfolgerin oder des Unternehmensnachfolgers übersteigen. Denn auch hier unterliegt der unentgeltliche Teil solcher Vorgänge beim Tod der Erblasserin oder des Erblassers der sogenannten Ausgleichung und es sind wiederum die Pflichtteile der weiteren Erbinnen und Erben zu berücksichtigen.
Zwar gibt es insbesondere ausserhalb des Erbrechts verschiedene Möglichkeiten, um die Nachlassplanung zu optimieren. Zu denken ist etwa an vertrags- und gesellschaftsrechtliche Vorkehrungen wie Aktionärsbindungsverträge zwischen Familienaktionären oder Nachfolge- und Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen. Weiter kann sich auch die Errichtung von Unternehmensstiftungen und Trusts anbieten. Trotzdem aber besteht bei der rechtlichen Ordnung der Unternehmensnachfolge Handlungsbedarf. Diesen hat der Gesetzgeber im Zuge der laufenden Erbrechtsrevision erkannt. Die bereits 2010 angestossene Revision hat zwar nicht primär die Unternehmensnachfolge im Fokus, sondern zielt vielmehr auf eine allgemeine Flexibilisierung und Anpassung des Erbrechts an die veränderten demographischen, familiären und gesellschaftlichen Lebensrealitäten ab. Jedoch wird mit der Reduktion der Pflichtteile, wie sie der zurzeit im Parlament hängige Erbrechtsentwurf vom 29. August 2018 vorsieht, auch einer der grössten Stolpersteine der Unternehmensnachfolge beseitigt. Um darüber hinaus noch weitere Erleichterungen zu erreichen, wurde ein zusätzliches – und aus der allgemeinen Erbrechtsrevision herausgelöstes – Gesetzesänderungsprojekt lanciert. Am 10. April 2019 hat der Bundesrat nun den «Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Unternehmensnachfolge)» in Vernehmlassung geschickt.
Mit gezielten Änderungen und Neuregelungen des Erbrechts soll die Übertragung von Unternehmen mittels Erbfolge erleichtert, aber gleichzeitig auch darauf geachtet werden, dass die Gleichstellung der Erbinnen und Erben so weit wie möglich gewahrt bleibt. Die vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen zielen dabei vornehmlich auf den KMU-Bereich ab und sollen insbesondere nicht für börsenkotierte Unternehmen gelten. Ebenfalls nicht erfasst sind landwirtschaftliche Gewerbe, da hier bereits besondere Bestimmungen im bäuerlichen Bodenrecht bestehen.
Reduktion der Pflichtteile
Die erste und wohl mit die wichtigste Massnahme ist die bereits in der Vorlage zur allgemeinen Erbrechtsrevision vom 29. August 2018 vorgesehene Erhöhung der Verfügungsfreiheit durch die Anpassung des Pflichtteilsrechts. Die Pflichtteile verhindern, dass eine Unternehmerin oder ein Unternehmer sein Geschäft beliebig an eine Erbin oder einen Erben oder sogar an eine Drittperson übertragen kann, wenn dadurch die Pflichtteile anderer Erbberechtigter verletzt werden. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Neuregelungen setzen hier an zwei verschiedenen Stellschrauben an, um den Erblasserfreiraum zu vergrössern: Einerseits soll der Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen verkleinert werden, indem der Elternpflichtteil aufgehoben wird. Damit bestehen nur noch Pflichtteile für Ehe- und eingetragene Partner sowie Nachkommen. Andererseits soll der Pflichtteilsanspruch der Nachkommen von drei Vierteln auf neu die Hälfte des gesetzlichen Erbteils reduziert werden. Dadurch erhöht sich die sogenannte verfügbare Quote, also derjenige Teil des Vermögens, über das eine erblassende Unternehmerin oder ein erblassender Unternehmer frei verfügen und das sie bzw. er zur erleichterten Übertragung des Familienunternehmens nutzen kann.
Schutz vor Zerstückelung von Unternehmen
Mit dem Tod von Unternehmerinnen und Unternehmern geht häufig unweigerlich die Gefahr der Zerstückelung des Unternehmens einher, die dann insbesondere Führungsprobleme nach sich zieht. Unter geltendem Recht kann die Erblasserin bzw. der Erblasser zwar grundsätzlich mittels verbindlicher Zuteilungsvorschriften sein Unternehmen als Ganzes einer Erbin oder einem Erben zuweisen. Bestehen aber keine solchen Zuteilungsvorschriften, muss das Gericht die Zuweisung vornehmen und die dabei zu beachtenden Regeln lassen eine Zuweisung eines Unternehmens als Ganzes nur eingeschränkt zu. Hier setzt der Vorentwurf zur Unternehmensnachfolge mit zwei neuen Regelungen an: Einerseits soll ein Recht auf Integralzuweisung eines Unternehmens im Rahmen der Erbteilung eingeführt werden, wenn die Erblasserin bzw. der Erblasser keine diesbezügliche Verfügung getroffen hat. Voraussetzung dafür ist, dass dies erbenseitig überhaupt verlangt wird. Stellen mehrere Erbinnen oder Erben einen entsprechenden Antrag, sieht der Vorentwurf vor, dass das Gericht die Zuteilung danach vornehmen soll, wer im Kreis der Erbinnen und Erben für die Führung des Unternehmens am besten geeignet erscheint. Diese Regelungen gelten nicht nur für ganze Unternehmen, sondern auch für Anteile und Mitgliedschaftsrechte, die der empfangenden Erbin oder dem empfangenden Erben die Kontrolle über ein Unternehmen einräumen.
Schutz der pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben
Als Gegenstück zu den vorgeschlagenen Regeln zum Integralzuweisungsrecht wird im Vorentwurf eine neue Schutzbestimmung für die pflichtteilsberechtigten Erbinnen und Erben vor. Dann nämlich, wenn im Zuge einer solchen Integralzuweisung eine Mehrheitsbeteiligung an eine Erbin oder einen Erben zugeteilt wird, werden die anderen Pflichtteilserbinnen und -erben davor geschützt, dass sie im Rahmen der Erbteilung einen Minderheitsanteil an einem Unternehmen auf Anrechnung an den Pflichtteil übernehmen müssen, über das eine andere Erbin oder ein anderer Erbe die Kontrolle ausübt. Damit soll verhindert werden, dass die Erbinnen und Erben Anteile übernehmen müssen, die regelmässig nur einen reduzierten Wert aufweisen und häufig gar nicht verkauft werden können.
Einführung eines Zahlungsaufschubs für Ausgleichsverpflichtungen
Unter geltendem Recht muss die Unternehmensnachfolgerin bzw. der Unternehmensnachfolger die Ausgleichsforderungen der übrigen Erbinnen und Erben sofort befriedigen. Dies kann erhebliche Liquiditätsprobleme für die empfangende Person bedeuten und damit wiederum die Fortführung des Unternehmens gefährden. Diesbezüglich will der Vorentwurf eine Stundung der Ausgleichsforderungen einführen. Das Gericht soll auf Antrag Zahlungsfristen bis zu fünf Jahren einräumen können, wenn die Unternehmensnachfolgerin bzw. der Unternehmensnachfolger durch die sofortige Auszahlung der Miterbinnen und -erben vor ernstliche Schwierigkeiten gestellt würde. Das Gericht muss dabei alle Umstände des Einzelfalls und die involvierten Interessen berücksichtigen. Ferner ist zur Absicherung der übrigen Erbinnen und Erben vorgesehen, dass die gestundeten Beträge sichergestellt werden müssen. Diese – unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Erbeninteressen zentrale – Sicherstellung dürfte in der Praxis die anvisierte Erleichterungswirkung des neuen Zahlungsaufschubs einschränken.
Spezifische Regelung für den Anrechnungswert von Unternehmen
Für die Realisierbarkeit einer Unternehmensnachfolge ebenfalls von Bedeutung ist der Anrechnungswert des Unternehmens. Aktuell gilt die Regel, dass der anrechenbare Unternehmenswert zum Todeszeitpunkt ermittelt wird. Wurde das Unternehmen bereits vorher übertragen und ist es bis zum Tod zu Wertveränderungen gekommen, sind gemäss dieser Regelung sowohl positive als auch negative Veränderungen durch die Erbengemeinschaft zu tragen. Dies kann im Einzelfall stossend sein, namentlich wenn die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger den durch ihre bzw. seine unternehmerische Tätigkeit erzielten Gewinne mi den Miterbinnen und -erben teilen muss. Aber auch dann, wenn die Miterbinnen und -erben unternehmerische Verluste mittragen müssen, die sie nicht beeinflussen konnten, ist diese Regelung unbillig. Um diese Problematik einzudämmen und hier die notwendige Planungs- und Rechtssicherheit zu schaffen, schlägt der Vorentwurf spezifische Regeln für den Anrechnungswert vor. Zwar soll nach wie vor der Grundsatz gelten, dass sich die Ausgleichungen nach dem Wert im Todeszeitpunkt bestimmen. Bei betriebsnotwendigen Vermögensteilen soll aber ausnahmsweise der Wert im Zeitpunkt der Übertragung massgeblich sein, wenn dieser Wert nachgewiesen werden kann. Damit soll insbesondere dem unternehmerischen Risiko Rechnung getragen werden, das die übernehmende Person auf sich nimmt, aber auch der Tatsache, dass hier die Vermögensentwicklung vornehmlich von ihren Entscheidungen abhängt. Bei Vermögensgegenständen wie zum Beispiel ungenutztem Bauland oder Kunstgegenständen, die zwar über die Gesellschaft gehalten werden, sich aber ohne Weiteres herauslösen lassen, sollen die anderen Erbinnen und Erben jedoch nicht benachteiligt werden, weshalb die Bewertung hier weiterhin einheitlich zum Todeszeitpunkt erfolgen soll.
Die Vernehmlassungsfrist zum Vorentwurf zur Unternehmensnachfolge dauert bis zum 30. August 2019.
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