Neuer Bundesgerichtsentscheid klärt Verjährungsfrist von Zeugnisforderungen

Neuer Bundesgerichtsentscheid klärt Verjährungsfrist von Zeugnisforderungen

Autor: Jeannette Küher-Kiser

Hochschule Luzern - W Dozentin
jeannette.kueher-kiser@hslu.ch

In einem neuen Urteil hat das Bundesgericht erstmals entschieden, dass der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis oder auf Zeugnisberichtigung erst nach 10 Jahren verjährt.

Gemäss Art. 330a OR kann der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin jederzeit ein (Zwischen- oder Schluss-)Zeugnis verlangen. Die Frage, wie lange der Arbeitnehmer ein Zeugnis einfordern kann bzw. wann seine Forderung auf ein Zeugnis verjährt, ist im OR nicht eindeutig geregelt. In dem zur Publikation vorgesehenen Urteil BGer 4A_295/2020 vom 28. Dezember 2020  hat das Bundesgericht diese Frage nun erstmals entschieden.

Die Verjährungsfrist für Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis beträgt allgemein 5 Jahre

Verjährung bedeutet, dass ein Schuldner nach Ablauf der Verjährungsfrist seine Leistung verweigern kann. Eine verjährte Forderung kann gerichtlich nicht mehr durchgesetzt werden. Der Richter darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen, sondern nur, wenn eine Partei diese geltend macht (Art. 142 OR).

Die allgemeinen Vorschriften über die Verjährung sind in Art. 127-142 OR geregelt und auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis anwendbar (Art. 341 Abs. 2 OR). Gemäss Art. 127 OR verjähren alle Forderungen nach 10 Jahren, ausser das Bundeszivilrecht bestimmt etwas anderes. Eine solche «andere» Bestimmung stellt Art. 128 Abs. 3 OR dar, der eine Verjährungsfrist von nur fünf Jahren für Forderungen von Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis vorsieht.

Gemäss Lehre und Rechtsprechung gilt die fünfjährige Verjährungsfrist nur für Lohnforderungen des Arbeitnehmers im weiteren Sinne, d.h. für Forderungen, welche die Arbeit abgelten bzw. für geldwerte Leistungen. Dazu gehören gemäss der Gerichtspraxis und der Lehre neben dem eigentlichen Lohn insbesondere die Gratifikation und alle ähnlichen Abgeltungen wie Boni oder Erfolgsbeteiligungen, Entschädigungen für Überstunden, Überzeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit (Grundlohn und Zuschläge), Spesen und Auslagenersatz. Auch der Anspruch auf Ferienlohn und der Ferienanspruch verjähren gemäss Gerichtspraxis nach fünf Jahren (BGE 136 III 94).

Der Anspruch auf die Begründung einer Kündigung, Schadenersatz-, Genugtuungs- und Entschädigungsansprüche fallen jedoch nicht darunter. Und ein Teil der juristischen Lehre vertrat diese Ansicht auch bezüglich der bisher nicht höchstrichterlich beurteilten Verjährungsfrage für Zeugnisforderungen.

Die Verjährungsfrist für Zeugnisforderungen beträgt 10 Jahre

Im neuen Entscheid führt das Bundesgericht nun aus, dass der Wortlaut von Art. 128 Abs. 3 OR nicht zwischen den verschiedenen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis unterscheidet, so dass man theoretisch auch Zeugnisforderungen unter diese Bestimmung subsumieren könnte. Die fünfjährige Verjährungsfrist bildet jedoch eine Ausnahme und ist deshalb restriktiv zu handhaben. Auch wenn Forderungen auf ein Zeugnis oder auf eine Zeugnisberichtigung vermögensrechtlicher Natur sind, weisen sie keine Gemeinsamkeiten mit Lohnforderungen oder anderen Geldforderungen aus dem Arbeitsverhältnis auf, d.h. es handelt sich bei ihnen nicht um Lohnforderungen im weiteren Sinne. Zudem wäre die Position des Arbeitnehmers im Vergleich zu jener der Arbeitgeberin ungerechterweise verschlechtert, wenn man an der Anwendung von Art. 128 Abs. 3 OR und somit an der kurzen Verjährungsfrist festhalten würde. Aus diesen Gründen findet auf Zeugnisforderungen nicht die fünfjährige Verjährungsfrist von Art. 128 Abs. 3 OR, sondern die allgemeine Verjährungsfrist von 10 Jahren gemäss Art. 127 OR Anwendung.  

Die arbeitsrechtliche Verjährungsfrist beginnt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen

Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung (Art. 130 OR). Fällig ist eine Forderung im Zeitpunkt, in welchem der Gläubiger seinen Anspruch geltend machen und die Leistung verlangen kann. Alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis werden mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig (Art. 339 Abs. 1 OR). Die Verjährungsfrist beginnt somit mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen.

Exkurs: Anforderungen an ein Arbeitszeugnis

Häufiger als die Verjährungsfrage führen in der Praxis inhaltliche Aspekte des Arbeitszeugnisses zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Welche Anforderungen muss ein Arbeitszeugnis erfüllen?

Das Gesetz hält lediglich fest, dass Mitarbeitende jederzeit ein Zwischen- oder Schlusszeugnisses über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über ihre Leistungen und ihr Verhalten verlangen können (Art. 330a Abs. 1 OR). Gemäss Art. 330a Abs. 2 OR hat sich das Zeugnis auf die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken, wenn der Arbeitnehmer dies wünscht.

Nicht geregelt ist jedoch, wie ein Arbeitszeugnis formuliert sein muss. Lehre und Rechtsprechung haben dazu folgende Grundsätze entwickelt: Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein wahres, wohlwollendes, vollständiges und klares Zeugnis.

Der Grundsatz der Wahrheit besagt, dass der Inhalt des Arbeitszeugnisses der Wahrheit entsprechen muss. Es dürfen weder Annahmen getroffen noch Verdachtsmomente geäussert werden. Gemäss dem Grundsatz des Wohlwollens soll das Arbeitszeugnis dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Fortkommen erleichtern. Die Grenze findet dieser Grundsatz jedoch in der Wahrheitspflicht. Der Arbeitnehmer hat nämlich primär Anspruch auf ein wahres, und nicht auf ein gutes Arbeitszeugnis. Das heisst, dass auch Negatives ins Zeugnis aufgenommen werden muss, wenn dies den Tatsachen entspricht. Der Grundsatz der Vollständigkeit meint unter anderem, dass das Zeugnis alle notwendigen Angaben zur Person der Arbeitgeberin und des Arbeitnehmers enthalten muss. Beurteilt werden muss immer die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses, aufzunehmen ist aber nur, was für die Bewertung des Arbeitnehmers und für potenzielle neue Arbeitgeberinnen notwendig ist. Der Grundsatz der Klarheit schliesslich bedeutet, dass das Zeugnis für alle Leser verständlich abgefasst sein muss. Unzulässig sind die Verwendung zweideutiger Formulierungen oder die Verwendung sogenannter Zeugniscodes, bei denen vordergründig neutrale oder positive Formulierungen verwendet werden, welche jedoch für Eingeweihte negative Botschaften bedeuten. Deshalb sollen die Formulierungen im Arbeitszeugnis objektiv und klar sein.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.