Produkte von Luxusbrands verändern – Wovor schützen Marken- und Lauterkeitsrecht?

Produkte von Luxusbrands verändern – Wovor schützen Marken- und Lauterkeitsrecht?
Ursprünglich ein Mercedes Benz-Modell, veredelt durch Brabus - Ginge das ohne Einwilligung von Mercedes?

Autor: Isabelle Oehri

Hochschule Luzern - W Dozentin & Projektleiterin

Ein Rechtsstreit um eine bekannte Luxusmarke gab dem Schweizer Bundesgericht die Gelegenheit, sich erstmals zu einer spannenden Frage zu äussern: Inwiefern dürfen Markenprodukte ohne die Einwilligung des Markeninhabers verändert werden?

Versetzen wir uns doch mal in eine mondäne Situation: Stellen Sie sich vor, Sie kaufen einen teuren und überaus leistungsstarken SUV, stellen aber nach einiger Zeit fest, dass Sie sich Ihren Wagen noch leistungsstärker wünschten oder die Innenausstattung um ein paar zusätzliche Annehmlichkeiten ergänzen möchten, und gelangen mit diesen Wünschen an eine auf das Tuning von Luxusfahrzeugen spezialisierte Garage. Nun ist Ihr SUV aber selbstverständlich ein Markenprodukt. Dürfen die Tuning-Spezialisten also überhaupt Veränderungen an dem Auto vornehmen? Und wie sähe die Sache rechtlich aus, wenn die Garage von sich aus einen ganzen Bestand an Marken-SUVs kaufen, tunen und dann weiterverkaufen würde? Ist das erlaubt?

Customizing und Upcycling von Markenprodukten – verbreitete, aber rechtlich umstrittene Geschäftsmodelle

Geschäftsmodelle wie das soeben beschriebene sind nicht selten: Das massgeschneiderte Anpassen und Personalisieren von Markenprodukten ist nicht nur im Luxussegment verbreitet. Gerade auch im Lichte der nachhaltigkeitsgetriebenen Bestrebungen im Kontext der Kreislaufwirtschaft bilden kreative Verwertungen und Verarbeitungen von bestehenden Produkten einen wichtigen Pfeiler. Aus juristischer Sicht stellen sich in solchen Konstellationen Fragen des Marken- sowie des Lauterkeitsrechts.

Bis anhin in der Schweizer Rechtsprechung ungeklärt, konnte sich das Bundesgericht in einem kürzlich publizierten Urteil (BGer 4A_171/2023 vom 19. Januar 2024 [zur Publikation vorgesehen]) nun erstmals dazu äussern, inwiefern solche und ähnliche Geschäftsmodelle zulässig sind.

ROLEX vs. Artisans de Genève Switzerland – eine brisante Streitigkeit

Dem Urteil liegt eine brisante Streitigkeit zwischen dem Luxusuhrenhersteller ROLEX SA und dem in Genf ansässigen Uhrenatelier Artisans de Genève Switzerland SA zugrunde: Das Uhrenatelier ist auf die Personalisierung von Serienluxusuhren, hauptsächlich von ROLEX, spezialisiert und verleiht den Uhren auf Kundenwunsch ein neues, individuelles Aussehen und/oder passt deren technischen Funktionalitäten an. Nach der Customization bringt das Uhrenatelier regelmässig sein eigenes Logo neben jenem von ROLEX auf den Uhren an und stellt eine neue Garantie aus, mit der gemäss den AGB des Ateliers die Original-Garantie von ROLEX automatisch erlischt.

Das Geschäft wird über eine Webseite beworben, auf der unter anderem auch klar als solche erkennbare ROLEX-Produkte zu sehen sind. Ursprünglich beinhaltete das Angebot der Artisans de Genève Switzerland sowohl den Verkauf individuell angepasster Uhren als auch den reinen Customization-Service an Uhren, welche Kunden mitbringen. Seit einer schriftlichen Abmahnung durch ROLEX im Jahr 2020 beschränkt sich das Unternehmen auf die Customization-Services.

Heute muss der User auf der Webseite denn auch vorab per Mausklick gewisse rechtliche Hinweise zur Kenntnis nehmen:

«The Artisans Legal Notice» (abgerufen am 6. März 2024; vgl. https://www.artisansdegeneve.com/en/).

Der Disclaimer stellt klar, dass es sich bei Artisans de Genève Switzerland um ein unabhängiges Atelier handelt, das lediglich auf Kundenwunsch Personalisierungsdienste anbietet und weder Uhren herstellt noch verkauft. Da die Dienste von den Uhrenherstellern nicht autorisiert seien, würden sie lediglich für den persönlichen und privaten Gebrauch der Kunden angeboten und jeder kommerzielle Gebrauch wird untersagt.

Trotz dieser Zugeständnisse seitens der Artisans de Genève Switzerland verklagte ROLEX das Uhrenatelier Ende 2020, da dem Geschäft jedenfalls nie zugestimmt und insbesondere auch keine Berechtigung zur Nutzung der geschützten ROLEX-Marken erteilt worden sei, und verlangte die sofortige Unterlassung sämtlicher Aktivitäten mit ROLEX-Uhren.

Die kantonale Instanz kam dem Begehren von ROLEX anfangs 2023 nach (vgl. Arrêt rendu le 9 février 2023 par la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève [C/26421/2020 ACJC/188/2023]), worauf das Uhrenatelier gegen diesen Entscheid ans Bundesgericht gelangte.

Erschöpfungsprinzip und Privatgebrauch – Der Erwerber eines Markenprodukts kann damit (fast) alles tun

In seinen Erwägungen erinnert das Bundesgericht einleitend an die Funktion einer Marke: Marken dienen gemäss Art. 1 Abs. 1 des Markenschutzgesetzes (MSchG) dazu, Produkte eines Unternehmens von jenen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dazu wird dem Inhaber der Marke grundsätzlich ein ausschliessliches Vermarktungsrecht der Markenprodukte zugewiesen (vgl. Art. 13 MSchG).

Allerdings endet diese Exklusivität mit Blick auf ein spezifisches Produktexemplar mit dessen Inverkehrbringung. Nach diesem im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnten sog. Erschöpfungsprinzip kann der Erwerber eines Markenprodukts mit diesem innerhalb der Schranken des Rechts tun und lassen, was er will – er kann es also gar vernichten oder eben auch umgestalten (vgl. BGer 4A_171/2023, E. 5.5.1 ff.).

Reines Customizing zulässig, Vertrieb von veränderten Markenprodukten jedoch nicht

Fraglich war in der Folge allerdings, ob dies auch gilt, wenn der Erwerber, wie im vorliegenden Kontext, für die Abänderung des Produkts einen Dritten beizieht, etwa weil dafür bestimmte technische Fähigkeiten erforderlich sind, über die er selbst nicht verfügt.

Das kantonale Gericht in Genf hatte die Auffassung vertreten, dass sowohl der reine Customization-Service als auch der Wiederverkauf veränderter Markenprodukte ohne die Einwilligung des Markeninhabers unzulässig sei. Das Bundesgericht gelangte indessen zu einem anderen Schluss und differenzierte zwischen den beiden Angeboten.

Beim reinen Customization-Service am Produkt des Kunden besteht gemäss Bundesgericht kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung, je nachdem, ob der Kunde diesen selbst ausführt oder von einer Fachperson gegen Entgelt ausführen lässt. Durch das Anbieten von Customization-Services für private Kunden und für den privaten Gebrauch werde keine Verwechslungsgefahr geschaffen, wie sie das Markenschutzgesetz verhindern wolle (vgl. BGer 4A_171/2023, E. 5.7.1 ff.).

Anders sieht die Situation gemäss Auffassung des Bundesgerichts aus, wenn ein Unternehmen nicht nur Customization-Services anbietet, sondern die individuell angepassten Markenprodukte auch vertreibt. Wenn der Markeninhaber damit nicht einverstanden sei, liege hier kein freier Privatgebrauch mehr vor und auch das Erschöpfungsprinzip greife nicht. Solche Aktivitäten verletzen somit das Vermarktungsrecht des Markeninhabers, das diesem exklusiv zusteht (vgl. BGer 4A_171/2023, E. 5.7.4 ff.).

Das Bundesgericht kam somit entgegen der Vorinstanz zum Ergebnis, dass das aktuelle Geschäftsmodell des Uhrenateliers Artisans de Genève Switzerland anders als das bis 2020 betriebene unter markenrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist.

Art der Bewerbung markenrechtswidrig oder unlauter?

Weiter war umstritten, ob die Art, wie das Uhrenatelier sein Angebot bewirbt, das Markenrecht von ROLEX verletzt und/oder als unlauteres Verhalten gemäss dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu qualifizieren ist, da auf der Webseite diverse ROLEX-Modelle zu sehen sind.

Diesbezüglich hielt das Bundesgericht fest, dass der lediglich informative Markengebrauch durch einen Dritten auch ohne Einwilligung zulässig ist, solange er eng mit den Produkten oder Dienstleistungen des Dritten verknüpft ist (z.B. bei Reparaturdiensten für Markenprodukte) und nicht der falsche Eindruck einer Verbindung zwischen dem Markeninhaber und dem Dritten entsteht. Da die Vorinstanz hierzu nicht genügend tatsächliche Feststellungen getroffen und insbesondere die Webseite der Artisans de Genève Switzerland und die dort angebrachten Disclaimer und Hinweise unter diesem Aspekt nicht vertieft analysiert hatte, wies das Bundesgericht den Entscheid in diesem Punkt zur Ergänzung des Sachverhalts zurück (vgl. BGer 4A_171/2023, E. 6).

Grosse Tragweite über den spezifischen Entscheid hinaus

Das Bundesgericht hielt in seinem Urteil selbst fest, dass der Entscheid von grosser praktischer Tragweite über die Uhrenindustrie hinaus ist, beispielsweise im Bereich der Haut Couture oder eben der Automobilbranche. Während die Frage, inwiefern man seine Uhr personalisieren, seinen SUV tunen oder das Abendkleid umnähen lassen darf, mit dem vorliegenden Urteil beantwortet ist, ist weiterhin nicht abschliessend geklärt, wie solche Services, selbst wenn sie an sich zulässig sind, beworben werden dürfen und was es dabei zu beachten gilt. In dieser Hinsicht verspricht der Fortgang des Rechtsstreits zwischen ROLEX und Artisans de Genève Switzerland weitere spannende Erkenntnisse zu liefern.

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