Incoterms & Co. – Was sagen eigentlich die Verträge zwischen Schweizer Unternehmen und US-Importeuren zu den neuen Zöllen?

Incoterms & Co.  – Was sagen eigentlich die Verträge zwischen Schweizer Unternehmen und US-Importeuren zu den neuen Zöllen?

Die neuen massiven US-Zölle auf Importen aus der Schweiz sind aktuell in aller Munde. Sie haben für sämtliche Wirtschaftsakteure mit Handelsbeziehungen in die USA potenziell drastische Folgen. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen dabei die Verträge zwischen den Schweizer Unternehmen und ihren amerikanischen Handelspartnern – Grund genug für eine kurze Analyse der wichtigsten vertragsrechtlichen Aspekte.

Die derzeit turbulenten handelspolitischen Entwicklungen im Verhältnis zu den USA werfen eine ganz grundlegende Frage auf: Wen treffen die neuen US-Zölle eigentlich direkt, wer muss sie bezahlen? Selbstredend ist die Zuordnung und allenfalls Überwälzung der finanziellen Last in der Praxis von vielen Faktoren abhängig. Wer schlussendlich die Kosten effektiv tragen muss, bestimmen vor allem die Stärke und die Marktpositionen der Beteiligten. Nicht zu vernachlässigen ist dabei aber, wem die Zölle primär auferlegt sind. Dazu finden sich regelmässig Bestimmungen in den Verträgen zwischen den Schweizer Exportunternehmen und ihren amerikanischen Handelspartnern.

Häufig vertragliche Regelung betreffend Zölle durch Incoterms

Eine Klausel darüber, welcher Vertragspartner welche Zölle zu bezahlen hat, gehört meist zu den im Vertrag vereinbarten Lieferbedingungen. Gerade im internationalen Handel, bei dem die Ware vom Verkäufer zum Käufer einen mitunter langen und komplexen Weg zurücklegen muss, sind umfassende und klare Lieferbedingungen von entscheidender Bedeutung. Darin regeln die Parteien idealerweise sämtliche Aspekte rund um Transport, Kosten, Pflichten und Risikoübergang.

Viele Unternehmen bestimmen die Zolltragung und die sonstigen Lieferbedingungen in ihren Verträgen nicht jeweils individuell, sondern vereinbaren dazu sogenannte Incoterms.

Incoterms – Was ist das?

Die Incoterms (International Commercial Terms) stammen von der internationalen Handelskammer ICC (International Chamber of Commerce). 1936 erstmals veröffentlicht und aktuell gültig in der Fassung von 2020, bieten die Incoterms Standardregeln für die Lieferbedingungen in internationalen Warenhandelsgeschäften. Von den insgesamt elf Standards können die Handelspartner einen auswählen und vertraglich festhalten, um damit die geltenden Lieferbedingungen umfassend, aber simpel zu definieren.

Die Incoterms legen insbesondere fest, an welchem Punkt der Lieferung das Risiko (etwa für Verlust oder Beschädigung der Ware) vom Verkäufer auf den Käufer übergeht, welche Partei welche Kosten im Kontext der Lieferung trägt (z.B. Transport, Versicherung, Zölle) und welche sonstigen Verpflichtungen die Parteien in diesem Zusammenhang haben (z.B. Verpackung, Erstellung der notwendigen Dokumente).

Typisch ist die jeweils aus drei Buchstaben bestehende Abkürzung für jeden der Incoterms-Standards:

Kurzüberblick zu allen Incoterms-Standards: hier

 

Unter anderem legt der Incoterms-Standard, den die Vertragsparteien vereinbaren, auch die Zuweisung der Zollkosten fest. Zehn der elf Incoterms-Standards auferlegen dabei die Zollkosten dem Käufer. Einzig unter DDP (Delivered Duty Paid) muss diese der Verkäufer tragen.

Damit treffen die neuen US-Zölle gemäss vielen Verträgen grundsätzlich nicht direkt die Schweizer Verkäufer, sondern die US-amerikanischen Käufer.

Fehlende Incoterms: Rechtswahlklauseln und anwendbares Recht relevant

Wurden keine Incoterms und auch keine anderen spezifischen Vertragsklauseln vereinbart, ergibt sich nicht direkt aus dem Vertrag, welche Partei die Zollkosten tragen muss. Diesfalls ist das anwendbare Recht zu konsultieren. In internationalen Kaufverträgen legen die Parteien häufig in einer Rechtswahlklausel fest, das Recht welchen Staates auf ihre Vertragsbeziehung anwendbar sein soll.

Fehlt auch eine Rechtswahl, ist das anwendbare Recht nach internationalprivatrechtlichen Regeln zu bestimmen.

Nach Schweizer internationalem Privatrecht (Art. 118 Abs. 1 IPRG) unterliegen internationale Verträge über den Verkauf von Waren dem sogenannten Wiener Kaufrecht (CISG), wenn die Voraussetzungen von Art. 1 bis 6 CISG erfüllt sind. Ist das CISG nicht anwendbar oder wurde dessen Anwendung von den Parteien explizit ausgeschlossen, gilt das Schweizer Obligationenrecht (OR).

Zolltragung rechtlich häufig bei US-Vertragspartner

Sowohl nach CISG (Art. 31 CISG) als auch nach OR (Art. 189 OR; vgl. auch Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR) trägt grundsätzlich der Käufer die Lieferkosten, die auch entsprechende Zölle umfassen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Parteien den Sitz des Käufers als Erfüllungsort vereinbart haben.

Die Ausführungen zeigen, dass schweizerische Unternehmen, sei es nach einem vereinbarten Incoterms-Standard oder nach anwendbarem Recht, zumindest rechtlich gemäss ihren Verträgen häufig nicht gezwungen sein dürften, die neuen Zölle zu tragen.

Sofern im Einzelfall ein Unternehmen von den neuen US-Zöllen gleichwohl direkt finanziell betroffen ist, sind weitere rechtliche Prüfungen vorzunehmen (vgl. dazu die vertieften Ausführungen im Wartmann Merker-Newsletter vom 17.04.2025 (Andrea Roth / Lukas Innerebner)).

Effektive Kostenverteilung in der Praxis marktabhängig

Aber auch wenn die anfallenden Zollkosten zunächst vertraglich meist nicht zu Lasten des Schweizer Exportunternehmens gehen, hängt die effektive Kostenverteilung zwischen Schweizer Exporteur, US-Importeur und US-Konsumenten primär von der Marktsituation und den Positionen aller Beteiligten ab. So ist entscheidend, ob US-Konsumenten auf günstigere Ersatzprodukte ausweichen können, ob der Importeur einen anderen Lieferanten findet oder ob der Exporteur einen neuen Importeur für seine Waren gewinnen kann.

Sorgfältiges Vertragsmanagement zentral im Umgang mit handelspolitischen Entwicklungen

Gleichwohl ist für international tätige Schweizer Unternehmen ein sorgfältiges Vertragsmanagement angesichts der globalen Handelspolitik derzeit zentral. Insbesondere gilt es, die bestehenden Verträge genau zu überprüfen (Incoterms oder sonstige explizite vertragliche Vereinbarungen, Rechtswahl, anwendbarer Rechtsrahmen) und gegebenenfalls Anpassungen anzustreben. Bei neuen Verträgen sollten ebenfalls möglichst klare und präzise Lieferbedingungen aufgenommen werden und es sollte ein besonderes Augenmerk auf die Risikozuweisung bezüglich Zölle sowie allfälliger sonstiger nicht beeinflussbarer Faktoren gerichtet werden. Damit bleibt man auch für weitere Entwicklungen im derzeit unbeständigen handelspolitischen Umfeld gewappnet.

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