Vor Kurzem ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, die für rund 57’000 Unternehmen schweizweit einschneidende Auswirkungen hat. Auf Anfang November 2019 hat die Schweiz die Inhaberaktie weitgehend abgeschafft. Ausserdem wurden die gesellschaftsrechtlichen Transparenzvorschriften präzisiert und verschärft. Lesen Sie hier, worum es im Einzelnen geht und für wen Handlungsbedarf besteht.
Am 1. November 2019 ist das Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke in Kraft getreten. Es ist nach dem sogenannten GAFI-Gesetz (Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière), das per 1. Juli 2015 eingeführt wurde, bereits der zweite Erlass, der die Bestimmungen zur Offenlegung im Gesellschaftsrecht verschärft.
Traditionell beruhte das Schweizer Aktienrecht auf der Unterscheidung von zwei Aktienkategorien: Namenaktien, bei denen dieEigentümer im Aktienbuch eingetragen werden und damit bekannt sein müssen, und Inhaberaktien, die gemäss ursprünglicher Konzeption anonym gehalten und übertragen werden konnten, ohne dass Eigentümer und wirtschaftlich Berechtigte offenzulegen waren. Die Inhaberaktie war somit als flexibles Instrument zur schnellen Kapitalbeschaffung gedacht. Die Anonymität barg allerdings gerade aus dem Blickwinkel des Steuerrechts und der Geldwäschereiprävention gewisse Missbrauchspotentiale.
Um die betreffenden Gefahren einzudämmen, wurden bereits 2015 mit dem GAFI-Gesetz neue Bestimmungen zur Offenlegung der Inhaberaktionäre bei der AG und der wirtschaftlich Berechtigten von grösseren Beteiligungen bei AG und GmbH in das Gesellschaftsrecht aufgenommen. Seither bestehen entsprechende Meldepflichten und die Gesellschaften müssen die zur Erfassung nötigen Register führen.
In seinem Länderbericht zur Schweiz von 2016 beurteilte das von der OECD getragene «Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purpose» die Offenlegungsregeln nach GAFI-Gesetz allerdings als beschränkt wirksam. Deshalb hat der Gesetzgeber nun nochmals weitere Massnahmen für mehr Transparenz und zur Bekämpfung von Steuerdelikten und Geldwäscherei eingeführt.
Seit Kurzem steht auf der Website des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen SIF eine detaillierte Anleitung zur Verfügung, die sowohl die Leitungsgremien der Unternehmen als auch Aktionäre und Handelsregisterämter bei der Umsetzung der neuen Bestimmungen unterstützen soll.
Nachfolgend werden die wichtigsten Neuerungen kurz erläutert:
Inhaberaktien nur noch in 2 Ausnahmefällen zulässig
Seit dem 1. November 2019 sind Inhaberaktien nur noch zulässig, wenn die AG entweder börsenkotiert ist oder die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind. Das Vorliegen eines dieser beiden Ausnahmetatbestände muss im Handelsregister eingetragen werden. Dies gilt sowohl, wenn eine AG neue Inhaberaktien schaffen, als auch, wenn sie bestehende beibehalten will.
Die Frist für die Eintragung bei bestehenden Inhaberaktien läuft am 1. Mai 2021 ab. Diejenigen AGs, die sich auf keinen der Ausnahmetatbestände stützen können, müssem bis zu diesem Datum ihre Inhaberaktien in Namenaktien umwandeln.
⇒ TO DO
Verwaltungsrat – bis 30. April 2021: entweder Ausnahmetatbestand beim Handelsregister anmelden oder Inhaber- in Namenaktien umwandeln
Zwangsweise Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien
Am 1. Mai 2021 werden alle unzulässigen Inhaberaktien von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt. Die sich daraus ergebenden Handelsregistereinträge werden von Amtes wegen vorgenommen. Eine AG, deren Aktien entsprechend umgewandelt wurden, muss ihre Statuten bei der nächsten Statutenänderung an die Umwandlung anpassen.
Diejenigen Inhaberaktionäre, welche die Meldepflicht nach GAFI-Gesetz vorschriftsgemäss erfüllt haben, sind bereits seit der Änderung von 2015 nicht mehr anonym, sondern im Register der Inhaberaktionäre eingetragen. Diese Aktionäre trägt der Verwaltungsrat nach der Umwandlung ihrer Aktien als Namenaktionäre in das Aktienbuch ein.
Alle anderen Inhaberaktionäre sollten ihrer Meldepflicht baldmöglichst nachkommen. Mit Blick auf eine umfassende Erfassung aller noch ausstehenden Meldungen macht es Sinn, dass der Verwaltungsrat die betroffenen Aktionäre noch einmal entsprechend informiert und zur unverzüglichen Meldung auffordert.
⇒ TO DO
Verwaltungsrat: Inhaberaktionäre, die ihrer Meldepflicht noch nicht nachgekommen sind, zur unverzüglichen Meldung auffordern
Generalversammlung und Verwaltungsrat: Aktienbuch nach Umwandlung aktualisieren, Statutenänderung beschliessen und im Handelsregister anmelden
Inhaberaktionäre – bis 30. April 2021: Meldepflichten gegenüber AG erfüllen
Umgang mit nicht gemeldeten Inhaberaktionären
Aktionäre, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht gemeldet haben, können ab dem 1. Mai 2021 nur noch auf dem Gerichtsweg mit Zustimmung der AG ihre Eintragung ins Aktienbuch verlangen. Hierfür gilt eine Frist bis zum 31. Oktober 2024.
Alle Aktien, deren Aktionäre bis dahin nicht eingetragen sind, werden am 1. November 2024 nichtig und durch eigene Aktien ersetzt, über welche die AG frei verfügen kann.
Die betreffenden Aktionäre verlieren damit grundsätzlich sämtliche Rechte. Wenn ein Aktionär belegen kann, dass seine Aktien ohne eigenes Verschulden nichtig geworden sind, hat er unter gewissen Voraussetzungen gegenüber der AG Anspruch auf Entschädigung. Solche Entschädigungsansprüche müssen bis zum 31. Oktober 2034 geltend gemacht werden.
⇒ TO DO
Inhaberaktionäre – bis 31. Oktober 2024: Eintragung im Aktienbuch beim Gericht beantragen
Inhaberaktionäre – bis 31. Oktober 2034: falls die Aktien ohne eigenes Verschulden nichtig geworden sind, gegenüber der AG Entschädigung geltend machen
Weitere Neuerungen: insbesondere neue Sanktionsmechanismen
Neben den beschriebenen Neuerungen im Zusammenhang mit der Inhaberaktie wurden mit der Gesetzesänderung die Vorschriften zur Meldung der wirtschaftlich berechtigten Personen an grösseren Beteiligungspaketen (≥ 25%) präzisiert.
Am Grundsatz der bisherigen Meldepflicht ändert sich nichts. Neu sind allerdings die verschärften zivilrechtlichen und die zusätzlichen strafrechtlichen Sanktionen bei Verletzung der Transparenz- und Registerführungsvorschriften.
Während bislang die Nichterfüllung der Meldepflichten lediglich die Sistierung bzw. Verwirkung der Gesellschafterrechte zur Folge hatte, werden Meldepflichtige seit dem 1. November 2019 im Falle einer vorsätzlich unterlassenen oder falschen Meldung mit Busse bestraft. Ebenfalls gebüsst wird die nicht vorschriftmässige Führung der obligatorischen Verzeichnisse durch die Gesellschaften. Dazu gehören das Aktienbuch und das Verzeichnis der an den Aktien wirtschaftlich berechtigten Personen bei der AG (sowie bei der SICAV), aber auch das Anteilsbuch und das Verzeichnis der an den Stammanteilen wirtschaftlich berechtigten Personen bei der GmbH und das Verzeichnis der Genossenschafter bei der Genossenschaft. Für die Bussen gilt ein Höchstbetrag von CHF 10’000.
Zusätzlich besteht auch eine neue zivilrechtliche Sanktion für Gesellschaften, welche die vorgeschriebenen Verzeichnisse nicht korrekt führen, und für solche, die Inhaberaktien haben, ohne sich auf einen der zwei Ausnahmetatbestände (Börsenkotierung oder Ausgestaltung als Bucheffekten) berufen zu können. Beides gilt seit dem 1. November 2019 (inkorrekte Verzeichnisführung) bzw. ab dem 1. Mai 2021 (Ausgabe von unzulässigen Inhaberaktien) als Organisationsmangel. Gestützt darauf kann in einem solchen Fall jeder Anteilsinhaber und jede Gläubigerin sowie das Handelsregisteramt das Gericht anrufen, das der Gesellschaft eine Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands ansetzt und notfalls die Gesellschaft auflösen kann.
⇒ TO DO
Führungsgremien bei AG, SICAV, GmbH und Genossenschaft: Überprüfen, ob die obligatorischen Verzeichnisse korrekt geführt, die notwendigen Belege korrekt aufbewahrt und der jederzeitige Zugriff sichergestellt ist.
Meldepflichtige Personen bei AG, SICAV, GmbH und Genossenschaft: Meldepflichten umgehend erfüllen
Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, kann sich aus der neuen Gesetzgebung Handlungsbedarf sowohl für die betroffenen Gesellschaften bzw. ihre Führungsgremien als auch für die Anteilsinhaber und wirtschaftlich Berechtigten ergeben. Wer dabei im Einzelnen was genau innert welcher Frist tun muss, lässt sich dabei allenfalls gar nicht so einfach beantworten. Entsprechend empfiehlt es sich für Verwaltungsrats- und Geschäftsführungsmitglieder von AG, SIVAC, GmbH und Genossenschaft, aber auch für Aktionäre, GmbH-Gesellschafter und Genossenschafter sowie für wirtschaftlich berechtigte Personen, zeitnah und sorgfältig zu prüfen, ob und, wenn ja, welcher Handlungsbedarf für sie aus den neuen Regeln entsteht und bis wann sie welche Schritte zu erledigen haben.
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