Seit heute gilt das revidierte Urheberrecht – Was müssen Sie wissen?

Seit heute gilt das revidierte Urheberrecht – Was müssen Sie wissen?
Sicherlich schon unter altem URG geschützt - spannendes Foto von Andres Umana (abrufbar via Unsplash).

Autor: Isabelle Oehri

Hochschule Luzern - W Dozentin & Projektleiterin
isabelle.oehri@hslu.ch
Von Isabelle Oehri

Heute ist das revidierte Schweizer Urheberrechtsgesetz in Kraft getreten. Damit nimmt ein fast zehnjähriges Gesetzgebungsprojekt sein Ende. Welche Vorschriften sind neu und was gilt es in Zukunft zu beachten?

Bereits Ende 2018 wurde hier auf dem Blog über die Stossrichtungen und Inhalte der Urheberrechtsrevision berichtet. Damals war die parlamentarische Beratung noch in vollem Gange und  entsprechend waren noch verschiedene Punkte offen. Der vorliegende Beitrag datiert die damaligen Ausführungen anhand der mittlerweile finalen gesetzgeberischen Festlegungen auf und gibt auf dieser Basis einen Überblick über die Neuerungen des revidierten Urheberrechtsgesetzes, die heute in Kraft treten.

Kompromisslösung zur Modernisierung des Urheberrechts

Erklärtes Ziel der Revision des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes (URG) war dessen Modernisierung. Das aus dem Jahr 1992 stammende Gesetz gab auf viele Fragen, welche die fortschreitende Digitalisierung gerade im Bereich von Medien, Literatur und Kunst mit sich gebracht hat, keine befriedigende Antwort und wurde den technologischen Entwicklungen in verschiedenen Bereichen nicht mehr gerecht. Bereits 2012 wurde daher unter dem Vorsitz des Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Interessengruppen eingesetzt, um die aktuelle Urheberrechtssituation zu überprüfen und Modernisierungsbedarf und -möglichkeiten aufzuzeigen. Die Arbeiten der Arbeitsgruppe mündeten 2015 in eine erste Revisionsvorlage, die aufgrund der äusserst kontroversen Vernehmlassungsergebnisse nochmal grundlegend umgestaltet wurde. Ende 2017 wurde die überarbeitete Vorlage in die Vernehmlassung geschickt. Inhaltlich weitgehend unverändert verabschiedeten die Eidgenössischen Räte die Vorlage im September 2019.

Das neue Urheberrecht präsentiert sich sowohl inhaltlich als auch systematisch als Kompromisslösung. In vielen Punkten war es politisch nötig, einen Mittelweg zwischen den konfligierenden Interessen von Kulturschaffenden, Produzenten, Providern und Konsumenten zu finden. Im Vordergrund steht neben der Anpassung des gesetzlichen Rahmens an die digitalen Entwicklungen ein in verschiedenen Bereichen verbesserter Schutz der Kulturwirtschaft und die Stärkung des Forschungsplatzes Schweiz.

Die wichtigsten Neuerungen kurz erläutert

Ausgeweiteter Schutz für Fotos

Nicht nur für Künstlerinnen und Medienschaffende von Bedeutung ist die Ausweitung des Schutzes für Fotografien. Bisher waren, wie bereits im früheren Blog-Beitrag ausgeführt, Fotos nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn es sich um sogenannte „geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter“ handelte. Die Abgrenzung zwischen solchen urheberrechtlich geschützten Werken einerseits und nicht geschützten „Schnappschüssen“ andererseits war nicht immer einfach.

Das schweizerische Bundesgericht hat hierzu in den Jahren 2003 und 2004 zwei Entscheide gefällt, die auch über Juristenkreise hinaus Berühmtheit erlangt haben: Während es das Bild des Raggae-Sängers Bob Marley, das der Schweizer Fotograf Max Messerli 1978 an einem Openair in Kalifornien geschossen hatte, als schützenswert erachtete (BGE 130 III 168), versagte es dem Bild des ehemaligen UBS-Wachmanns und Whistleblowers Christoph Meili bekanntlich den Urheberrechtsschutz (BGE 130 III 741).

Hier die beiden Bilder im direkten Vergleich:

Diese Abgrenzung gehört zukünftig der Vergangenheit an. Neu geniesst jedes Foto unabhängig von seiner Individualität urheberrechtlichen Schutz. Zu denken ist dabei etwa an alltägliche Familien- und Urlaubsfotos sowie Pressefotos und Aufnahmen von Produkten und Landschaften. Diese Schutzausweitung geht vornehmlich auf die immer lauter werdende Kritik von Berufsfotografen zurück, die sich daran störten, ihre Bilder etwa in Prospekten und Büchern oder – was die Problematik noch verschärfte – in den letzten Jahren vermehrt auf Websites und in Social Media-Posts wiederzufinden, ohne dass sie um Erlaubnis gefragt worden wären oder eine Vergütung erhalten hätten.

In Zukunft braucht es also für die Verwendung fremder Fotos grundsätzlich in jedem Fall eine Einwilligung. Die Schutzdauer beträgt für die neu unter den URG-Schutz fallenden „Schnappschuss“-Bilder 50 Jahre ab der Veröffentlichung (bzw. bei unveröffentlichten Fotos ab der Herstellung). Die schon unter bisherigem Recht geschützten künstlerischen Fotografien sind weiterhin bis 70 Jahren nach dem Tod der Fotografin geschützt. Die neuen Regeln gelten nicht nur für Bilder, die nach dem Inkrafttreten der URG-Revision geschossen bzw. veröffentlicht werden, sondern auch für schon bestehende Aufnahmen. Allerdings führt das neue Recht nicht dazu, dass bereits abgeschlossene (und unter altem Recht zulässige) Vorgänge neu beurteilt würden bzw. hier nachträglich noch Zustimmungen einzuholen wären.

Verstärkte Pirateriebekämpfung im Internet

Mit der Verbreitung des Internets geht für das Urheberrecht die Herausforderung einer wachsenden Zahl illegaler Download- und Streaming-Angebote für geschützte Werke wie Filme, Videospiele oder Musikstücke einher. Um die Mechanismen zur Pirateriebekämpfung im Internet griffiger und effizienter zu gestalten, setzt das neue Recht bei den Hosting-Providern an, die eine besondere Gefahr für Urheberrechtsverletzungen schaffen. Art. 39d URG statuiert für sie eine sog. Stay-down- oder Keep-down-Pflicht. Sie müssen dafür sorgen, dass urheberrechtsverletzende Inhalte, die nach einem Hinweis des Inhabers entfernt wurden, nicht erneut illegal hochgeladen und über ihre Plattform verbreitet werden.

Damit wird das bestehende Schutzsystem punktuell ergänzt. Eine umfassende Überwachungspflicht der Hosting-Provider besteht allerdings weiterhin nicht. Fallen gelassen wurden im Gesetzgebungsprozess in diesem Kontext auch die ursprünglich geplanten Vorschriften für Access-Provider. Die vorgesehene Pflicht, auf Anweisung der Behörden den Zugang zu bestimmten Seiten mit illegalen Inhalten zu sperren (sog. Netzsperre), wurde in der Vernehmlassung heftig kritisiert und fand deshalb keinen Eingang ins Gesetz. Damit hat auch der im Februar 2019 ergangene Bundesgerichtsentscheid 4A_433/2018  weiterhin Geltung: Darin war das höchste Schweizer Gericht zum Schluss gekommen, dass die Swisscom als Access-Providerin nicht verantwortlich gemacht werden kann für das reine Zugänglichmachen von Internetseiten, welche illegale Piraterieangebote enthalten.

Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet das neuen Pirateriebekämpfungsregime indes keine Verschärfung. Für das Downloaden illegal angebotener Inhalte zum privaten Gebrauch können sie weiterhin (mit der Ausnahme von Software) nicht belangt werden.

Vergütungsanspruch für Video-on-Demand-Angebote

Ein weiteres Thema der Gesetzesrevision ist die Vergütung von Video-on-Demand-Angeboten. Aufgrund der zunehmenden Streaming-Aktivitäten und des Verschwindens von Videotheken erzielen Filmschaffende heute geringere Einkünfte. Das bisherige Recht gab ihnen zwar einen Verbots- aber keinen Vergütungsanspruch, was ihnen keinen Nutzen brachte, waren sie doch an sich an der Verbreitung ihrer Werke über Online-Kanäle interessiert. Die neuen Art. 13a und 35 URG sehen daher einen Vergütungsanspruch von Filmschaffenden (Regisseuren, Drehbuchautorinnen, Schauspielern, Sängerinnen, Synchronsprechern, usw.) für die Video-on-Demand-Verwendung ihrer audiovisuellen Werke vor. Der Einzug der Vergütung erfolgt über Verwertungsgesellschaften. Um Doppelvergütungen in internationalen Konstellationen zu vermeiden, ist das Vergütungsregime beschränkt auf Schweizer Produktionen und Filme aus Ländern, die ihrerseits einen kollektiv wahrzunehmenden Vergütungsanspruch bieten.

Wissenschaftsschranke und Verzeichnisprivileg

Einschränkungen der Rechte von Literatur- und Kunstschaffenden sieht das revidierte URG im Interesse der wissenschaftlichen Forschung und zugunsten von Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archiven vor.

Mit der sog. Wissenschaftsschranke sollen Forschungstechniken wie das Text- und Data-Mining ermöglicht bzw. erleichtert werden. Bisher war hier jeweils die Zustimmung der betroffenen Urheberin und gegebenenfalls eine Entschädigung erforderlich, da mit diesen Techniken stets die Erstellung einer Werkkopie einhergeht. Sowohl das Einwilligungserfordernis als auch der Vergütungsanspruch werden durch die Wissenschaftsschranke von Art. 24d URG im Interesse des Forschungsstandorts Schweiz nun abgeschafft.

Das Verzeichnisprivileg von Art. 24e URG soll es Bibliotheken, Museen, Archiven und Bildungseinrichtungen erlauben, ihre Bestände in zeitgemässer und attraktiver Form zu präsentieren und insbesondere kurze Auszüge von Werken in ihren Bestandsverzeichnissen wiederzugeben, ohne dass hierzu wie bisher die Erlaubnis der betreffenden Urheber erforderlich wäre. Das Verzeichnisprivileg hat allerdings dort seine Grenze, wo ein eigentlicher Werkgenuss oder eine kommerzielle Weiternutzung eröffnet wird.

Umsetzung internationaler Abkommen

Schliesslich werden im Zuge der URG-Revision mit dem Vertrag von Peking und dem Vertrag von Marrakesch auch zwei von der Schweiz ratifizierte internationale Abkommen umgesetzt. Ersterer zielt darauf ab, den Schutz von Schauspielerinnen auf internationaler Ebene zu verbessern und ihre Ungleichbehandlung gegenüber Musikern zu beseitigen, indem ihnen das (im Musikbereich bereits geltende) Recht eingeräumt wird, sich gegen die unerlaubte Verwendung ihrer Darbietungen zu wehren. In der Schweiz galt dieses Recht zwar bereits bisher für Musikschaffende wie Schauspielende gleichermassen; aber mit dem Vertrag von Peking wird es für Schweizer Schauspieler nun auch international ausgedehnt. Der Vertrag von Marrakesch will den Zugang zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte oder sonst lesebehinderte Personen erleichtern.

Nicht umgesetzte Vorschläge

Einzelne in der Gesetzgebungsdebatte diskutierte Vorschläge fanden schlussendlich keinen Eingang in die Revision.

Insbesondere scheiterte das umstrittene Verbot von Vorspulfunktionen beim Replay-TV bereits im erstberatenden Nationalrat. Mit schwindenden Werbeeinnahmen konfrontiert hatten sich die Fernsehsender für ein im URG verankertes Verbotsrecht stark gemacht, mit dem sie den TV-Verbreitern das Überspringen von Werbung im Replay-TV hätten untersagen bzw. dafür eine zusätzliche Entschädigung hätten beanspruchen können. Gegen ein solches gesetzliches Verbot der Vorspulfunktionen hatten sich die TV-Anbieter wie etwa Swisscom TV oder UPC vehement gewehrt – und dies schliesslich mit Erfolg.

Ebenfalls verworfen wurde ein erweiterter Schutz für journalistische Werke. Medienschaffende hatten gefordert, dass die Betreiber sozialer Netzwerke den Urheberinnen oder Verlagen eine Vergütung zahlen sollten, wenn sie journalistische Inhalte zugänglich machten. Auch dieser Vorstoss fiel bereits der fehlenden nationalrätlichen Mehrheit zum Opfer. Die erstberatende Parlamentskammer befand, die Medienkrise sei so nicht zu lösen. Es sei unklar, wie die Plattformen für das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Zudem hätten die Medienschaffenden ein Interesse daran, gelesen zu werden, und würden ihre Artikel selbst in sozialen Netzwerken verbreiten.

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Quellen und weiterführende Informationen

Das Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD stellt das gesamte Dossier zum Gesetzgebungsprojekt «Modernisierung des Urheberrechts» online zur Verfügung. Darin finden sich insbesondere die Links zu Entwurf und Botschaft und weiteren Gesetzesmaterialien, Vernehmlassungsunterlagen sowie Medienmitteilungen, welche auch die Basis des vorliegenden Blogbeitrags bildeten.

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