Wenn jemand weiss, wie man gute Verträge aushandelt, dann er: Verhandlungsprofi Mihai Isman hat bereits über 300 Verhandlungen in unterschiedlichsten Bereichen geführt und begleitet. Im Interview mit dem Management & Law-Blog gibt er einen Einblick in die faszinierende Negotiation-Welt und beantwortet nicht nur die Frage, welche Skills es für erfolgreiches Verhandeln braucht, sondern auch jene, warum politische Verhandlungen besonders schwierig sind und wie wir Schweizer eigentlich so verhandeln.
Management & Law-Blog: Mihai Isman, mit Ihrem Beratungsunternehmen begleiten Sie seit Jahren Unternehmen in komplexen Verhandlungssituationen. Was fasziniert Sie am Verhandeln?
Mihai Isman: Verhandlungsführung ist für mich die höchste Form der Kommunikation. Man muss in der Lage sein, wirklich gut zuzuhören, man muss dafür die Stimmen im eigenen Kopf beruhigen, die fragt «Was mache ich als Nächstes?» und «Wie reagiere ich darauf?», man muss klar in seinen Wünschen und Aussagen sein sowie emphatisch auf das Gegenüber reagieren. Es ist eines der komplexesten Skills, die man erlernen kann.
Der Spruch „Im Leben bekommst du nicht, was du verdienst, sondern was du verhandelst“ klingt für manche Menschen hart, ist aber meiner Meinung nach in seinem Kern sehr wahr. Man muss in der Lage sein, für sich selbst und für seine Bedürfnisse – im Privaten wie im Beruflichen – einstehen zu können.
«Verhandlungsführung ist für mich die höchste Form der Kommunikation.»
Nicht minder fasziniert mich am Verhandeln, dass so viele Aspekte zusammen kommen: Psychologie, Menschenkenntnis, handwerkliches Know-how, Fachwissen, prozedurales Wissen und so weiter. Menschen haben auch ganz unterschiedliche Bilder im Kopf, wenn es um erfolgreiche Verhandlungsführung geht, zum Teil geprägt von zwielichtigen Akteuren am Markt, die einem einfache Lösungsansätze für komplexe Sachverhalte verkaufen wollen.
Management & Law-Blog: Welches war Ihre bisher schwierigste Verhandlung?
Mihai Isman: Ich bin geneigt, zu sagen, dass die nächste Verhandlung für einen Mandanten immer die schwierigste ist, da wir jede sehr ernst nehmen und uns akribisch vorbereiten.
Ich habe bisher über 300 Negotiations begleitet – schwierig sind immer die Verhandlungen mit vielen Interessensgruppen, also Multi-Party-Verhandlungen. Da muss der Verhandlungsprozess gut designt werden, der oder die Lead Negotiator wird stark gefordert und das am Ende entstehende Resultat ist meist hoch komplex.
Ebenfalls schwierig sind Verhandlungen, bei denen eine Partei zunächst nur vorspielt, dass sie sich einigen möchte – also solche, die zunächst gar keine echten Verhandlungen sind.
Verhandlungen im politischen Umfeld sind auch nicht einfach, da Stakeholder manchmal sehr volatil sind, aber vor allem auch weil viele Politiker*innen nicht gut verhandeln können. Sie haben es nicht professionell gelernt und lavieren eher herum. Diese Einstellung, gepaart mit übersteigertem Selbstbewusstsein, wird den Politiker*innen gefährlich und professionelle Verhandler*innen haben mit ihnen ein leichtes Spiel.
Schwierige Negotiations sind schliesslich auch diejenigen, bei denen es um ethische Themen geht, etwa um Rüstungsverträge, oder Konfliktverhandlungen in Krisensituationen, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Management & Law-Blog: Da stossen Sie auch in Ihrer begleitenden und coachenden Rolle an Grenzen, oder?
Mihai Isman: Absolut. Wenn ich hier eine einzige Situation hervorheben müsste, dann würde ich eine Verhandlung von 2018 aus dem landwirtschaftlichen Kontext eines europäischen Staates als Beispiel nehmen – aus dem einfachen Grund, dass alle oben genannten Faktoren zutrafen: es waren sehr viele Vertreter von Gruppen am Tisch, volatile politische Stakeholder waren involviert, es ging um viele «Win/Lose»-Themen und einige Player waren nicht bereit zu verhandeln.
Persönlich fand ich diese Verhandlung schwierig, weil wir nur eine 80%-Lösung gefunden haben. Da habe ich einen anderen Anspruch an unsere Arbeit. Als Mediator habe ich auch erwartet, dass ich eine Stakeholder-Gruppe, die nicht verhandeln wollte, noch „drehen“ kann – es ist mir aber nicht gelungen. Das fuchst mich noch heute.
Management & Law-Blog: Was ist speziell beim Verhandeln von Verträgen?
Mihai Isman: Nichts. Jede erfolgreiche Verhandlungsvereinbarung sollte in einem Vertrag münden, der die Zusammenarbeit der Parteien regelt. Je komplexer das Umfeld, umso wichtiger werden Verträge. Wenn man dieses einfache Prinzip missachtet, entstehen Probleme im Nachgang. Verträge sind essenziell in jeder Branche und in jedem Unternehmen. Im internationalen Kontext ist die Fähigkeit, Verträge professionell zu verhandeln, ein echter Game Changer.
«Im internationalen Kontext ist die Fähigkeit, Verträge professionell zu verhandeln, ein echter Game Changer.»
Management & Law-Blog: Was ist für Sie als Verhandlungsspezialist ein guter Vertrag?
Mihai Isman: Die Balance zwischen «sehr detailliert» und «zu generisch» ist wichtig. Ausgewogene Verträge regeln essenzielle Bestandteile der Zusammenarbeit im Detail, berücksichtigen aber auch unterschiedliche Eventualitäten. Ausserdem müssen Verträge immer juristisch „wasserfest“ sein.
Management & Law-Blog: Und wie verhandelt man gute Verträge?
Mihai Isman: Indem man weiss, was man tut. Die Vorbereitung, das Verfahrensdesign, das Verhandlungsteam sind wichtig. Gute Verträge entstehen aber meistens auch nicht „in a rush“. Man braucht Zeit. Im Rahmen von Vertragsverhandlungen sollten immer mehrere Eventualitäten und Szenarien durchgesprochen werden. Ein «What if»-Approach stärkt die Nachhaltigkeit des Vertrages. Dies ist bei Verträgen, bei denen man sich schnell einig ist, umso wichtiger. In der Euphorie des Abschlusses vergessen die Parteien oft, sich über weitere Möglichkeiten Gedanken zu machen. Wenn wir dann beispielsweise fragen, was denn gelten soll, wenn sich eine oder beide Seiten an den Vertrag nicht halten können, sehen wir zuerst einmal lange Gesichter, da man geistig schon auf den Vertrag angestossen hat.
Management & Law-Blog: Welche Fehler erleben Sie in Vertragsverhandlungen häufig?
Mihai Isman: Viele Stolpersteine habe ich bereits angesprochen. Was ich noch relativ oft sehe, ist eine zu starke Fokussierung auf die Sachthemen der Verhandlung sowie bei kommerziellen Verhandlungen eine zu frühe Fokussierung auf juristischen Details, bevor man sich überhaupt auf das wirtschaftliche Framework geeinigt hat. Bei einigen Akteuren steht auch häufig das eigene Ego guten Vertragsverhandlungen im Weg.
Management & Law-Blog: Wie verhandeln eigentlich wir Schweizer?
Mihai Isman: Ha, jetzt bewegen wir uns langsam in Richtung Stereotype. Jede*r vernünftig ausgebildete Verhandler*in verhandelt gut, unabhängig seiner Nationalität.
Schweizer sind in der Regel straightforward und nicht aggressiv beim Verhandeln. Im internationalen Kontext erreichen sie Zugeständnisse, da sie überzeugt von der Qualität ihrer Waren und Services sind, und das zu Recht.
Wenn die Personen nicht geschult sind und eher nach Gefühl und Intuition handeln, fangen Schweizer eine Verhandlung freundlich, aber nicht übermässig geschwätzig an. Sie erörtern ihr Verständnis von dem Deal. Wenn Widerstand von der Gegenseite kommt, bleiben sie in der Regel ruhig und widerstehen dem Feilschen. Die vorherrschende Einstellung ist dann: „You get what you pay for and Swiss does not come cheap“. Auf nicht aggressive, nicht zu stark fordernde Art und Weise ziehen sie dann das Gute für sich aus dem Deal heraus und liefern das Versprochene in der richtigen Qualität und zur richtigen Zeit aus.
Im interkulturellen Kontext verhandeln viele gerne mit Schweizern. Die Schweizer Vorbereitung auf interkulturelle Aspekte fällt aber manchmal zu gering aus.
Management & Law-Blog: Worauf müssten wir uns da besser vorbereiten?
Zu gering heisst, dass sie sich über interkulturelle Belange zu wenig Gedanken machen. Besser heisst also, sich damit zu beschäftigen.
Management & Law-Blog: Im neuen CAS Vertragsmanagement an der Hochschule Luzern vermitteln Sie Verhandlungskompetenzen. Verhandeln hat doch vor allem mit Intuition und Erfahrung zu tun. Kann man das überhaupt lernen?
Mihai Isman: Ist das so? Diejenigen, die sich ausschliesslich auf ihrer Intuition verlassen, sind für professionelle Verhandler*innen in der Regel ein leichtes Spiel.
Ich bezeichne gute Verhandlungsführung auch nicht als Kunst, sondern ganz klar als Handwerk. Man kann alles von der Pike auf lernen. Mit Übung, Reflexion und Unterstützung wird man dadurch stetig besser. Die Erfahrung nimmt zu. Klar, wenn man Talent hat, wenn man bereits ein*e gute*r Kommunikator*in ist, fällt einiges leichter. Exzellente Verhandlungsführung kann man aber erlernen.
«Ich bezeichne gute Verhandlungsführung nicht als Kunst, sondern als Handwerk. Klar, wenn man Talent hat, fällt einiges leichter. Exzellente Verhandlungsführung kann man aber erlernen.»
Management & Law-Blog: Was ist für Sie persönlich nicht verhandelbar?
Mihai Isman: So einiges. Alles, was Würde verletzt. Alles, was ich ethisch und moralisch nicht vertreten kann. Und alles, was Menschen absichtlich Schaden zufügt.
Ich lehne beispielsweise oft Aufträge ab, bei denen die Gegenseite über den Tisch gezogen werden soll. Wir versuchen stets, ausbalancierte Ergebnisse zu erzielen, da 90% der Deals in der Wirtschaft auf Wiederkehr basieren, auf einer Relationship zwischen den Parteien. Selbst wenn man es in der Vertragsverhandlung geschafft hat, die Gegenseite zu übervorteilen und ihm/ihr ein gutes Gefühl zu geben, fällt das Kartenhaus zusammen, wenn die Person zurück in ihr Unternehmen kehrt und den vermeintlichen Erfolg vermeldet oder wenn es an die Umsetzung des Vertrages geht. Dann ist der Aufschrei gross und die Person wird sich bei der nächsten Interaktion zum Ziel setzen, es Ihnen doppelt so hart zurück zu zahlen.
Gerade in der COVID- und Post-COVID-Zeit haben wir auch zahlreiche Nachverhandlungen und Verhandlungen im Rahmen von Umstrukturierungen und „hartem Change“ begleitet – da ist es besonders wichtig, dass die Parteien sich fair zueinander verhalten.
Zum Interviewpartner
Mihai Isman ist eine international erfahrene Führungskraft, Konzern-Insider und Kenner komplexer Projekte, Harvard-zertifizierter Verhandlungsspezialist, interkulturell geschulter Mediator, Workshop-Trainer und Speaker. Seit 2015 leitet er die Unternehmensberatung ISMAN & Partner, die nationale und internationale Konzerne, mittelständische Betriebe und Start-ups, Organisationen und Institutionen bei komplexen Verhandlungs- und Konfliktlösungsprozessen begleitet.
Ab September 2022 unterrichtet Mihai Isman im CAS Vertragsmanagement der Hochschule Luzern – Wirtschaft.
In drei praxisorientierten Modulen vermittelt das CAS Vertragsmanagement fundierte Kenntnisse in den Bereichen Recht und Vertragsgestaltung, Strategie und Verhandeln sowie Tools und Prozesse.
Die Weiterbildung startet im September 2022 und dauert bis März 2023.
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