Konflikte in Chancen verwandeln – Ein Interview über Mediation, afrikanische Inspirationen und mehr

Konflikte in Chancen verwandeln – Ein Interview über Mediation, afrikanische Inspirationen und mehr
Susann Bongers und Katharina Windler im Gespräch.

Im Interview mit Susann Bongers, Mediatorin und Programmleiterin des CAS Mediation Grundlagen und des CAS Mediation Vertiefung der Hochschule Luzern – Wirtschaft, erfahren wir, wie sie ihre Leidenschaft für Mediation entdeckte und welche Bedeutung die Mediation in der heutigen Welt hat. Sie teilt auch ihre Erfahrungen aus der Praxis und erläutert, wie Mediation Konflikte effektiv lösen kann. Darüber hinaus spricht sie über ihre neue Rolle im Advisory Board des Institutes of Chartered Mediators and Conciliators in Kenia und die Verbindung zwischen Mediation und afrikanischer Kultur. Ein inspirierendes Gespräch über die Kunst der Konfliktlösung, geführt von Katharina Windler.


Katharina Windler: Liebe Susann, bis vor gut 11 Jahren warst Du noch Co-Rektorin der Kantonsschule Obwalden. Was hat Dich dazu bewegt, Dich ganz dem Thema «Mediation» zu widmen und von der Kantonsschule an die Hochschule zu wechseln?

Susann Bongers: Ich habe schon in meiner Jugend und Kindheit Vermittler-Rollen übernommen und habe dann als Rektorin auch gemerkt, dass man durch die Art der Gesprächsführung die Konfliktbearbeitung sehr beeinflussen kann, sowohl ins Negative als auch ins Positive. Und das hat mich fasziniert. Und Vermitteln von Wissen und Erfahrung ist immer ein Anliegen gewesen bei mir. Deswegen bin ich auch Lehrerin geworden. Ich bin jetzt sehr gerne in der Weiterbildung tätig, weil es mir ein grosses Anliegen ist, das lebenslange Lernen weiterzugeben.

Katharina Windler: Mediation wird ja oft als sehr effektive Konfliktlösungsmethode betrachtet. Könntest Du uns kurz erklären, wie Mediation funktioniert und welche Vorteile sie im Vergleich zu anderen Ansätzen bietet?

Susann Bongers: Mediation ist dadurch gekennzeichnet, dass eine unbeteiligte Person zwischen Konfliktparteien vermittelt. Was Mediation ausmacht, ist, dass sie diese Konfliktparteien darin bestärkt und darin begleitet, selbst Lösungen zu finden, sich selbst zuzuhören und wieder zu einer Verständigung zu kommen, die vorher gestört war. Im Gegensatz zu einer gerichtlichen Verhandlung, wo es einen Entscheid gibt vom Richter oder von der Richterin – oder in einem Unternehmen entscheidet vielleicht die Führungskraft, wie es weitergehen soll – wird hier wirklich an die Ressourcen der Konfliktparteien angedockt.

Katharina Windler: Das bringt mich schon zur nächsten Frage, nämlich Du bist ja auch Geschäftsführerin von bcompanion und bietest dort Mediation, Coaching und Organisationsberatung an. Auf Eurer Website steht «Die Lösung sind Sie». Was ist damit gemeint?

Susann Bongers: Unsere Grundüberzeugung ist, dass wir mit fähigen Personen arbeiten, die Ressourcen haben, die manchmal etwas verstellt sind. Aus verschiedenen Gründen haben wir manchmal in unserem Leben – vor allen Dingen im Arbeitsleben – keinen richtigen Zugang mehr zu unseren Ressourcen. Und ich sehe meine Rolle darin, die Menschen zu begleiten, wieder zu ihren Ressourcen zu kommen, zu ihrer Kraft zu kommen und selber die Lösung zu sein, um wieder einen Schritt weiterzukommen.

Katharina Windler: Du bist im Juni 2023 ins Advisory Board des Institutes of Chartered Mediators and Conciliators in Kenia gewählt worden. Ganz herzlichen Glückwunsch! Wie kam es eigentlich dazu?

Susann Bongers: Das ist eine etwas längere Geschichte. Ich war schon 2015 für eine Schweizer Stiftung – B360 Educational Partnerships – die im südlichen Afrika Bildungsprojekte im Tertiärbereich unterstützt, als Expertin tätig. Ich habe Mentoring und Coaching an einer Business School in Kapstadt unterrichtet und Career Starter Weeks facilitiert an der Namibian University of Science and Technology in Windhoek. Und da habe ich meine Liebe zu Afrika entdeckt. Dieser Kontinent fasziniert mich, die Menschen faszinieren mich. Ich habe gemerkt, dass da eine ganz hohe emotionale Kompetenz ist und ich ganz viel von Afrikanerinnen und Afrikanern lernen kann. An einem internationalen Kongress im Juni dieses Jahres habe ich James Mang’erere aus Kenia kennengelernt. Er hat Tausende von Mediatoren ausgebildet in Kenia und hat dieses Institut gegründet. Sein Anliegen ist es, Mediation als eigenständigen Bereich zu fördern, nicht nur als einen Nebenzweig von Conciliation oder von juristischen Prozessen. Als ich ihm erzählte, was ich mache, und dass ich auch an der Hochschule Luzern tätig bin in der Weiterbildung, hat er mich gefragt und ich habe sehr freudig angenommen.

Katharina Windler: Was bedeutet diese Ernennung konkret für Dich und welche Aufgaben wirst Du in dieser Position übernehmen?

Susann Bongers: Für mich persönlich bedeutet es, dass ich einerseits meine Leidenschaft für Afrika mal wieder mit meiner beruflichen Leidenschaft für Mediation zusammenbringen kann.  Und auch dass ich einen Wissenstransfer gestalten kann zwischen diesem kenianischen Institut und dem IBR. Ich bin als Programmleiterin der beiden CAS Mediation Grundlagen und Vertiefung daran, die beiden Produkte weiterzuentwickeln und mich mit Partnern auszutauschen. Ausserdem wollen wir am IBR die Expertise der Wirtschaftsmediation noch mehr herausschälen.  Andererseits bin ich auch noch in einer Arbeitsgruppe der Schweizer Kammer für Wirtschaftsmediation tätig, die Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum der Schweiz organisieren zu Mediation. Und da habe ich vor, James mal zum Thema ‘Mediieren in Krisen’ einzuladen. Gleichzeitig könnte man das natürlich auch fürs IBR machen.  Ich werde jetzt im Oktober zum ersten Mal etwas für dieses Institut machen, und zwar einen Workshop zum Thema präventives Konfliktmanagement in Unternehmen gestalten an einem Summit, den sie organisieren. Da freue ich mich schon sehr drauf. Im November gehe ich dann nach Nairobi und werde die Leute persönlich kennenlernen.

Katharina Windler: Schöne Aussichten. Du hast jetzt grad schon etwas ausgeführt, was diese neue Rolle mit Deiner Arbeit als Mediatorin in der Schweiz zu tun hat. Gibt es noch weitere Punkte, abgesehen davon, dass Du die Mitglieder des kenianischen Instituts zwecks Wissenstransfer in die Schweiz bringen möchtest?

Susann Bongers: Sehr spannend ist, dass Mediation teilweise sehr unterschiedlich verstanden wird. Es gibt unterschiedliche Schulen und Anwendungsformen, auch auf einer didaktischen Ebene.  Und ich bin mit James schon mehrfach im Austausch gewesen – dazu, wie er Mediation versteht als ein sehr erfahrener, langjähriger Trainer und auch jemand, der zum Beispiel in bewaffneten Konflikten vermittelt hat in Ostafrika. Es ist extrem spannend diesen Erfahrungsaustausch herzustellen. Und ich habe auch vor, bei uns am IBR für unsere Mediations-Absolventinnen und -Absolventen einen Alumni Verein zu gründen und Veranstaltungen zu organisieren. Auch dort könnte ich mir solche neuen Aspekte gut vorstellen.

Katharina Windler: Sehr spannend… Susann, wie muss ich mir Deine Tätigkeit als Mediatorin vorstellen? Magst Du ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern und die Möglichkeiten von Mediation an einem Beispiel aus der Praxis aufzeigen?

Susann Bongers: Sehr gerne. Meine Tätigkeit ist enorm vielfältig.  Ich bin hauptsächlich in Arbeitskonflikten unterwegs, in Teams, Organisationen usw. oder auch zwischen Organisationen. Es kann ein Konzern sein, ein Startup oder im Gesundheitswesen… also alles, was die Welt so zu bieten hat… Es kommt immer sehr darauf an, wie stark der Konflikt schon eskaliert ist. Wenn der sehr lange und hoch eskaliert ist, ist die Aufgabe da wieder eine Win-win-Lösung für alle zu schaffen, sehr herausfordernd.  Aber ich kann jetzt mal ein Beispiel schildern, wo der Konflikt noch nicht so lange eskaliert war und man sich relativ schnell entschieden hat eine Mediatorin zu holen. Das war zwischen zwei Personen, wo die eine Person schon lange in der Institution arbeitete und die andere neu hinzukam. Sie waren für zwei verschiedene Bereiche zuständig, ihre Teammitglieder müssen aber eng miteinander kooperieren.  Die neue Person hatte einen sehr schwierigen Start und kam mitten in eine Re-Organisation in ein Team, welches schon belastet war durch andere Vorkommnisse. Dies war extrem anspruchsvoll für die neue Person. Und irgendwann war es zu einem Eklat gekommen. Dieser konnte gelöst werden, indem sich beide gegenseitige Anerkennung gegeben haben. Sehr schön an der Mediation war, dass die erste Person der neuen Person zugestanden hatte, dass diese einen schwierigen Start gehabt hatte und es im Nachhinein auch bereute, dass man sich nicht mehr Zeit genommen hatte für sie und für ihre Einarbeitung.  Zudem haben beide Parteien auch gesagt, was ihnen wichtig ist in ihrer Zusammenarbeit, was sie brauchen. Also so Dinge wie Zuverlässigkeit, dass man sich an Abmachungen hält, eine gewisse Klarheit und Struktur. Nun ja, Re-Organisationen kennzeichnen sich oft dadurch, dass Strukturen und Klarheit irgendwie mal phasenweise etwas abhandenkommen… Aber so konnten die beiden sich wirklich innerhalb von zwei Stunden darauf einigen, dass die nächste Retraite diese Re-Organisation betreffend doch ein Neustart sein sollte und sie jetzt gemeinsam ihre Teams wieder unter die Fittiche nehmen und gemeinsam vorwärtsschreiten. Und das war wirklich sehr berührend, auch wie schnell das eigentlich möglich war.

Katharina Windler: Was glaubst Du war die Ursache, dass das so reibungslos geklappt hat?

Susann Bongers: Ich glaube, es gab da mehrere Faktoren. Ich führe am Anfang immer Einzelgespräche und davor hatte ich schon gedacht, uhm, hoffentlich geht das gut. Man hat ja Zweifel, wenn man die Person teilweise auch erlebt, aber die kamen dann doch sehr erholt von ihren Ferien zurück, das spielte schon mal eine Rolle. Zweitens waren es in der Tat erfahrene Berufs-Personen – die eine hatte auch einen CAS Leadership an der Hochschule Luzern absolviert. Aufgrund dieser langjährigen Erfahrung konnten sie sich auch relativ gut selbst reflektieren und auch anerkennen, ja, ich habe da einen Fehler gemacht, das war nicht gut, und das soll in Zukunft anders werden. Ich finde, es zeigt auch eine gewisse persönliche Grösse, wenn man das kann, und das ist so nicht immer der Fall. Ich behaupte mal, dass es auch ganz stark von den Beteiligten abhängt. Natürlich schaffe ich einen Raum, der dies möglich macht. Aber die beiden Personen müssen auch bereit sein dazu. Die müssen sich darauf einlassen. Sonst funktioniert es nicht. Ich kann nichts erzwingen.

Katharina Windler: Danke für die einsichtsreichen Ausführungen. Gibt es auch im Privatleben irgendwelche Situationen, in denen Du ganz selbstverständlich in die Rolle der Mediatorin schlüpfst und falls ja, wie unterscheidet sich dies dann von der «Susann im Dienst»?

Susann Bongers: Hm… Wenn ich selbst stark von einem Konflikt betroffen bin, dann habe ich natürlich auch diese Emotionen und teilweise sehr – sagen wir mal – reduzierte Wahrnehmungen, die in diesen Konfliktsituationen mit uns Menschen passieren. Das habe ich ganz genauso. Und gleichzeitig merke ich, wenn ein Konflikt sich anbahnt – langsam –, dass es mir da oft gelingt, für mich vorher zu überlegen, was mir wirklich wichtig ist und zu schauen, wofür es sich lohnt sich einzusetzen oder was ich einfach an mir vorbeilaufen lassen kann. Ich glaube eine gewisse Reflexionsfähigkeit – solange ich noch nicht völlig von meinen Emotionen überfordert bin – die ist schon vorhanden und ich kann vielleicht ein bisschen anders auf Menschen dann eingehen. Aber wie gesagt, wenn es mich wirklich ganz tief trifft, wie das halt auch schon mal passiert, dann bin ich ganz genauso unterwegs, dann brauche ich auch schon mal vielleicht eine Mediatorin oder einen Mediator.

Katharina Windler: Gibt es etwas, das ich besser über Dich wissen sollte, wenn ich mal als Mediatorin zwischen Dir und einer anderen Partei vermitteln sollte?

Susann Bongers: Womit ich als Mensch sehr zu kämpfen habe, ist, wenn jemand mir gegenüber ein doppeltes Spielchen führt, mir nicht sagt, was sie denkt, und vielleicht im Hintergrund irgendetwas macht und versucht, manipulativ zu sein. Da ist bei mir sehr schnell die Geduld zu Ende und auch die Bereitschaft, mich auf diese Person weiter einzulassen. Das sollte die Mediatorin wissen und mitberücksichtigen. Ich glaube, dass ich dann auch gar nicht mehr zu einer Mediation bereit wäre.

Katharina Windler: Herzlichen Dank, liebe Susann, für Deine Offenheit und Deine Zeit.

CAS-Programme Mediation

Das CAS Mediation Grundlagen befähigt zu konstruktiver Konfliktintervention im beruflichen und privaten Umfeld und schafft die Voraussetzung, Mediation als Dienstleistung in verschiedenen Anwendungsfeldern erfolgreich anbieten zu können.
Die nächste Durchführung startet im Mai 2024 (Anmeldeschluss: 8. April 2024).

Das CAS Mediation Vertiefung befähigt die Teilnehmenden, als Mediator*innen auch in schwierigen Konfliktsituationen selbständig aktiv zu werden.
Die genauen Termine für die nächste Durchführung 2024-2025 werden noch definiert.

Infoveranstaltungen (online): 17. Oktober 2023, 6. Dezember 2023, 1. Februar 2024 und 20. März 2024, jeweils 17.30 Uhr

Kommentare

1 Kommentare

Daniel Girsberger

4. September 2024

Tolles Interview, merci!

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