Der Aufschrei unter Hockeyfans war gross: Gemäss einem neuen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts darf die Schweizer Eishockeynationalmannschaft das Schweizerwappen nicht mehr auf den Trikots tragen. Was hat es mit diesem Gerichtsentscheid auf sich? Unter welchen Voraussetzungen darf das Wappen überhaupt von wem verwendet werden? Und wie sieht es mit dem Schweizerkreuz aus? Der vorliegende Blog-Beitrag ordnet den Entscheid gegen den Eishockeyverband ein und nimmt diesen zum Anlass, über das Eisfeld hinaus die wichtigsten Fragen rund um die Verwendung von Wappen, Schweizerkreuz und Co. zu erläutern.
Das Urteil B-669/2024 des Schweizer Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2024 hat medial Wellen geschlagen, da es dazu führt, dass das Schweizer Hockeyteam künftig nicht mehr mit dem Schweizerwappen auf dem Trikot auflaufen darf. Diese Konsequenz ergibt sich aus dem Entscheid des Gerichts, dass die Swiss Ice Hockey Federation (SIHF) ein entsprechendes Gesuch um Weiterbenützung des Schweizerwappens zu spät eingereicht hatte.
2017 hat die Schweiz ein neues Wappenschutzgesetz (Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen, WSchG) in Kraft gesetzt. Dieses behält den Gebrauch des Schweizerwappens allein der Schweizerischen Eidgenossenschaft vor (Art. 8 WSchG; vgl. zur Abgrenzung von Schweizerwappen, Schweizerfahne und Schweizerkreuz die Box unten).
Unternehmen und Vereine, die das Wappen bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes verwendet hatten, sind unter gewissen Voraussetzungen zur Weiterbenützung berechtigt, mussten hierzu aber bis Ende 2018 ein Gesuch beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) stellen.
Gemäss den Ausführungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) war die SIHF zwar bereits seit 2018 im Zusammenhang mit der Weiterbenützung des Wappens in Kontakt mit diversen Bundesbehörden, stellte aber das vorliegend relevante Gesuch erst im Oktober 2021 und damit zu spät. Im Entscheid des BVGer ging es mithin primär um formelle Fragen: So erwog das BVGer namentlich, wann genau die SIHF die Weiterbenützung beantragt hatte bzw. ob bestimmte Anfragen oder Kontakte nach Treu und Glauben als Antrag zu werten gewesen waren, und ob ihr seitens des Bundes entsprechende Zusicherungen gegeben worden waren, auf die sie sich hatte verlassen dürfen. Da es dabei zum Schluss gelangte, dass das Gesuch unter Berücksichtigung aller Umstände verspätet erfolgt war, musste es sich nicht mit den materiellen Fragen auseinandersetzen, sprich damit, ob die Voraussetzungen für eine Weiterbenützung vorliegend gegeben gewesen wären.
Wäre das Gesuch als rechtzeitig eingestuft worden, wäre gemäss Art. 35 WSchG zu prüfen gewesen, ob besondere Umstände vorliegen, welche eine Weiterbenützung rechtfertigen. Solche sind im Allgemeinen gegeben, wenn das betreffende Zeichen seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen und unangefochten zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen verwendet worden ist und an der Weiterbenützung ein schutzwürdiges Interesse besteht. Bei Dienstleistungsmarken liegen besondere Umstände vor, wenn das betreffende Zeichen Bestandteil einer vor dem 18. November 2009 eingetragenen oder hinterlegten Marke ist und an der Weiterbenützung ein schutzwürdiges Interesse besteht. Zudem darf die Weiterbenützung nicht zu einer Täuschung über die geografische Herkunft, über die Nationalität der benutzenden Person oder Institution oder deren geschäftliche Verhältnisse, wie namentlich über angebliche amtliche Beziehungen zur Eidgenossenschaft, führen.
Ob diese strengen Voraussetzungen im Falle der SIHF gegeben gewesen wären, ist fraglich, zumal das Schweizerwappen unstrittig erst seit 2015 und damit deutlich kürzer als 30 Jahre auf den Trikots verwendet wird.
Schweizerwappen, Schweizerfahne, Schweizerkreuz… Was ist was?
Das Wappenschutzgesetz definiert mit Blick auf die nationalen Zeichen das Schweizerwappen und die Schweizerfahne und enthält Regeln zu deren Verwendung sowie zur Verwendung verwechselbarer Zeichen. Zusätzlich ist das Markenschutzgesetz anwendbar (vgl. insbesondere Art. 47 ff. MSchG).
Das Wappen der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweizerwappen) ist ein Schweizerkreuz in einem Dreiecksschild, wobei Form, Farbe und Grössenverhältnisse genau definiert sind (vgl. Art. 2 WSchG i.V.m. Anhang 1 zum WSchG). Die Verwendung des Schweizerwappens (und verwechselbarer Zeichen) ist grundsätzlich dem Bund vorbehalten (vgl. Art. 8 WSchG).
Die Schweizerfahne zeigt ein Schweizerkreuz in einem quadratischen Feld, wobei Form, Farbe und Grössenverhältnisse genau definiert sind (Art. 3 WSchG i.V.m. Anhang 2 zum WSchG). Die Schweizerfahne darf frei gebraucht werden, solange die Verwendung nicht irreführend, ordnungs-, sitten- oder rechtswidrig ist (vgl. Art. 10 WSchG).
Während die Voraussetzungen für die Verwendung des Schweizerwappens im Zuge der Totalrevision des WSchG per 2017 verschärft wurden, wurden jene für die Benutzung des Schweizerkreuzes bzw. der Schweizerfahne etwas liberaler gestaltet (vgl. Art. 2 Abs. 1 aWSchG). Entgegen der früheren Regelung darf das Schweizerkreuz grundsätzlich von jedermann und ohne vorgängige Bewilligung verwendet werden, solange das gekennzeichnete Produkt oder die gekennzeichnete Dienstleistung tatsächlich aus der Schweiz stammt und die Verwendung entsprechend nicht irreführend sowie nicht ordnungs-, sitten- oder rechtswidrig ist (vgl. Art. 10 WSchG).
Hierbei gelangen sogenannte Herkunftskriterien zur Anwendung, die sich im 2. Titel des Markenschutzgesetzes (Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben, MSchG) finden. Die Anforderungen sind unterschiedlich je nach Art der Ware bzw. Dienstleistung, wobei zwischen Naturprodukten, Lebensmitteln, anderen Waren sowie Dienstleistungen differenziert wird. So darf man etwa Obst oder Gemüse mit einem Schweizerkreuz versehen, wenn der Ort der Ernte in der Schweiz liegt. Bei produzierten Lebensmitteln müssen grundsätzlich mindestens 80% des Gewichts der Rohstoffe aus der Schweiz stammen; bei Milch und Milchprodukten müssen 100% des Rohstoffes Milch schweizerisch sein. Bei anderen Produkten, insbesondere industriellen Waren, wird vorausgesetzt, dass mindestens 60% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen, wobei nicht nur die Produktionskosten, sondern etwa auch die Kosten für Forschung und Entwicklung berücksichtigt werden. Bei Dienstleistungen schliesslich kommt es auf den Geschäftssitz und den Ort der tatsächlichen Verwaltung der Person an, welche die Dienstleistung erbringt.
Die skizzierten Regeln für die Verwendung des Schweizerkreuzes gelten auch für andere Schweizer Herkunftsangaben. Hierzu zählen die Bezeichnung «Schweiz» ebenso wie Begriffe wie «Made in Switzerland», «Schweizer Rezept» oder «Swiss Quality» sowie Bildzeichen wie etwa das Matterhorn, Wilhelm Tell oder die Helvetia. Nur wenn die vorgängig beschriebenen Herkunftskriterien erfüllt sind, also genügend Schweiz «drin steckt», darf man Schweiz «drauf schreiben».
Der Schweizer Eishockeyverband ist vor Bundesverwaltungsgericht mit seinem Gesuch um die Benutzung des Schweizerwappens aus formellen Gründen gescheitert. Ob der Verband das Urteil ans Bundesgericht weiterzieht, ist noch offen. Wie gesehen sind vorliegend auch die materiellen Voraussetzungen zweifelhaft.
Im Moment ist das Wappen jedenfalls von den Hockeytrikots verbannt. Das Schweizerkreuz bzw. die Fahne dürften die Schweizer Hockeyaner demgegenüber nach dem vorstehend Dargestellten wohl unproblematisch tragen.
Zukünftig könnte sich die Situation jedoch wieder ändern. Denn aktuell ist eine Motion im Parlament hängig, die eine spezielle Regelung für Sportnationalmannschaften einführen will, um ihnen das Tragen des Wappens zu erlauben (24.3143 – Motion Müller Damian. Nationalmannschaft verliert gegen das Wappenschutzgesetz?). Der Ständerat hat der Motion im Juni 2024 zugestimmt, der Nationalrat hat sie noch nicht behandelt. Es ist also gut möglich, dass über kurz oder lang auf dem Eis und in anderen Sportarten wieder das offizielle Wappen zu sehen sein wird.
Nachtrag (14.11.2024)
Wie diversen Medien sowie einer Stellungnahme des SIHF vom 14. November 2024 zu entnehmen war, wurde im Nachgang zu dem vorliegend erläuterten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine Einigung zwischen dem Eishockeyverband und den Behörden erreicht. Demnach darf das Schweizer Wappen trotz der beschriebenen Rechtslage bis Ende 2026 auf den Trikots weiterverwendet werden. Der Verband akzeptiert im Gegenzug das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und wird, vorbehaltlich einer Revision des Wappenschutzgesetzes, ab dem 1. Januar 2027 das Trikot neu gestalten.
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