Digitaler Nachlass: Was bleibt von uns im Netz?

Digitaler Nachlass: Was bleibt von uns im Netz?

Autorin: Lia Lüdi

Hochschule Luzern - W Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Wenn wir an Nachlass denken, kommen uns oft Immobilien, Ersparnisse oder andere greifbare Werte in den Sinn. Aber was passiert mit all den digitalen Spuren, die wir hinterlassen? Unser LinkedIn-Profil, die Urlaubsfotos in der Cloud oder der Disney-Account – auch sie gehören zu unserem Erbe, das wir der Nachwelt hinterlassen. Was genau ein digitaler Nachlass ist, wie man mit diesem digitalen Nachlass umgeht und was es in Zukunft zu beachten gilt, erklärt dieser Blogbeitrag.

Was ist eigentlich ein digitaler Nachlass?

Zum digitalen Nachlass gehören alle Daten und Konten, die eine Person im Internet hinterlässt. Dies umfasst beispielsweise:

  • Soziale Netzwerke: Facebook, Instagram, LinkedIn etc.
  • Streaming-Dienste: Spotify, Netflix, Prime etc.
  • E-Mails und Cloud-Dienste: Gmail, Dropbox, OneDriv etc.
  • Digitale Währungen: Solana & Co.
  • Blogbeiträge und sonstige Publikationen

Reto Ineichen, Dozent an der Hochschule Luzern – Wirtschaft und Rechtsanwalt, fasst den Begriff «digitaler Nachlass», in seinem Blogbeitrag wie folgt zusammen:

  • Der digitale Nachlass umfasst die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse der verstorbenen Person betreffend informationstechnische Systeme, seine digitalen Vermögenswerte sowie den gesamten elektronischen Datenbestand der verstorbenen Person, sofern ihr daran subjektive Rechte zukamen.
  • Es existiert aber nur ein einziger Nachlass; eine klare Abgrenzung zum «analogen Nachlass» ist weder möglich noch notwendig.
  • Die digitale Hinterlassenschaft umfasst den gesamten Bestand an durch und über die verstorbene Person generierten Daten unabhängig vom Ort ihrer Speicherung, all ihrer Rechtsverhältnisse betreffend informationstechnische Systeme und all ihre anderen digitalen Vermögenswerte. Nicht alle Bereiche der digitalen Hinterlassenschaft fallen auch in den Nachlass.

Laut einer neuen Studie von TA-SWISS «Der Tod im digitalen Zeitalter», erweist sich dieser Bereich als komplex: Viele Hinterbliebene wissen weder, welche Konten existieren, noch wie darauf zugegriffen werden kann. Oft bleibt wertvoller Inhalt unerreichbar oder digitale Profile spuken jahrelang weiter im Netz herum. Der digitale Nachlass ist nicht nur ein technisches oder rechtliches Thema, sondern auch ein emotionales. Oft entscheiden die Hinterbliebenen über die digitale „Erinnerung“ eines Verstorbenen – ein schwieriger Prozess ohne klare Vorgaben.

Der rechtliche Blickwinkel

In seiner ausführlichen, zweiteiligen Blogreihe „Der digitale Nachlass in der Praxis“ bringt Reto Ineichen Struktur in die wichtigsten juristischen Rahmenbedingungen, die rechtlichen Lücken in der Schweiz sowie bestehende Angebote der Privatwirtschaft, um dieses zunehmend wichtige Thema abzudecken.

Im ersten Teil erklärt der Autor unter anderem, dass der digitale Nachlass ähnlich wie ein physisches Erbe behandelt wird. Es sind jedoch insbesondere einige Dinge zu beachten:

  • Keine automatische Vererbung: Ohne klare Regelungen kann es in einigen Fällen passieren, dass Hinterbliebene keinen Zugriff auf die Daten haben.
  • Kontensperren: Viele Anbieter sperren Profile nach längerer Inaktivität oder Tod – ein Problem, wenn vorher nichts geregelt wurde.
  • Zwei-Faktor-Authentifizierung: Für viele Tools ist heute eine Zwei-Faktor-Authentifizierung mittels Handy notwendig. Dafür bräuchten die Hinterbliebenen also auch Zugriff auf das Handy der verstorbenen Person.

Der zweite Teil der Blogreihe befasst sich mit der aktuellen Praxis in verschiedenen Schweizer Kantonen sowie konkreten Handlungsempfehlungen, um den Hinterbliebenen das Managen des digitalen Nachlasses zu vereinfachen. Hierbei sind vor allem folgende Punkte zu beachten:

  1. Passwort-Manager einrichten: Alle Logins an einem Ort speichern und den Zugang den Erben hinterlegen, beispielsweise durch eine Notarin bzw. einen Notar
  2. Digitale Verfügungen erstellen (lassen): In einem Testament festlegen, wer sich um welche Konten kümmert
  3. Frühzeitig planen: Sich nicht auf unpersönliche Standardlösungen der Anbieter verlassen, sondern selbst aktiv werden

In einer Zusatzstudie der TA-Swiss – «Tod im digitalen Zeitalter – Rechtliche Ergänzungen» – werden die rechtlichen Herausforderungen des «digitalen Todes» in der Schweiz beleuchtet, insbesondere in den Bereichen Erbrecht, Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Sie zeigt, dass Persönlichkeitsrechte mit dem Tod enden, während Erben Informations- und Zugriffsrechte auf digitale Vermögenswerte haben. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei digitalen Avataren oder sogenannten Deadbots, die eine postmortale Weiterexistenz ermöglichen. Die sechs zentralen Empfehlungen der Studie sind unter anderem die Einführung einer digitalen Hinterlegung letztwilliger Verfügungen, spezifischer Regelungen für den Zugriff auf personenbezogene Daten Verstorbener sowie Weiterbildungen und Leitlinien für Fachpersonen.

Ein kürzlich erschienenes Video zur Studie von TA-Swiss zeigt die wichtigsten Erkenntnissen der Studie.

Was sind «Deadbots»?

Deadbots, auch Ghostbots oder Griefbots genannt, sind KI Programme, die mit Bild-, Sprach- und/oder Textmaterial von verstorbenen Personen trainiert werden, um entweder einen textbasierten Chatbot oder auch einen mit Virtual Reality nutzbaren Avatar der verstorbenen Person zu erstellen. Das gibt die Illusion, dass  Hinterbliebene auch über den Tod hinaus mit verstorbenen Menschen kommunizieren können. Ihr Einsatz ist in der Schweiz noch nicht verbreitet und bringt rechtliche sowie ethische Diskussionen mit sich.

Da sich die digitale Welt und unser Verhalten darin rasant ändert, ist vor allem Eins wichtig in der digitalen Nachlassplanung: das kontinuierliche Aktualisieren der Informationen.

Fazit: jetzt handeln, nicht später

Ob es das Liebesgedicht im Chatverlauf oder der Blog ist, den man in den letzten Jahren gepflegt hat: Der digitale Nachlass gehört zur modernen Lebensplanung. Die digitale Welt vergisst nicht, aber sie braucht eine menschliche Handschrift – auch nach unserem Tod.

Kommentare

1 Kommentare

Udo Jetschmanegg

6. Dezember 2024

Vielen Dank für den interessanten Artikel. Das Bewusstsein dafür wächst, aber es. Liebt noch viel zu tun. Am besten gefällt mir der Hinweis, dass es mit einmal nicht erledigt ist, sondern man sich stetig darum kümmern darf. Eine Strategie im Umgang mit dem digitalen Fussabdruck ist daher wichtig.

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