Wieviel Dubai muss in Dubai-Schokolade stecken?

Wieviel Dubai muss in Dubai-Schokolade stecken?
Juristisch am sichersten: Dubai-Schokolade selbst herstellen - zum Beispiel mit dem Rezept von einfachkochen.de (Bild: einfachkochen.de)

Autorin: Isabelle Oehri

Hochschule Luzern - W Dozentin & Projektleiterin

Rechtsfragen um den süssen Food-Hype: In Deutschland häufen sich derzeit die Streitigkeiten rund um die Dubai-Schokolade. Schokoladenhersteller, Süsswarenhändler und Discounter werden abgemahnt und verklagt, sie dürften ihre Produkte nicht unter dem Namen «Dubai-Schokolade» verkaufen. Was ist der juristische Hintergrund dieser Auseinandersetzungen und wie sieht die Rechtslage in der Schweiz aus? Unter welchen Voraussetzungen darf man Dubai-Schokolade vertreiben und lassen sich Bezeichnungen wie diese eigentlich rechtlich schützen?

Vollmilchschokolade, Pistaziencreme, Tahini-Paste und feinste Kadayif-Teigfäden – das sind die Zutaten zum derzeit wohl grössten Food-Hype: Dubai-Schokolade. Bereits 2021 von Fix Dessert Chocolatier, einer Schokoladen-Manufaktur in Dubai entwickelt, ging das Produkt 2024 dank Influencerinnen und Influencern viral und die Nachfrage trotz stattlicher Preise durch die Decke. In der Folge wollten sich auch andere Schokoladenanbieter etwas vom Kuchen (oder von der Schokolade) abschneiden und brachten eigene Dubai-Schokolade-Kreationen auf den Markt – zum Ärger der Hersteller und Exporteure von entsprechenden Produkten aus dem Emirat. In Deutschland nehmen allen voran zwei Grossimporteure, die Wilmers GmbH und die MBG International Premium Brands GmbH, für sich in Anspruch, exklusiv originale Dubai-Schokolade zu vertreiben. Auch mit juristischen Mitteln wehren sie sich nun gegen die Konkurrenz. Dabei berufen sie sich auf kennzeichenrechtliche Argumente: Konkurrenzprodukte, die nicht aus Dubai stammten, sollten sich nicht Dubai-Schokolade nennen dürfen.

Abmahnungsflut gegen Produzenten, Händler und Discounter

Der wohl berühmteste Adressat einer entsprechenden Abmahnung war Lindt & Sprüngli. Dem Schweizer Konzern wurde von Wilmers im Dezember ein Ultimatum gesetzt, den Verkauf der «Dubai Chocolade» einzustellen. Lindt ersetzte das Produkt in der Folge durch die neue «Dubai Style Chocolade», eigenen Angaben zufolge aufgrund einer neuen Rezeptur.

Links: Lindts «Dubai Chocolade» vor Dezember 2024 / Rechts: Lindts «Dubai Style Chocolade» ab Dezember 2024 (Bilder: Lindt online)

Andere Unternehmen lenkten nicht ein und sahen sich in der Folge mit gerichtlichen Schritten konfrontiert. So wurde Aldi Süd (Produkt «Alyan Dubai Handmade Chocolade») von Wilmers verklagt und MBG International Premium Brands lancierte zwei ähnliche Klagen gegen die Medi First GmbH («Miskets Dubai Chocolate») und gegen die KG Trading UG, die ihre Produkte mit «Dubai Schokolade», «The Taste of Dubai» oder «mit einem Hauch von Dubai» bewirbt.

Verfahren vor dem Landgericht Köln

Alle drei Gerichtsverfahren sind beim Landgericht Köln anhängig und drehten sich in einem ersten Schritt um vorsorgliche Begehren, mit welchen die Klägerseite gestützt auf § 127 Abs. 1 sowie § 128 Abs. 1 des deutschen Markengesetzes (dMarkenG) in Verbindung mit § 8 Abs. 3 des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (dUWG) ein einstweiliges Verbot des Vertriebs der strittigen Produkte erwirken wollte.

Gerichtsverfahren um Dubai-Schokolade vor dem Landgericht Köln

Wilmers GmbH / Aldi Süd
Beschluss 33 O 544/24 vom 6. Januar 2025

MBG International Premium Brands GmbH / Medi First GmbH
Beschluss 33 O 513/24 vom 20. Dezember 2024

MBG International Premium Brands GmbH / KG Trading UG
Beschluss 33 O 525/24 vom 6. Januar 2025

Kürzlich hat das LG Köln in allen drei Verfahren über die beantragten vorsorglichen Verbote entschieden (vgl. Box). Dabei schliesst sich das Gericht – zumindest einstweilen – der jeweiligen Klägerseite an.

Es sieht in der Produktaufmachung und der Werbung einen Verstoss gegen § 127 Abs. 1 dMarkenG. Danach dürfen geographische Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr nicht für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, die nicht tatsächlich vom betreffenden Ort stammen, wenn dadurch eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft entsteht.

Die beanstandeten Produkte rufen gemäss Auffassung des Gerichts in durchschnittlich aufmerksamen und informierten Verbraucherkreisen die Vorstellung hervor, dass sie tatsächlich aus Dubai stammten oder zumindest etwas mit der Region zu tun hätten, was nicht der Fall sei. Zu diesem falschen Bild trügen insbesondere auch englische Bezeichnungen und Produktbeschreibungen in weiteren Fremdsprachen sowie die Werbetexte mit Bezugnahme auf das Emirat bei. Um den Irrtum auszuräumen, genügt es nach Meinung des LG Köln nicht, dass das tatsächliche Herkunftsland hinten auf den Produkten angegeben ist und diese unter eigenen Brands («Alyan», «Miskets», «elit») vertrieben werden, zumal der Durchschnittsverbraucher diese Marken nicht kenne.

Die jeweilige Beklagtenseite hat die Möglichkeit, gegen die im Eilverfahren (d.h. insbesondere ohne umfassendes Beweisverfahren und Verhandlung) ergangenen Beschlüsse Widerspruch einzulegen. Dann wird das Gericht einen ordentlichen Prozess durchführen und prüfen müssen, ob die einstweiligen Verfügungen durch Urteil zu bestätigen oder wieder aufzuheben sind.

Und wie ist es in der Schweiz?

Zwar stehen hierzulande anders als in Deutschland entsprechende Gerichtsverfahren über die Dubai-Schokolade noch aus. Aber auch in der Schweiz ist die Verwendung von Herkunftsangaben gesetzlich geregelt: So enthält der 2. Titel des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG) Bestimmungen zum Schutz von Herkunftsangaben. Sie sollen den Verbraucher vor Täuschungen über die geographische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen schützen.

Geographische Bezeichnungen nach Schweizer Recht

In der Praxis sind primär folgende Arten von geographischen Bezeichnungen relevant:

Herkunftsangaben (Art. 47 ff. MSchG): Direkte oder indirekte Hinweise auf die geographische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen – sie werden grundsätzlich nicht in einem Register eingetragen und dürfen für jedes Produkt verwendet werden, welches die Anforderungen punkto Herkunft erfüllt.

Geschützte Ursprungsbezeichnungen und geographische Angaben (insbesondere Landwirtschaftsgesetz; GUB/GGA-Verordnung; Weinverordnung): Hinweise auf die geographische Herkunft von Erzeugnissen und auf mit dieser Herkunft zusammenhängende Eigenschaften – sie werden von einer repräsentativen Gruppe von Produzenten in spezielle Register eingetragen und dürfen nur für Produkte verwendet werden, welche ein entsprechendes Pflichtenheft erfüllen. Für landwirtschaftliche Produkte sind insbesondere die Begriffe AOP («appellation d’origine protégée»), IGP (indication géographique protégée») und GGA («geschützte geographische Angabe») verbreitet. Um solche Zeichen auch im Ausland schützen und durchsetzen zu können, können sie unter gewissen Voraussetzungen zusätzlich als sog. geographische Marke (Art. 27a ff. MSchG) eingetragen werden.
Beispiele für geschützte Ursprungsbezeichnungen/geographische Angaben: Zuger Kirsch AOP, Le Gruyère AOP, St. Galler Kalbsbratwurst IGP, Bündnerfleisch GGA

Herkunftsangaben im Sinne von Art. 47 Abs. 1 MSchG (vgl. Box) dürfen von jedermann verwendet werden, solange die Verwendung zutreffend ist (vgl. Art. 47 Abs. 3 MSchG). In Art. 48 ff. MSchG wird definiert, wann eine Herkunftsangabe zutreffend ist. Während für Schweizer Herkunftsangaben genau festgelegt wird, welcher Anteil eines Produkts inwiefern vom bezeichneten Ort stammen muss, damit eine Herkunftsangabe zutreffend ist, hält Art. 48 Abs. 5 MSchG für ausländische Herkunftsangaben fest, dass sie als zutreffend gelten, wenn sie die Anforderungen des betreffenden ausländischen Staates erfüllen. Dieselben Anforderungen gelten im Übrigen gemäss Art. 47 Abs. 3bis MSchG auch dann, wenn nicht eine direkte Herkunftsangabe, sondern eine solche mit Zusätzen wie «Art», «Typ», «Stil» oder «Nachahmung» gebraucht wird.

Wenn jedoch ein geographischer Name oder ein geographisches Zeichen von den massgebenden Verkehrskreisen nicht (mehr) als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft der Waren oder Dienstleistungen verstanden wird, handelt es sich nicht um eine Herkunftsangabe (Art. 47 Abs. 2 MSchG). Entsprechend müssen hier auch die Anforderungen nach Art. 48 ff. MSchG nicht erfüllt sein. Beispiele hierfür sind etwa der Hamburger oder das Wienerli.

Neben dem MSchG schützt in der Schweiz ähnlich wie in Deutschland auch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gegen Täuschungen durch falsche oder irreführende Herkunftsangaben. Relevant ist primär Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG, der es Unternehmen verbietet, über ihre Waren unrichtige oder irreführende Angaben zu machen, was unter anderem auch deren Herkunft erfasst. Je nach Konstellation könnten im Einzelfall auch Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG (Nachahmung) und Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG (Vergleich) greifen.

Hinweis auf einen Ursprung oder reine Rezeptur-Angabe?

Angewendet auf den Kontext der Dubai-Schokolade bedeuten die erläuterten Regeln, dass nach Schweizer Recht in einem ersten Schritt zu klären wäre, ob die massgebenden (Schweizer) Verkehrskreise die konkret benutzten Begriffe in der spezifischen Verwendung im Einzelfall als Hinweis auf eine bestimmte Herkunft verstehen oder vielmehr als reine Rezeptur-Angabe. Wenn der durchschnittliche Konsument die Bezugnahme auf Dubai im konkreten Kontext nicht als Herkunftsangabe auffasst, ist die Verwendung grundsätzlich aus kennzeichen- und lauterkeitsrechtlicher Sicht zulässig. Wird sie hingegen als tatsächliche Herkunftsangabe aufgefasst, müsste in einem zweiten Schritt für das betreffende Produkt geprüft werden, ob es die Anforderungen nach dubaiischem Recht erfüllt, um die Herkunftsangabe tragen zu dürfen. Ist dies nicht der Fall, verstösst die Verwendung gegen Art. 47 ff. MSchG bzw. regelmässig auch gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG.  

Das LG Köln ist im ersten Schritt für die zu beurteilenden Produkten zur (vorläufigen) Auffassung gelangt, die (deutschen) Konsumenten verständen die jeweiligen Angaben als Herkunftsangaben. Diese Schlussfolgerung lässt sich jedoch nicht generell verallgemeinern.

Welche Aspekte bei der Beurteilung unter anderem relevant sein können, zeigt sich (sowohl mit Blick auf das deutsche als auch auf das Schweizer Recht) sehr gut aus der Gegenüberstellung der oben abgebildeten Lindt-Produkte: Die ursprüngliche Produktaufmachung verwendete den Begriff «Dubai Chocolade». Zudem wurde auf der Vorderseite vor allem die Exklusivität und Handfertigung der Schokolade betont und es fand sich kein Hinweis auf den tatsächlichen Produktionsort. Nach der Abmahnung wurde der Name zu «Dubai Style Chocolade» relativiert und nun enthält das Produkt auf der Vorderseite relativ prominent den Schriftzug «Made in Germany». Mit diesen Anpassungen sowie der Tatsache, dass es sich bei Lindt – im Vergleich mit den bisher gerichtlich beurteilten Fällen – um eine in den relevanten Verkehrskreisen sehr bekannte Schokoladenmarke handelt, dürfte Lindt das Risiko eines gerichtlichen Unterliegens wie in den oben diskutierten Verfahren für sich deutlich reduziert haben.

Markenschutz für Dubai-Schokolade?

Bis hierher drehten sich die Ausführungen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Dubai-bezogene Herkunftsbezeichnungen auf Schokoladenprodukten angebracht werden dürfen. Ebenfalls aus kennzeichenrechtlicher Sicht, aber nicht unmittelbar mit der vorgängigen Frage zusammenhängend lässt sich weiterführend auch fragen, ob Bezeichnungen wie «Dubai Schokolade» auch als Marke geschützt werden können.

Tatsächlich wurden seit Oktober 2024 zwölf einschlägige Gesuche um Markeneintragung beim Institut für geistiges Eigentum (IGE) eingereicht (vgl. Bild unten). Allesamt beanspruchen primär Waren in der Klasse 30 nach Nizza-Klassifikation, in welche insbesondere Kakao-, Back- und Konditorwaren gehören.

Suchanfrage zu Dubai-Schokolade im Schweizer Markenregister Swissreg (22.01.2025)

Betrachtet man die Liste genauer, fällt auf, dass von den zwölf Gesuchen bislang vier bewilligt wurden – alle von Lindt & Sprüngli –, während die anderen (obwohl grossteils bereits früher eingereicht) noch hängig sind.

Wenn man für die beantragten Marken die Anforderungen des Markenschutzes prüft, überrascht dies wenig.

Als Marke eingetragen werden können Zeichen, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Art. 1 Abs. 1 MSchG), wenn keine absoluten Ausschlussgründe (Zeichen des Gemeinguts, schutzunfähige Waren- und Verpackungsformen, irreführende Zeichen, rechts-, sitten- und ordnungswidrige Zeichen; Art. 2 MSchG) und keine relativen Ausschlussgründe (Verwechslungsgefahr mit identischen/ähnlichen Marken für identische/ähnliche Produkte; Art. 3 MSchG) vorliegen.

Die absoluten Ausschlussgründe werden vom IGE von Amtes wegen bei jeder Markenanmeldung geprüft, während die relativen Ausschlussgründe lediglich geprüft werden, wenn der Inhaber einer älteren Marke rechtzeitig Widerspruch erhebt.

Knackpunkt absolute Ausschlussgründe

Knackpunkt bei den meisten Markenanmeldungen für Dubai-Schokolade-Produkte dürften in einem ersten Schritt die absoluten Ausschlussgründe Gemeingut und irreführende Zeichen sein. Als Gemeingut nicht eintragungsfähig sind unter anderem beschreibende Angaben, die freihaltebedürftig sind. Die reine Kombination von «Schokolade» (oder auch «Chocolate», «Chocolade», «Choco», «Schoggi») und «Dubai» dürfte beschreibend (Schokolade) und irreführend (Herkunft Dubai) sein. Einer der Gesuchsteller behilft sich vor diesem Hintergrund mit den Zusätzen «Style», «Edition» und «Version». Hier bleibt jedoch fraglich, ob damit allein bereits eine genügende Kennzeichnungskraft geschaffen werden kann.

Nach Auffassung des IGE genügend war demgegenüber das zusätzliche Hinzufügen von «Lindt». Dass es Lindt damit gelungen ist, in der Schweiz mehrere Marken anzumelden, stärkt mindestens indirekt die Position in den Streitigkeiten um die Dubai-Schokolade. Jedoch ist dies in zweierlei Hinsicht zu relativieren. Einerseits ist die Schutzwirkung der Schweizer Marke aufgrund des sog. Territorialitätsprinzips auf die Schweiz beschränkt und, soweit ersichtlich, hat Lindt bisher im Ausland nirgends eine entsprechende Markenanmeldung lanciert. Und andererseits garantiert eine erfolgreiche Markenanmeldung nicht zwingend, dass die Verwendung zulässig ist. So könnte ein Zivilgericht beispielsweise in einem späteren Prozess immer noch zum Ergebnis gelangen, die Marke sei nicht eintragungsfähig und/oder die Verwendung der Dubai-bezogenen Begrifflichkeiten widerspreche den Regeln von Art. 47 ff. MSchG.

Entsprechend bleibt es weiterhin spannend, wie sich die Player im Schokoladen-Streit positionieren und verhalten. Neben wegweisenden Gerichts- und Behördenentscheiden in verschiedenen Ländern dürfte für den Fortgang aber vor allem entscheidend sein, wie lange der süsse Hype um die Dubai-Schokolade noch anhält.

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