Gut verpackt: DOs und DON’Ts einer Opernproduktion aus Sicht zweier Musik-Studentinnen.

Tereza Kotlanova (rechts) und Chelsea Zurflüh als Agathe und Ännchen in Carl Maria Webers Oper «Der Freischütz» (Foto: Ingo Höhn)

Tereza Kotlanova und Chelsea Zurflüh traten für ihr Bachelorprojekt im Mai 2019 als Agathe und Ännchen in Carl Maria Webers «Der Freischütz» auf. Dabei spielten die Sopranistinnen das Stück nicht nur, sondern übernahmen auch gleich die Produktionsleitung der Oper. Kotlanova erörtert im Gespräch die drei grössten Herausforderungen und erklärt, wie sie diese mit ihrer Kollegin angegangen ist.

Im «Freischütz» gibt es zwei Sopran-Gesangsparts in gleich grossen Hauptrollen – ein seltener Umstand, den die klassischen Gesangsstudentinnen Tereza Kotlanova und Chelsea Zurflüh für ihr Bachelorprojekt ausnutzen wollten. Die Sängerinnen arbeiteten aber nicht «nur» an ihrer Performance – auch hinter den Kulissen kam ordentlich viel Arbeit zusammen. Kotlanova verrät die drei grössten Herausforderungen und Strategien, um damit umzugehen.

Erstens: Unvorhergesehenes einberechnen und alles schriftlich festhalten

Immer wieder betont Kotlanova im Gespräch: «Planung und Organisation sind das A und O». Als ersten Schritt schrieben die beiden Studentinnen einen Zeitplan und erstellten ein Budget für den besten und für den schlimmsten Fall. «Wir haben auch einen Betrag für Unvorhergesehenes eingerechnet. Und immer alles aufschreiben – meistens kommen abends im Bett noch Ideen. Ich habe mir zudem immer To-Do-Listen geschrieben, um die Übersicht zu behalten.» Weiter galt es, sich in die Beteiligten hineinzuversetzen: «Was brauche ich als Geiger/in? Was erwarte ich? Da gehen die Zahlen schnell hoch, vor allem für Spesen.» Die grösste Sorge bereitete aber die gelegentliche Unzuverlässigkeit der Musiker/innen. So sprangen ein paar Monate vor der Premiere sogar noch Beteiligte ab: «Man rechnet nicht damit, dass sich jemand derart unprofessionell verhält. Trotzdem passiert es – mit Verträgen wären solche Fälle vermeidbar gewesen», resümiert Kotlanova.

Zweitens: Stiftungen um Unterstützung bitten

Über Bachelorprojekten hängt seit jeher das Damoklesschwert, dass diese von Stiftungen in der Regel nicht unterstützt werden. «Das stimmt so nicht ganz», entgegnet Kotlanova. Es komme darauf an, wie man ein Projekt verpacke: «Das professionelle Auftreten ist wichtig. Es ist wie beim Bewerben: Individualität sticht heraus. Ein Dossier soll übersichtlich und informativ sein. Und bloss keine Unwahrheiten erzählen!» Dabei soll auch der eigene Antrieb betont werden: «Die Stiftungen sollen merken, dass das Projekt mit oder ohne sie stattfindet.» Nicht zuletzt gehört zudem ein bisschen Glück dazu – zahlreiche Stiftungen anfragen erhöht die Chancen. Im Juli 2018 wurden die Dossiers verschickt. «Man kann nie zu früh sein: viele Stiftungen wählen nur zweimal jährlich Projekte aus», so Kotlanova.

Drittens: Die Hauptrolle vor und hinter dem Vorhang spielen ist (zu) anspruchsvoll

Dass Produktionsleiterinnen gleichzeitig die Hauptrollen verkörpern, ist eine Seltenheit. Und dies nicht ohne Grund – auch Zurflüh und Kotlanova sind der Meinung, dass man in der Doppelrolle nicht beiden Aufgaben vollkommen gerecht werden kann. An Aufführungstagen stellten die Studentinnen schon frühmorgens Stühle auf oder mussten sich kurz vor ihrem Auftritt noch um Probleme mit Tickets kümmern. In der Maske waren sie erst, als schon die Ouvertüre spielte. «Eine Herausforderung, die nur mit einem guten Team gemeistert werden konnte», meint Kotlanova. «Unsere Regieassistenz war eine grosse Erleichterung. Sie hat sich um alles gekümmert am Aufführungstag. Idealerweise besetzt jemand diese Position, der oder die schon während der Probearbeit anwesend sein kann.» Die Vorstellungen waren schliesslich besser besucht als erwartet. Nach der Dernière hiess es aber dranbleiben: «Wir konnten uns kurz auf die Schulter klopfen, mussten dann aber gleich weiterziehen. Jetzt geht es darum, die noch verbleibenden Aufgaben zu erfüllen. Viele Stiftungen erwarten einen Abschlussbericht und einen Finanzierungsplan – wir haben zusätzlich eine Foto-Collage mit Eindrücken des Projekts mitgeschickt», umschreibt die Sängerin diesen Punkt.

Das Resümee

Die beiden sind zufrieden, wie das Projekt schlussendlich verlaufen ist. Ein Fortführungsprojekt ist trotzdem nicht geplant. Obschon die beiden Musikerinnen mit einer erfolgreichen Produktion abschliessen konnten, würden sie zukünftig das Sängerinnen-Dasein vom Management trennen. Alternativ könnte man auch in einer kleineren Nebenrolle mitsingen, schlägt Kotlanova vor. «Das scheint mir ein guter Ausgleich zu sein.»

Die Mitwirkenden der Opernproduktion «Freischütz» (Foto: Ingo Höhn)
Tereza Kotlanova (rechts) und Chelsea Zurflüh als Agathe und Ännchen in Carl Maria Webers Oper «Der Freischütz» (Foto: Ingo Höhn)

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Lara Liechti

Lara Liechti studiert an der Hochschule Luzern – Musik klassischen Gesang. Die Mezzosopranistin ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des 2018 gegründeten Vereins «Schmelzpunkt». Der Verein hat zum Ziel, Schweizer Kulturschaffende zu vernetzen und die Produktion von jungen Kulturprojekten zu fördern. Neben dem Masterstudium in Pädagogik tritt Lara als Solistin auf, organisiert spartenübergreifende Projekte und ist Musikjournalistin.

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