Klassische Musik: Auf Spurensuche nach dem perfekten Klang im richtigen Moment
Das Orchester hält inne, der letzte Ton klingt aus. Das Publikum hält die Luft an, der Zauber wirkt minutenlang nach. Und dann: Tosender Applaus. «Ein perfektes Konzert! Vollkommene Musik!», tönt es seitens Zuhörerinnen und Zuhörern. Damit Musik uns berührt, braucht es technische Perfektion von jedem Orchestermitglied. Aber das allein reicht nicht, um Musik vollkommen zu machen.
Die Anforderungen an Streicherinnen und Bläser, an Posaunistinnen und Cellisten sind enorm hoch: Musikerinnen und Musiker eines Orchesters oder Ensembles müssen ihr Handwerk beherrschen, alles muss stimmen – vom Klang, über die Intonation und Interpunktion, über das Tempo und das Zusammenspiel, bis hin zur Lautstärke und den sekundengenauen Einsatz. «Während eines Konzertes muss jede und jeder eine perfekte Performance hinlegen. Es gibt keine Delete-Taste und keine Möglichkeit zur Korrektur im Moment», bringt es der Oboist Martin Frutiger auf den Punkt. Auf dem Weg zur Perfektion warten auch noch andere Hürden: So sind beispielsweise Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit oder die Höhenlage des Konzertortes wichtige Faktoren, die einbezogen werden müssen. «Je nach Instrument kommen spezifische Herausforderungen dazu. Bei uns Oboe-Spielenden ist es das Mundstück, das selbst angefertigt wird und perfekt passen muss», sagt Frutiger, der als Dozent an der Hochschule Luzern – Musik die künftigen Musikerinnen und Musiker mit verschiedenen Methoden auf dieses Zusammenspiel von vielen Fertigkeiten und Erfahrungen vorbereitet.
Während eines Konzertes muss jede und jeder eine perfekte Performance hinlegen. Es gibt keine Delete-Taste und keine Möglichkeit zur Korrektur im Moment.
Martin Frutiger, Dozent
Top-Vorbereitung als beste Voraussetzung
«Nebst dem handwerklichen Rüstzeug, ist Vorspielen in unterschiedlichstem Rahmen enorm wichtig: In grossen Zimmern oder kleinen, in einem Altersheim oder vor der Klasse, im Winter oder im Sommer – dadurch lernen Studierende verschiedene Situationen kennen. Zudem können sie trainieren, mit Druck umzugehen und Sicherheit zu erlangen», sagt der erprobte Musiker, der über viel eigene Erfahrung als Orchester-/Kammermusiker und Solist verfügt: «Lampenfieber und Nervosität gehören in der Regel für alle zur Konzertsituation, nicht nur für die Solisten. Man kann aber lernen, damit umzugehen und den erhöhten Adrenalinpegel im richtigen Moment positiv einsetzen.» Eine Top-Vorbereitung der einzelnen Musikerinnen und Musiker sei für ein perfektes Konzert inklusive Gänsehaut noch kein Garant. «Aber die beste Voraussetzung dazu.»
Jede Geste in jeder Note zählt
Auch die Bratschistin und Kammermusikerin Isabel Charisius betont, dass bei einem bereits exzellenten Ensemble viel mehr als Technik dazugehört, um das Publikum in verschiedenen Sälen zu Sternstunden zu führen. «In einem Streichquartett zum Beispiel, zählt jede Geste in jeder Note eines jeden Spielers. Alle Aussagen sind von Bedeutung und werden liebevoll und respektvoll aufeinander abgestimmt», sagt die Musikerin, die auch als Dozentin am Institut für Klassik und Kirchenmusik der Hochschule Luzern tätig ist. Entscheidend während des Konzerts sei nebst der perfekten Technik auch das spontane und aufeinander abgestimmte Reagieren. Damit das gelingt, gehöre unter anderem Balance in der Gruppe, Gestik, Flow, Farbenvielfalt, rhythmische Genauigkeit und Zielorientierung dazu. «Aber ohne Spontanität und Risiko entstehen schlicht keine Sternstunden», sagt Charisius und bringt damit zum Ausdruck, wie schwer definierbar das Wort Perfektion und seine Bedeutung für vollkommene Musik überhaupt ist: «Ein wichtiges und dennoch Haare spaltendes Wort!».
Von Christine Weber / Wort & Ohr
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