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Neue Studie zeigt: In sozialen Berufen mangelt es an Fachkräften

Neue Studie zeigt: In sozialen Berufen mangelt es an Fachkräften

Eine neue Studie verdeutlicht die angespannte Fachkräftesituation im Sozialbereich. Überraschend für Dorothee Guggisberg, Direktorin der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit: Die Studie spricht nicht explizit von einem Fachkräftemangel. Im Interview erklärt sie, wie sie die Ergebnisse einordnet und welche Massnahmen notwendig sind, um der Situation entgegenzuwirken.

Sind genügend Fachkräfte verfügbar? Welche Herausforderung gibt es bei der Personalrekrutierung? Wie entwickelt sich der Sozialbereich in Zukunft? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben SAVOIRSOCIAL und SASSA eine schweizweite Umfrage im Sozialbereich in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse bestätigen die Befürchtungen: Der Fachkräftesituation ist angespannt – und wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist darum ein Handeln der verschiedenen Akteur:innen gefragt.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie zusammengefasst

Was zeichnet den Sozialbereich aus?

  • Der Sozialbereich wächst: Sowohl die Zahl der Betriebe als auch die Beschäftigtenzahl steigen – sogar stärker als in vielen anderen Branchen.
  • Junge Belegschaft: Die Hälfte der Arbeitnehmenden ist unter 37 Jahre alt, nur 14 % sind über 55. Besonders junge Teams gibt es in den Bereichen Kinder, Jugend, Migration und Asyl.
  • Mehr qualifizierte Fachkräfte: 70 % der Arbeitnehmenden haben einen formalen Abschluss in einem sozialen oder ähnlichen Beruf. Der Anteil ohne Abschluss ist seit 2016 um 10 Prozentpunkte gesunken.

Rekrutierung, Fluktuation und Verbleib

  • Herausfordernde Rekrutierung: Betriebe empfinden die Personalsuche als anspruchsvoller und zeitaufwendiger als früher.
  • Lückenhafte Stellenbesetzung: 90 % der offenen Stellen werden zwar besetzt, jedoch nur 60 % fristgerecht und mit der gewünschten Qualifikation. In vielen Fällen wird der Kompromiss eingegangen, Fachkräfte erst später einzustellen.
  • Hohe Fluktuation: Die Fluktuationsrate liegt bei 22 % und damit über dem Schweizer Durchschnitt von 16 %.
  • Kurze Betriebszugehörigkeit: 40 % der Mitarbeitenden bleiben weniger als drei Jahre, nur 38 % länger als fünf Jahre – deutlich weniger als in anderen Branchen.
  • Arbeitsbelastung als Hauptgrund für Kündigungen: Mitarbeitende nennen meist Arbeitsbelastung, den Lohn oder Neuorientierung als Kündigungsgrund.

Künftige Entwicklung des Fachkräftebedarfs im Sozialbereich

  • Wachstum erwartet: Die Mehrheit der Betriebe rechnet in den nächsten fünf Jahren mit einer steigenden Nachfrage nach Fachkräften.
  • Branchenabhängige Unterschiede: Besonders im Bereich familien- und schulergänzende Betreuung wird ein steigender Bedarf prognostiziert.
  • Gründe für den Anstieg an Fachkräften: Wachsende Nachfrage nach Dienstleistungen, zunehmende Komplexität der Aufgaben und eine stärkere Professionalisierung erfordern mehr gut ausgebildete Fachkräfte.

Die gesamte «Fachkräftestudie im Sozialbereich» ist online einsehbar.

Interview mit Dorothee Guggisberg zum Fachkräftemangel

Die neue Studie von SAVOIRSOCIAL und SASSA zeigt eine angespannte Fachkräftesituation im Sozialbereich. Hat Sie das überrascht?

Nein, die angespannte Lage überrascht mich nicht. Mich überrascht eher, dass die Studie noch nicht von einem expliziten Mangel an Fachkräften im Sozialbereich spricht. Die Situation im Sozialbereich ist allerdings sehr heterogen, das heisst die Arbeitsfelder unterscheiden sich und es gibt regionale Unterschiede. Sie muss daher differenziert betrachtet werden. Dazu bietet die Studie Aufschluss.

Eine der genannten Herausforderungen sind die hohe Fluktuation und kurze Verweildauer im Sozialbereich. Wie erklären Sie diese Entwicklung, und welche Massnahmen wären nötig, um sie zu verringern?

Dass Menschen 20 oder 30 Jahre in derselben Stelle bleiben, ist generell vorbei und betrifft nicht nur den Sozialbereich. Trotzdem: Eine starke Wechselfrequenz kann Teams und Dienstleistungen stark belasten.

Für eine langfristige Bindung spielen die Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Sozialarbeitende wollen gute Dienstleistungen erbringen und mitgestalten. Eine gute Vorbereitung auf die Arbeitsrealität, die fachliche Begleitung im Übergang und attraktive Laufbahn- und Arbeitsbedingungen stehen dabei im Fokus.

Verweildauer der Mitarbeitenden nach Arbeitsfelder im Sozialbereich
Verweildauer der Mitarbeitenden nach Arbeitsfelder (Quelle SAVOIRSOCIAL)

Welchen Beitrag kann die Hochschule hier leisten?

Indem wir unseren Studierenden ein realistisches Bild des Berufs vermitteln. Das erreichen wir, indem wir in unserer Ausbildung auf einen grossen Praxisanteil setzen, namentlich die Praxisausbildung und den anwendungsorientierten Unterricht. So ermöglichen wir auch einen schnellen und guten Berufseinstieg. Die Studierenden sind zudem gut ausgerüstet mit methodischem Instrumentarium und fachlichen Grundlagen. Viele unserer Studierenden arbeiten sogar schon während dem Studium im Sozialbereich. Damit ist ein schrittweises Hineinwachsen in den Beruf verbunden. Zusätzlich bieten wir Mentoratsprogramme zur Begleitung des Übergangs in die Berufstätigkeit.

Zudem sind für langfristige Berufsperspektiven vielfältige Laufbahnmöglichkeiten essentiell. Nach dem Bachelor qualifiziert der Master fachlich weiter und in der Weiterbildung kann spezifisches Wissen erworben und vertieft werden. Auch hier leisten wir als Hochschule mit unserem Angebot einen wichtigen Beitrag.

Die Bildungsinstitutionen können also zur Entlastung beitragen. Welche Herausforderungen entstehen für die Hochschulen dabei?

Wir haben in den letzten Jahren mehr Ausbildungsplätze geschaffen, um der angespannten Fachkräftesituation zu begegnen. Eine Herausforderung liegt darin, diese Plätze auch zu besetzen. Damit die Soziale Arbeit und der Sozialbereich attraktiv bleiben, braucht es sowohl für potenzielle Studierende als auch für Fachkräfte in der Praxis überzeugende Perspektiven. Deshalb investieren wir als Hochschule in flexible Studienmodelle, innovative Ausbildungsformate und gezielte Weiterbildungsangebote, um den Berufseinstieg und die langfristige Fachkräftebindung zu fördern.

Welche Rolle spielt die Arbeitsbelastung der Fachkräfte?

Die Arbeitsbelastung ist ein zentrales Thema und kann je nach Arbeitsfeld variieren. In der Sozialhilfe sind die Fallzahlen oft hoch, die Arbeitszeiten sind aber regelmässig. Im sozialpädagogischen Bereich hingegen gibt es naturgemäss oft Schichtdienste, dafür aber festgelegte Betreuungskapazitäten. Fehlt Personal, so wächst aber der Druck auf die bestehenden Teams und Mitarbeitenden.

Belastend wirken auch die zunehmenden Multiproblematiken und komplexen Fallsituationen. Klient:innen haben zum Beispiel nicht nur finanzielle Schwierigkeiten, sondern oft auch gesundheitliche oder familiäre Probleme. Das wirkt sich auf die Intensität und Komplexität in der Bearbeitung aus.

«Die Anforderungen an Sozialarbeitende steigen kontinuierlich.»

Die Anforderungen an Sozialarbeitende steigen kontinuierlich. Sie müssen nicht nur komplexe soziale Dynamiken verstehen und darin Lösungen entwickeln, sondern auch rechtlich sattelfest sein, umfassend dokumentieren und oft auch mit medialer Aufmerksamkeit umgehen können. Es ist auch die Aufgabe der Hochschulen, Studierende auf diese Herausforderungen vorzubereiten – auch in Bezug auf Resilienz und Selbstfürsorge.

Wie können wir in der Ausbildung dieser zunehmenden Komplexität des Berufs gerecht werden?

Indem wir nie stillstehen. Wir reformieren aktuell unseren Bachelor in Sozialer Arbeit und richten das Curriculum auf diese Entwicklungen aus. Die Studierenden lernen schon heute mit komplexen Herausforderungen umzugehen: Sie lernen vertieft zu analysieren, erwerben ein umfassendes Methodenrepertoire, sind in der Lage Lösungen zu entwickeln und interdisziplinär zu arbeiten. Soziale Arbeit funktioniert nie isoliert – sie lebt vom Zusammenspiel mit anderen Fachbereichen. Deshalb müssen unsere Absolvent:innen nicht nur disziplinäres Fachwissen mitbringen, sondern auch die Sprache und Perspektiven anderer Disziplinen verstehen.

«Investitionen in den Sozialbereich sind Investitionen in die gesamte Gesellschaft. Ein funktionierendes soziales Netz sichert nicht nur die Lebensqualität, sondern auch wirtschaftliche und politische Stabilität.»

Welche Folgen hätte es für den Sozialbereich, wenn wir den Fachkräftemangel nicht erfolgreich bewältigen?

Ich würde nicht nur nach den Folgen für den Sozialbereich fragen, sondern für unsere gesamte Gesellschaft. Durch den demografischen Wandel steigt der Bedarf an sozialen Dienstleistungen. Gibt es nicht genug Fachkräfte, müssen Angebote eingeschränkt oder abgebaut werden, und der Druck auf das bestehende Personal wächst weiter. Erste Anzeichen dieser Entwicklung sehen wir bereits. Wenn wir das Problem nicht lösen, fehlen Betreuungsplätze für ältere Menschen, psychiatrische Einrichtungen werden überlastet und soziale Unterstützungssysteme geraten unter Druck.

Investitionen in den Sozialbereich sind Investitionen in die gesamte Gesellschaft. Ein funktionierendes soziales Netz sichert nicht nur die Lebensqualität, sondern auch wirtschaftliche und politische Stabilität. Mangel führt nicht zu Fortschritt, sondern zu Einschränkungen – das sollte uns bewusst sein.

Von: Roger Ettlin
Bild: Mischa Christen
Veröffentlicht: 4. März 2025

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