Vor einem Jahr trat ich die zweijährige Projektleitung der Mobilen Quartierarbeit Klybeck (MQK) im Auftrag des Trägervereins des Stadtteilsekretariats Kleinbasel an. Für Basel ist die mobile Quartierarbeit neu. Durch diesen Ansatz wird versucht, proaktiv auf die Quartierbewohnenden zuzugehen. In einem ersten Schritt sollen die Bedürfnisse und Anliegen der Menschen in Erfahrung gebracht werden, um anschliessend gemeinsame Aktivitäten (Strassenfeste, u.ä.) zu planen und umzusetzen. Durch diese Partizipation sollen vorhandene Ressourcen erschlossen und der Zusammenhalt gefördert werden. Der aufsuchende Ansatz übte auf mich schon immer eine starke Faszination aus. So konnte ich in der aufsuchenden Sucht- und Jugendarbeit mehrere Jahre Erfahrungen «auf der Gasse» sammeln. Das pionierhafte Projekt im Klybeck reizte mich deshalb als berufliche Herausforderung enorm. Wo andere Bereiche eine «Pufferzone» in Form eines Treffpunktes, einer Beratungsstelle oder eines Büros haben, begibt sich die aufsuchende Sozialarbeit direkt in die Lebenswelten der Zielgruppen. Dieser Ansatz findet zunehmend Beachtung in Quartieren mit Potential zum sozialen und/oder interkulturellen Brennpunkt.
Klybeck/Kleinhüningen ist das nördlichste Quartier im multikulturellen Kleinbasel und grenzt an Deutschland und Frankreich. Das baulich hochverdichtete Quartier zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Migrationsbevölkerung, Sozialhilfeempfangenden und erwerbslosen Personen aus. Was zu Konflikten im Zusammenleben führen kann.
Die Mobile Quartierarbeit Klybeck (MQK) legt den Schwerpunkt ihrer Arbeit deswegen auf die Überbauung Klybeck Mitte, eine Blockrand-Bebauung in der rund 900 Personen aus ca. 60 Nationen leben. Durch ein Vorläuferprojekt der MQK, wurde im Innenhof der Überbauung, mit Unterstützung der öffentlichen Hand, vor drei Jahren ein Spielplatz, mit partizipativem Einbezug der Bewohnenden, errichtet. Es wurden gemeinsame Nutzungsregeln erstellt und zu Beginn hat sich eine Gruppe Bewohnende um den Platz und die Einhaltung der Regeln gekümmert. Mittlerweile hat der Innenhof mit Spielplatz, einen durchaus erwünschten, öffentlichen Charakter erhalten. An schönen Nachmittagen tummeln sich Familien aus dem gesamten Quartier darin und bis zu 60 Kinder sind am Spielen. Durch die ständige Lärmbelästigung fühlt sich jedoch die ältere Bevölkerung der Überbauung zunehmend gestört.
Hier komme ich ins Spiel. Durch pädagogische Aktionstage versuche ich das gegenseitige Gespräch und Verständnis unter den Erwachsenen zu fördern und gleichzeitig den Kindern, durch eingeladene Fachkräfte, Freizeitmöglichkeiten aus dem musischen, kulturellen & sportlichen Bereich zu eröffnen. Bei diesen Aktionstagen lade ich Fachkräfte von ansässigen sowie regionalen, Kinder- und Jugendinstitutionen ein. Ziel wäre es, die Kinder zu beschäftigen, damit das Gespräch mit den Erwachsenen stattfinden kann. In der Realität sind die Kinder jedoch häufig alleine unterwegs und sich selbst überlassen. Eine nächste Aktion wird deshalb aus dem Innenhof der Überbauung verlegt, um die Partizipation der Eltern konkret einzufordern. Eingeladen werden die Familien in die benachbarte Aktienmühle , wo ein Aussenplatz für Grillabende genutzt werden kann.
Zu meinen Aufgaben als aufsuchende Sozialarbeiterin gehört auch, dass ich die Bedürfnisse und Anliegen der Bevölkerung in unterschiedlichen politischen Gremien vertrete. Als aufsuchende Fachkraft ist ein hohes Mass an Selbstorganisation, Selbstdisziplin und eine gefestigte (eher extrovertierte) Persönlichkeit gefordert. Die aufsuchende Arbeit bewegt sich immer direkt am Puls des Quartiers und nimmt Phänomene und Tendenzen i.d.R. als erste professionelle soziale Instanz wahr. Der Alltag ist nicht vorhersehbar, wird dadurch allerdings auch nie langweilig – «real life at its best».
von: Ulla Stöffler
Kommentare
4 Kommentare
Anita Glatt
Im Zusammenhang der Diskussionsfrage von Rolf und Ulla möchte ich auf die Blumenkonfiguration und die Matrix zu Fokussierungsgebieten und Arbeitsweisen/Strategien der soziokulturellen Arbeit von Marcel Spierts (1998, S.71-76) verweisen. Soziokulturelle Animation bezieht sich nach seinem Verständnis in ihrer Arbeit auf die Bereiche Freizeit/Erholung, Erziehung/Bildung, Kunst/Kultur und Gemeinwesenaufbau bzw. verbindet diese. Das Beispiel der Aktionstage in der Siedlung Klybeck zeigt in meinen Augen schön, wie bildende Aktivitäten (z.B. Ernährung, Entwicklung von geteilten Normen) mit Freizeit (Kontakt und Begegnung) und Gemeinwesenaufbau (Übernahme von Verantwortung für die direkte soziale Umgebung bzw. den gemeinsam hergestellten Sozialraum) verbunden werden können. Marcel Spierts (1998). Balancieren und Stimulieren. Methodisches Handeln in der soziokulturellen Arbeit. Verlag für Soziales und Kulturelles: Luzern.
Rolf
Liebe Ulla, Danke für deine Antwort. Wünsche alles Gute! Rolf
Rolf Vollenweider
Liebe Ulla, Danke für deinen Beitrag, den ich sehr interessiert gelesen habe. Die vermittelnde Rolle zwischen verschiedenen Interessen ist sehr wichtig. Warum du es aber "pädagogische" Aktionstage nennst, also einen "erziehenden" Charakter ihnen gibst, ist mir nicht klar. Wen willst du erziehen? Ich macht auch gute Erfahrung mit der Vermittlung. Oft lassen sich für alle gute Lösungen finden. Ich vertrete aber auch Standpunkt, dass das freie Kinderspiel sehr hoch zu gewichten ist und dass da das Ruhebedürfnis manchmal zurückstehen muss. Die Kinder haben heute so wenige kinderfreundliche Räume, bzw. sie werden immer mehr in Nischen gelenkt. Dabei sollte das Quartier mit seiner ganzen Vielseitigkeit ein Spielplatz sein. Die aufsuchende soziale Arbeit kann da entscheidende Impulse geben. Herzlich grüsst, Rolf
Ulla
Hallo Rolf Pädagogisch wurden die Aktionstage, da es sich sonst immer etwas nach "Migros-Aktion" anhörte. Für die Bewohnenden wird allerdings immer ein Slogan/Titel kreiert, wie bspw. "knackig und frisch in den Sommer". An besagtem Aktionstag waren u.a. Mediatiorinnen von Vitalina dabei, welche mit gesunden und kostengünstigen z'Nüni- und z'Vieri-Snacks sowie erfrischenden zuckerlosen Getränken, den Eltern Alternativen zu Ice Tea, Chips und Co. näher gebracht haben. Es ist keine Seltenheit, dass bereits zweijährige Kinder mit bspw. Energy Drinks und einer Tüte Chips zum z'Vieri bedient werden und häufig ist es den Eltern nicht bewusst, dass sie ihren Kindern damit keinen grossen Gefallen tun...Bezüglich ausleben des Spieltriebs stimme ich ihnen im grossen und ganzen zu, allerdings wird es mit mehr Bevölkerung auch immer enger werden für die nachkommenden Generationen, umso wichtiger ist es, dass gemeinsame Regeln und ein respektvoller Umgang von allen Seiten gepflegt wird oder? Selbst versuche ich in allen Konflikten eine neutrale Position zu beziehen, denn ich bin nicht nur für Kinder als Ansprechperson angestellt, sondern für alle Bevölkerungsschichten. Damit bin ich bis jetzt immer gut gefahren. Denn schlussendlich kann ich lediglich Impulse aufzeigen, denn bei Unstimmigkeiten sollten die Menschen respektvoll aufeinander zu gehen. Soviel Eigenverantwortung für ein gemeisames, friedliches Miteinander muss jede/r selbst in Kauf nehmen...
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.