Soziokultur

Auf den Spuren der Chicago School?

Auf den Spuren der Chicago School?

Vom Besuch der Participate! Conference vom 24. bis 26. September 2018 an der University of Illinois and Chicago (UIC), Il, USA.

Chicago! Für jemanden, der Soziologie mit dem Schwerpunkt Stadtsoziologie studiert hat, ging von Chicago und der von ihr hervorgebrachten Chicago School of Sociology schon immer ein ganz besonderer Reiz aus. Ende September sollte es also an die University of Illinois at Chicago (UIC) zum Kongress gehen. Mit dabei waren acht weitere Kolleginnen und Kollegen der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Technik & Architektur und Wirtschaft.

So trafen wir – die Delegation aus der Schweiz – schliesslich am Morgen im Foyer des UIC Student Center zu Coffee & Pastry ein. Neben den vielen Kolleginnen und Kollegen des Gastlandes USA waren auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Äthiopien, Brasilien, Grossbritannien, Italien, Kanada und Serbien zum Kongress angereist. Es sollten drei spannende und abwechslungsreiche Tage in Chicago werden.

Anschliessend ging es bereits in die einzelnen Paper Sessions, in welchen jeweils drei Beiträge zu den Themen «Fighting against Inequality», «Making room für people» sowie «Questions of governance» präsentiert und diskutiert wurden. Ich selbst entschied mich schliesslich für das Thema «Making room für people». Während eineinhalb Stunden diskutierten Kolleginnen und Kollegen die jeweiligen Voraussetzungen und Herausforderungen von partizipativer (Raum-)Planung anhand ihrer Projekte aus Serbien, der Schweiz und den USA. Recht schnell stellte sich die Frage nach der Vergleichbarkeit dieser doch recht unterschiedlichen Herausforderungen der vorgestellten Case City Studies. So gab es logischerweise in New York oder Los Angeles doch eine ganz andere Ausgangslage für Partizipation als in den europäischen Beispielen aus Belgrad oder Emmen bei Luzern. In der Diskussion fanden sich schliesslich doch sehr viele gemeinsame Anknüpfungspunkte, vor allem als es um die Ansprache von Stakeholdern oder um den Umgang mit Konflikten ging.

Am Nachmittag des ersten Kongresstages stand dann ein Field Trip nach Pilsen auf dem Programm. Wir gingen also raus aus den Hörsälen und – ganz im Sinne der Chicago School – hinein ins Feld. Unsere lokale Gastgeberin und Professorin an der UIC, Janet Smith, gab uns während der Busfahrt eine Einführung. Das Quartier Pilsen in der Lower East Side von Chicago bildete seit 150 Jahren die Eingangspforte für neue Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Chicago. Waren es anfangs vor allem europäische Einwanderer und Einwanderinnen, die sich dort niederliessen, waren es seit den 1960er Jahren hauptsächlich Einwanderer und Einwanderinnen aus Lateinamerika, die das Quartier stark geprägt haben. Mittlerweile hat sich Pilsen zu einem mehr und mehr hippen Trendquartier mit den entsprechenden Herausforderungen für die lokale Bewohnerschaft entwickelt, um mit steigenden Mietpreisen, Verdrängung der ansässigen Bewohnerschaft sowie der wachsenden Präsenz finanzkräftiger Investoren nur einige zu nennen. Weiter könne man diese Entwicklung auch an subtileren Veränderungen feststellen, wie uns unsere lokale Gastgeberin Janet Smith im Bus bei der Anfahrt ins Quartier berichtete. So könne man bspw. bei Konzerten und anderen Kulturveranstaltungen in der angesagten Thalia Hall einen zunehmenden Andrang von Besucherinnen und Besuchern aus ganz Chicago beobachten, was sich u. a. am wachsenden Aufkommen von Uber- und Lyftfahrer/-innen zeigt, die ihre Kundschaft aus ganz Chicago abends nach Pilsen und wieder zurück chauffieren.

In Pilsen stiegen zwei Mitglieder der Pilsen Alliance in unseren Bus zu. Anhand zahlreicher Beispiele berichteten uns die beiden Herren von ihrer Arbeit im Quartier, bei der es hauptsächlich darum ging, sich für die Belange der lokalen Bevölkerung in Pilsen einzusetzen. Besonders eindrücklich schilderten sie uns eine Episode, in der die Pilsen Alliance erfolgreich gegen die Interessen auswärtiger Investoren intervenierte, als es um die Umnutzung und Bebauung einer Brache im Quartier ging.

Der Field Trip endete in der Rudy Lozano Library, einem Ort, der viel mehr als «nur» eine Bibliothek im Zentrum des Quartiers darstellt. Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Engagierte der Bibliothek berichteten uns in grosser Runde von ihren Aktivitäten für die lokale Bevölkerung. «Homework help»«Computer help»«citizenship corner» und die «spanish-language materials» sind nur einige der dort angebotenen «Features».

Nach einem Tag voller spannender Einblicke und Eindrücke verliess ich die letzte Station unseres Field Trips und schlenderte allein die West 18th Street hinunter zur Metro. Ich kam an Wettbüros, Nagelstudios, Burrito-Restaurants, Waschsalons und Geldtransfer-Läden vorbei zwischen denen sich zunehmend Espresso-Bars, Vinylstores, Fahrradläden, kleine Galerien und Läden mit Secondhand-Klamotten hervortun. Pilsen verändert sich…

In Zusammenarbeit mit unserer Partneruniversität University of Illinois at Chicago (UIC) wurde die die International Summer School: Interdisciplinary Urban and Community Planning entwickelt, die diese Woche in Luzern stattfindet.


von: Mario Störkle

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.