Soziokultur

Soziokulturelle Animation – Ein Blick in die Zukunft

Soziokulturelle Animation – Ein Blick in die Zukunft

Die Kolleg*innen der FASe aus Genf, haben sich vor ein paar Monaten bei uns in Luzern erkundigt, wie wir die zukünftige Arbeit der Soziokultur skizzieren würden. Die Fondation genevoise pour l’animation socioculturelle FASe ist die Genfer Stiftung der Soziokulturelle Arbeit, mit rund 1’000 Mitarbeiter*innen. Sie wollten uns zu einer Veranstaltung nach Genf einladen. Die Einladung wurde angenommen. An der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit haben wir den Anspruch, dass die Studierenden die wir in Soziokultureller Animation auszubilden den zukünftigen Herausforderungen gewachsen sind. Aus diesem Grund stellen wir uns immer wieder die Fragen: Sind wir mit unseren Inhalten «up to date»? Halten wir in Anbetracht von gesellschaftlichen Veränderungen die Nase im Wind? Sind wir agil genug, um schnell unsere Lehrveranstaltungen anzupassen? Um es vorweg zu nehmen, da könnten wir schneller sein. Meiner Ansicht nach müssten wir auch an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit flexibler und unbürokratischer unsere Lerninhalte verändern können. Unsere Nase halten wir trotzdem in den Wind.

Beim gemeinsamen Diskurs unter den Dozierenden in Luzern haben wir fünf Hauptthemen eingegrenzt, mit welchen sich die Soziokulturelle Animation (SKA) in naher Zukunft auseinandersetzen muss:

Der demographischen Wandel: Was machen wir mit dieser grossen Anzahl von «fitten» Senior*innen? Das ist doch für die Soziokultur eine riesige Ressource. Da stellt sich die Frage, wie können wir diese Gruppe von Bürger*innen für die Freiwilligenarbeit gewinnen? Antizipieren wir, machen wir den Generationenvertrag zum Thema, bevor es zu grösseren Konflikten kommt. Die SKA ist prädestiniert um Begegnung zwischen den Generationen zu pflegen und in den Quartieren den Dialog zu initiieren.

Die Zunahme der gesellschaftlichen Diversität: Die Vielfalt der Lebensentwürfe wird weiterhin zunehmen. Wenn die Anonymität, Segregation und Isolation weiter zunehmen, wird der Umgang mit Andersartigkeit nicht einfacher. Da muss die SKA sich weitere Methoden ausdenken. Diese Vielfalt ist nur dann eine grosse Ressource, wenn wir etwas dafür tun. Diskriminierung aller Couleur müssen aufhören, da braucht es Engagement von vielen Akteur*innen der Zivilgesellschaft.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt: Die Arbeitswelt verändert sich heutzutage sehr schnell. Durch die Digitalisierung verschwinden Jobs und neue Berufe entstehen. Diese Entwicklung wird in Zukunft weiter zunehmen. Trotz Weiterbildungen wird es Verlierer*innen geben. Konzepte sind gefragt; wie können wir mit mehr Freizeit innovativ umgehen und die Verlierer*innen einbeziehen? Diesen grossen Zeitgewinn müssen wir unbedingt für das «community-building» investieren.

Hinweis der Redaktion: Lesen Sie zu diesem Thema das Interview mit dem digitalen Vordenker Joël Luc Cachelin: «Maschinen mit Gefühlen? Eine Glaubensfrage.»

Die Migration und Integration: Innerhalb des afrikanischen Kontinents sind heute mehr als 20 Millionen Menschen auf der Flucht. Der Klimawandel und politische Konflikte werden noch mehr Menschen zur Flucht bewegen. Da kann sich der Schengen-Raum wehren wie er will, die Zuwanderung wird eine Realität bleiben. Wir alle sind aufgefordert unsere Anteile an die Integration zu leisten. Wir und die Neuzugewanderten sind eingeladen, gemeinsam das Zusammenleben zu gestalten.

Die nachhaltige Entwicklung: Die UNO hat 17 Ziele (Sustainable Development Goals) für eine nachhaltige Entwicklung unserer Welt formuliert. Viele Staaten fühlen sich verpflichtet bis 2030 diese Ziele zu erreichen. Abwarten nützt nichts, packen wir es an. Auf allen Ebenen sind wir eingeladen unsere Beiträge zu leisten. Die Soziokultur kann auf ganz vielen Ebenen aktiv diese Prozesse von Veränderung unterstützen.

Klar gibt es noch andere Themen, die uns beschäftigen werden. Diese fünf Themen dürfen auch nicht so isoliert voneinander betrachtet und gedacht werden. Diese grossen Veränderungen werden alle Bereiche der Sozialen Arbeit tangieren. Wir sind aufgefordert zu antizipieren und neue, innovative Konzepte zu entwickeln. Die Methoden, Instrumente und Werkzeuge der Soziokulturellen Animation sind vorhanden um diese Herausforderungen zu packen.

Die ausführlicheren Überlegungen von Bernard Wandeler zu den fünf Themen finden Sie im Dokument seines Vortrags, den er beim Treffen der FASe zur «Zukunft der Soziokulturellen Animation» am 14. März 2019 in Genf gehalten hat.


RIA2019

Weitere Gedanken zu Standpunkten und zukünftigen Herausforderungen der Soziokulturellen Animation werden sich zudem vom 04. bis 06. November 2019 in Lausanne gemacht – dort trifft sich das internationale Netzwerk der Soziokulturellen Animation zum Schwerpunkt «The territories of socio-cultural community development: issues and challenges»: RIA2019 – Ninth Colloquium of the International Socio-cultural Animation Network


von: Bernard Wandeler

Kommentare

1 Kommentare

Nicole Tschäppät

Lieber Bernhard Spannend zu hören, dass ihr euch gemeinsam mit anderen Gedanken macht, wie es mit der Soziokultur weiter gehen soll. Auch finde ich eure definierten Themen sinnvoll. Ich habe mir in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren auch einige Gedanken zum demographischen Wandel gemacht, die ich hier mit dir teilen möchte. Meine Erfahrung in der Quartierarbeit ist, dass sich die "fitten" Senior_innen" gut selber informieren und organisieren können. Sie finden Kurse, Informationen und oft auch Möglichkeiten zur Freiwilligenarbeit selbständig, da sie mit dem Interner und zentralen Informationsstellen umgehen können. Meine Fragen im Bezug auf den demographischen Wandel sind deshalb viel mehr "Was machen wir mit den fremdsprachigen Senior_innen, die kaum oder kein Deutsch sprechen, mit den vulnerablen, armutsbetroffenen und Personen, im vierten Lebensalter, die noch Zuhause leben aber kaum mehr aus dem Haus kommen? Wie erreichen wir die "unsichtbaren" Senior_innen, die sozial isoliert sind? Und wie fördern wir die intergenerative Begegnung und Nachbarschaftshilfe so, dass alle den Mehrgewinn sehen? In meinen Augen brauchen wir da wirklich neue Methoden, interdisziplinäre Teams und viel kooperativere Strukturen in der Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Spitex oder der Pro Senectute. Und natürlich können da auch die fitten Senior_innen miteinbezogen werden. Kinder und Jugendliche werden seit längerem mit offenen Angeboten, aufsuchender Arbeit und Bildungslandschaften erreicht. Ich denke, es wird Zeit, dass wir ähnliche Strukturen für Senior_innen schaffen. Liebe Grüsse, Nicole

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