Behinderung und Lebensqualität,
Erziehung, Bildung und Betreuung,
Das KITAplus-Angebot wurde vor zehn Jahren im Kanton Luzern lanciert und hat in der ganzen Schweiz eine Vorreiterrolle übernommen. Das Projekt zeigt, dass eine gute Idee auch mit kleinem Budget erfolgreich sein kann. Wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren aus Praxis, Forschung und Politik. Karin Stadelmann, Dozentin und Projektleiterin an der Hochschule Luzern, und Peter Hruza, Projektleiter von KITAplus, über die Faktoren, die ein Projekt zum Erfolg machen.
Dank dem Programm KITAplus besuchen Kinder mit besonderen Bedürfnissen normale Kindertagesstätten. Während die Kinder vom sozialen Austausch profitieren, ist das Angebot für ihre Eltern eine grosse Unterstützung. Ziel ist es, die Kinder bereits im Vorschulalter zu fördern und zu integrieren.
Kinder entwickeln sich manchmal anders als erwartet. Sie haben Schwierigkeiten beim Lernen oder Sprechen oder eine körperliche oder geistige Behinderung. KITAplus ermöglicht allen Kindern, von Anfang an gemeinsam zu lernen und zu spielen. Das Programm fördert die frühzeitige Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen und schafft damit eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche integrative Förderung im Kindergarten und später in der Schule. Die wohnortnahen Betreuungsangebote entlasten zudem die Eltern. KITAplus wird in den ganz normalen Kindertagesstätten umgesetzt und dabei so weit wie möglich in den normalen Kita-Alltag integriert. Ein eigentliches Förderprogramm besteht nicht. Die Kitamitarbeitenden werden jedoch von speziell geschulten Heilpädagogischen Früherzieher*innen begleitet und in der Betreuung der Kinder unterstützt.
Initiiert wurde das Projekt 2012 von der Stiftung Kifa Schweiz und kibesuisse im Kanton Luzern.
Zusammenarbeit von verschiedenen Akteuren
Wie wurde das Projekt zum Erfolg? Für Karin Stadelmann und Peter Hruza ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren entscheidend: Es sei unerlässlich, Projekte durch eine breite Unterstützung abzusichern. Und beide sind sich einig, dass die Sache im Zentrum stehen muss. «Bei KITAplus geht es um das Wohl der Kinder und die Entlastung der Eltern. Das haben wir uns immer wieder vor Augen geführt», so Stadelmann.
Stadelmann und Hruza sehen einen grossen Mehrwert in interdisziplinären Gruppen. Es sei wesentlich, dass die richtigen Fachpersonen und Interessengruppen zum richtigen Zeitpunkt am Verhandlungstisch sässen. In manchen Fällen sei es sinnvoll, eine kleine Gruppe zu bilden, in anderen Fällen notwendig, viele Personen miteinzubeziehen. Beide sind überzeugt: «Das Fachwissen trägt dazu bei, dass ein Projekt voranschreitet, während die breite Abstützung hilft, dass es auch umgesetzt wird.»
Vom Kleinen zum Grossen
KITAplus begann mit einem Pilotprojekt in der Stadt Luzern, das zeigen sollte, ob das Konzept funktioniert und Wirkung zeigt. Danach wurde das Projekt stetig weiterentwickelt. Mehrere Evaluationen konnte den Nutzen wissenschaftlich belegen und untermauerte so die Legitimität des Projekts. KITAplus bietet einen erheblichen Nutzen für alle Beteiligten: KITA-Kinder mit und ohne Behinderung, Eltern und Betreuer*innen der KITA profitieren. «Die Finanzierung hat uns ausserdem die nötige Zeit gegeben, das Projekt weiterzuentwickeln», so Hruza.
Hruza unterstreicht, es sei entscheidend, zu Beginn eines Projekts den richtigen Fokus zu legen und sich zu fragen: Was will man mit dem Projekt erreichen? Im Fall von KITAplus ging es nicht nur darum, wie man Kinder mit speziellen Bedürfnissen in die KITA integrieren kann, sondern auch, wie man sie erfolgreich einbindet, sodass sie in ihrer Entwicklung gefördert und gleichzeitig alle Interessengruppen angesprochen werden.
Karin Stadelmann betont, wie wichtig es zudem sei, auf bestehende Strukturen aufzubauen. «Bei KITAplus bilden Heilpädagog*innen die Mitarbeitenden der KITAs weiter. Die Umsetzung erfolgt mit dem bestehenden Personal und die Mitarbeitenden profitieren von ihren neuen Kompetenzen.» Die Umsetzung funktioniere dadurch einfacher und verursache weniger Kosten.
Alle sollen «abgeholt» werden
«In der Sozialen Arbeit werden viele gute Ideen entwickelt; es ist ein enormes Engagement vorhanden», lobt Karin Stadelmann. Sie betont jedoch, die Ideen müssten besser verkauft werden. Es sei wichtig, Projekte in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Peter Hruza zieht das Fazit, «dass die Methodik oft genauso relevant ist wie die Fachkenntnisse. Es ist von grosser Bedeutung, dass sich alle ernst genommen fühlen und ihre Meinung äussern können.» Mit einer Kleingruppe muss dabei anders gearbeitet werden als mit einer grossen Gruppe. Dort lässt er die Ansichten oftmals auf Post-its schreiben. «Dadurch bekomme ich ein besseres Verständnis dafür, wo die Leute stehen und wer noch Fragen hat.»
Zwei Tipps zur Methodik bei grossen Gruppen
Post-it-Barometer: Um den Stand und die Meinung jedes Einzelnen zu ermitteln, beginnt Hruza offene Diskussionsrunden mit gezielten Fragen auf Flipcharts. Die Teilnehmenden schreiben ihre Antworten auf Post-it-Zettel. Wenn alle ihre Antworten abgegeben haben, erklärt jede Person kurz die Bedeutung ihrer Aussagen. Auf diese Weise können alle ihre Meinung äussern oder Fragen stellen. Zudem können Rückmeldungscluster gebildet werden.
Zeitmanagement: Peter Hruza bittet am Anfang von Meetings um die Erlaubnis, auf die Zeit zu achten. Die Gruppe erteilt ihm damit die Kompetenz, Voten bei Bedarf abzuklemmen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle Teilnehmenden zu Wort kommen und das Meeting in der zur Verfügung stehenden Zeit abgeschlossen wird.
Ausblick
Peter Hruza und Karin Stadelmann sind weiter im Einsatz für KITAplus. Bereits in verschiedenen Kantonen wurde KITAplus erfolgreich eingeführt; aktuell laufen Erhebungen im Kanton Baselland und mit weiteren Gemeinden und Kantonen ist man im Gespräch. Und durch das interdisziplinäre Engagement konnte im Kanton Luzern der politische Prozess zur Klärung der Finanzierung erfolgreich abgeschlossen werden. Seit dem 1. August 2022 ist die Finanzierung der Mehrkosten gesetzlich verankert.
Von Roger Ettlin
Bild: Adobe Stock
Veröffentlicht: 28. Februar 2023
Karin Stadelmann ist Dozentin und Projektleiterin am Institut für Sozialpädagogik und Bildung (ISB) der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Seit September 2022 ist sie zusätzlich Forschungs- und Entwicklungsverantwortliche am ISB. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Alter und Generationenmanagement, Palliative Care und Bildung, Erziehung und Betreuung über die Lebensspanne. Ausserdem engagiert sich Karin Stadelmann in der Politik und ist seit 2021 im Kantonsrat.
KITAplus ist ein Projekt der Stiftung Kifa Schweiz. Büro Communis übernimmt im Auftrag der Kifa die Projektleitung von KITAplus. Peter Hruza ist Geschäftsführer und Inhaber vom Büro Communis. Sie unterstützen das Gemeinweisen mit praxiserprobten Konzepten und bei deren Umsetzung. Davor hat Peter Hruza als Projektleiter, Sozialarbeiter, Sozialpädagoge und soziokultureller Animator in Gemeinden und Kanton gearbeitet.
Die Fachpersonen der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit entwickeln Forschungsthemen in Kooperation mit Behörden, Sozialen Einrichtungen und der öffentlichen Hand. Die Erkenntnisse fliessen in Lehre sowie Praxis ein und dienen der Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit.
Das Institut Sozialpädagogik und Bildung erarbeitet für und mit seinen Partnerinnen und Partnern Lösungen für komplexe Herausforderungen zu Frage- und Problemstellungen an den Schnittstellen Soziales, Bildung, Erziehung, Gesundheit und Lebenswelt. Es unterstützt Entwicklungen, welche die Förderung von Lebensqualität und Gesundheit bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsene in und ausserhalb von Institutionen zum Ziel haben.
Kommentare
0 Kommentare
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.