Sozialmanagement und Sozialpolitik,

Weiterbildung

Soziale Ziele und Wirtschaftlichkeit – ein Widerspruch?

Soziale Ziele und Wirtschaftlichkeit – ein Widerspruch?

Die wirtschaftliche Führung Sozialer Organisationen steht auf den ersten Blick quer zu den Werten der Sozialen Arbeit. Im Gegenteil: betriebswirtschaftliche Instrumente – richtig genutzt – unterstützen die Soziale Arbeit und helfen, die knappen Ressourcen sinnvoll einzusetzen.

Die verstärkte wirtschaftsorientierte Steuerung der Sozialen Arbeit erfordert professionelle betriebswirtschaftliche Kompetenzen in der Leitung Sozialer Organisationen. Einige Führungsinstrumente entsprechen auf den ersten Blick jedoch nicht den Werten der Sozialen Arbeit. So ist in vielen Sozialen Organisationen Controlling oder Kennzahlenorientierung längst nicht so selbstverständlich wie in gewinnstrebenden Unternehmen. Die gemeinnützigen oder kulturellen Ziele finden sich in einem Spannungsfeld aus Wirkungsorientierung und betriebswirtschaftlichen Anforderungen wieder.

Die Überwindung dieses vermeintlichen Widerspruchs zwischen sozialen und ökonomischen Zielen ist eine Führungsaufgabe. Eine, die nicht an Stabs- oder Fachstellen delegiert werden kann, sondern von den obersten Führungspersonen Sozialer Organisationen selbst wahrgenommen werden muss.

Kennzahlen für die Führung Sozialer Organisationen

Ein Schlüssel für die Zusammenführung von Sozialer Arbeit und Wirtschaftlichkeit liegt in der Verknüpfung des Controllings mit den Sachzielen der Sozialen Organisation: Durch die Entwicklung von Kennzahlen mit Bezug zu sachzielorientierten Führungsaufgaben wird die Betriebswirtschaft in den Dienst der Sozialen Arbeit gestellt. Die Entwicklung und die Arbeit mit diesen Kennzahlen ist eine zentrale Führungsaufgabe. Gleichzeitig sollten der Prozess und Inhalt möglichst breit in der Organisation abgestützt sein, denn erst dadurch sind die Erhebungsqualität und -effizienz sichergestellt und können alle Ebenen mit den Kennzahlen führen. Die Rolle von Finanz- oder Controllingfachleuten ist dabei unterstützend und liegt vornehmlich in der technischen Aufbereitung führungsrelevanter Daten.

Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit des MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich hat Nicole Rüttimann fünf Faktoren herausgearbeitet, welche die Zusammenführung von Betriebswirtschaft und Sachzielorientierung begünstigen.

Faktoren zur Zusammenführung von Sachzielorientierung und Wirtschaftlichkeit

Konsequenz und Mitwirkung in der Entwicklung

Der Prozess der Entwicklung, Erhebung und Erfassung von Transaktionsdaten – über die Verarbeitung bis zur Bereitstellung und Präsentation als verdichtete Kennzahlen – muss sorgfältig abgestimmt werden. Dazu gehören klare und verbindliche Rollen aller am Prozess Beteiligten. Eine Schlüsselrolle kommt der obersten Leitung zu, die aktiv teilnimmt und die Bedeutung kommuniziert. Linienvorgesetzte auf allen Stufen müssen miteinbezogen werden. Die daraus abgeleitete Mitwirkungspflicht muss konsequent durch die oberste Leitung eingefordert werden. Daraus ergibt sich eine wichtige Basis für die effiziente Erhebung und den effektiven und differenzierten Umgang mit dem Kennzahlensystem in der Sozialen Organisation.

Relevanz des Kennzahlensystems

Der zweite Faktor betont die Bedeutung der Auswahl und Dimensionierung der Kennzahlen bzw. des Kennzahlensystems: Die Festlegung des Kennzahlensystems sowie der einzelnen Kennzahlen ist eine heikle Angelegenheit und kann über Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens entscheiden. Gerade bei Sozialen Organisationen gilt es, die steuerungsrelevanten Grössen aus einer anspruchsgruppengerechten sach- oder wirkungszielbezogenen Perspektive heraus zu definieren. Dazu gehört auch, auf die Erhebung gewisser Daten bewusst zu verzichten, z.B. weil mit ihnen nicht bewusst geführt wird oder weil deren Erhebung unverhältnismässig wäre. Eine relativ beständige Struktur des Kennzahlensystems bietet den Verantwortungsträger*innen in einer Sozialen Organisation – auf allen Stufen – eine verständliche, nachvollziehbare und kontinuierliche Grundlage für Entscheidungen in ihrem Verantwortungsbereich. Natürlich ist es eine weitere zentrale Führungsaufgabe, dieses System bei Bedarf weiterzuentwickeln.

Transparenz über die Kennzahlenverwendung

Kennzahlen in Führungsprozesse zu integrieren, bedarf transparenter und ehrlicher Kommunikation über die Absichten und Konsequenzen des geplanten Einsatzes. Auswahl und Bedeutung der verwendeten Kennzahlen müssen nachvollziehbar sein. Das Vorgehen bei der Interpretation, Besprechung und Ableitung von Massnahmen muss klar sein. Durch einen sachlichen, differenzierten und verlässlichen Umgang mit Kennzahlen werden Fehlanreize oder Ängste vermieden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um auf allen Stufen effektiv mit einem Kennzahlensystem arbeiten zu können.

Stringenz in der Rollengestaltung der Beteiligten

Der vierte Erfolgsfaktor weist auf personen- und aufgabenbezogene Kriterien in der Rollengestaltung der Beteiligten hin. Die Etablierung einer zweckdienlichen Controlling-Organisation in Sozialen Organisationen bedarf der klaren Abgrenzung der Aufgaben und Kompetenzen zwischen den Geschäftsführenden und den Controlling-Verantwortlichen. Bedeutsam ist die aktive Mitwirkung der Leitungspersonen bei der Konzeption der Controlling-Aktivitäten. Auch die Rolle der Controller*innen als Berater*innen mit einem ausgeprägten Dienstleistungsverständnis und einer hohen internen Kundenorientierung wird weitgehend durch die Erwartungshaltung der Geschäftsleitung bestimmt. Das Missverständnis, dass Controller*innen kontrollieren, kann nur die Geschäftsführung auflösen.

Ziel- und Wertekohärenz der Führung

Der vermeintliche Gegensatz zwischen der Sachzielorientierung Sozialer Arbeit und der betriebswirtschaftlichen Steuerung der Ressourcen kann nur überwunden werden, wenn die Führung glaubwürdig soziale Ziele mit wirtschaftlichen Zielen kombiniert. Dadurch wird die Kohärenz der organisationalen Ziele sichergestellt. Die Geschäftsführenden müssen Zielkonflikte benennen und den Umgang damit gegenüber internen und externen Stakeholdern offen legen. Durch die konsequente Verfolgung beider Zielebenen werden Widersprüche in der Führung vermieden.

Kennzahlen in Sozialen Institutionen Zeichnung
Kennzahlen in Sozialen Institutionen als Führungsaufgabe (Bild von Nicole Rüttimann)

Integrierte Führung fordert Kompetenzen in Sozialer Arbeit und Sozialwirtschaft

Die fünf von Nicole Rüttimann erarbeiteten Kriterien dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Gerade für die Sozialwirtschaft ist es zentral, dass wirtschaftliche Aspekte der Führung mit den Wirkungs- oder Sachzielen der Organisation Hand in Hand gehen. Die Gestaltung der Führungsprozesse und -instrumente sowie der Umgang mit Indikatoren muss deshalb als eine zentrale integrierte Führungsaufgabe verstanden werden. Dabei dürfen Wirkungs- oder Sachziele nie von den betriebswirtschaftlichen Zielen entkoppelt werden. Die dafür notwendigen Führungskompetenzen sind anspruchsvoll und umfassen sowohl fachliche Kenntnisse der Sozialen Arbeit als auch der Betriebs- bzw. Sozialwirtschaft.

Von Marc Zimmermann
Bilder: Adobe Stock und Nicole Rüttimann
Veröffentlicht: 6. März 2022

Marc Zimmermann HSLU

Prof. Dr. Marc Zimmermann

Marc Zimmermann ist als Dozent und Projektleiter der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit in der Ausbildung, Weiterbildung und Forschung tätig. Er leitet unter anderem das MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich.

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